Fünf Jahre ist es her, da erschien bei Rowohlt ein Buch mit dem Titel Die Hartz-IV-Diktatur. Eine Arbeitsvermittlerin klagt an. Die Autorin Inge Hannemann ist auf dem Cover abgebildet, mit entschlossenem Blick. Seitdem kämpft sie für ihre Ziele, auch in der Politik. Jetzt ist sie wegen großer Enttäuschungen aus der Linkspartei ausgetreten.
der Freitag: Frau Hannemann, sind Sie eine gescheiterte politische Existenz?
Inge Hannemann: Nein, überhaupt nicht. Wie kommen Sie denn darauf?
Sie haben das Unrecht der Jobcenter aufgedeckt, bei Hartz IV sind aber noch nicht einmal die Sanktionen abgeschafft. Sie streiten für ein bedingungsloses Grundeinkommen, das sogar in der Linkspartei umstritten ist. Und nun sind Sie aus dieser Partei ausgetreten.
Ich bin nicht größenwahnsinnig. Darum wusste ich immer, dass ich allein nichts verändern kann. Mir geht es bei meiner Arbeit vor allem darum, „meine“ Themen sichtbar zu halten. Denen Gehör zu verschaffen, die nicht mehr an dieser Gesellschaft teilhaben. Und da habe ich mit anderen Menschen viel erreicht.
Plagen Sie nie Selbstzweifel?
Doch, immer wieder. Gescheitert bin ich zum Beispiel innerhalb der Linkspartei. Dort wollte ich etwas verändern, etwa als Abgeordnete in der Hamburgischen Bürgerschaft. Das ist mir leider kaum gelungen. Gerade nach meinem Ausscheiden aus der Bürgerschaft im Sommer 2017 habe ich mich gefragt: Lag es an mir? Oder an meiner Art, weil ich so penetrant bin bei meinen Themen? Bin ich nicht kompromissfähig genug? Genossinnen und Genossen sagten mir: Du bist zu hart, auch in der Ansprache. Auf der anderen Seite sagten viele aber auch: Du bist mahnend, du hältst den Linken den Spiegel vor und du treibst sie auf allen Ebenen an. Und solche Streber waren nun mal noch nie beliebt.
In Deutschland gibt es wohl keine Einzelperson, die so für die Forderung „Hartz IV muss weg“ steht wie Sie. Ausgerechnet Sie sind nun aus der Linkspartei ausgetreten, die sich 2007 unter anderem mit dieser Parole als Markenkern gegründet hat. Warum mussten Sie da raus?
Das war keine spontane Entscheidung. Sie ist über Monate gereift. Meine Beobachtung ist, dass die Partei das Thema Hartz IV teilweise aufgegeben hat. Menschen, die aus verschiedenen Gründen dem Arbeitsmarkt nicht mehr zur Verfügung stehen, spielen keine zentrale Rolle mehr. Wenn aus der Parteispitze die Losung kommt: „Familien und Kinder sind besonders betroffen in der Coronakrise“, dann stimme ich dem zu. Weil aber danach kein Wort mehr fällt über diejenigen, die erwerbslos sind oder im Niedriglohnsektor arbeiten müssen, dann finde ich das fatal. Die Linkspartei beklagt die unsoziale Politik der Bundesregierung, aber sie hat ihr nichts Substanzielles mehr entgegenzusetzen. Es reicht nicht, bei Hartz IV ein Ende der Sanktionen und eine Erhöhung des Regelsatzes zu fordern. Das ganze System der Ausgrenzung, Entrechtung und Bevormundung muss weg.
Die Partei wird auch konkret. Statt des einmalig ausgezahlten Kinderbonus fordert sie etwa eine Kindergrundsicherung.
Die extrem wichtig und schon lange notwendig ist, aber nur dann ihre volle Wirkung entfaltet, wenn die Kinder und Jugendlichen zugleich dem Jobcenter entkämen. Weil das sonst über den Bildungsweg der Kinder entscheiden kann. Und da steht eine Kosten-Nutzen-Rechnung im Mittelpunkt: Es redet den jungen Leuten das Abitur aus, weil sie eine Ausbildung machen sollen, damit das Jobcenter dann einen Teil des Geldes nehmen kann, um die Sozialleistungen der Eltern zu senken. Diese Erfahrungswelt der Betroffenen müsste die Linke skandalisieren, anstatt nur Schlagworte vor sich herzutragen.
Zur Person
Inge Hannemann, Jahrgang 1968, war Arbeitsvermittlerin im Jobcenter. Als Abgeordnete saß sie für Die Linke bis 2017 in der Hamburgischen Bürgerschaft. Sie ist eine der prominentesten Hartz-IV-Kritikerinnen
Im Milieu der jungen, kosmopolitischen Großstadtakademiker sieht die noch amtierende Spitze der Linkspartei eine neue Kernklientel. Und die sehnt sich laut Umfragen nach einer linken Bundesregierung. Für Wahlerfolge müsste die Linke aber wohl auch Erwerbslose und Niedriglöhner erreichen. Wieso fällt ihr das so schwer?
Im Gebrauch der Sprache liegt sehr viel Macht. Und die Linke spricht seit Jahren nur noch akademisch. Da habe ich schon oft gehört: „In Ihrer Partei reden alle wie Professoren.“ Offenbar wollen viele in der Bundespartei diese Menschen gar nicht mehr erreichen. Dort traf ich schon auf die Meinung, die Erwerbslosen würden eh nicht wählen, also müssten wir uns um die auch nicht bemühen. Seit meinem Austritt habe ich zwei Mails aus dem Parteivorstand bekommen. Dort wurde meine Begründung nicht verstanden. Sie haben mir aufgezählt, was sie parlamentarisch getan haben, um Hartz ΙV abzuschaffen. Mir geht es aber vielmehr um die Außenwirkung, um das schwindende Selbstverständnis der Linkspartei als Sammelbecken für alle, die in der Klassengesellschaft im Nachteil sind – und dazu gehören auch Menschen, die keiner Erwerbsarbeit nachgehen.
In manchen Fragen gibt es doch einen Zielkonflikt. Wenn bei der Blockade am Tagebau im Hambacher Forst manche in der Linkspartei sagten: „Wir müssen an die Menschen denken, die ihre Arbeitsplätze verlieren“, dann konterte die Parteispitze: „Es geht ums Klima, da sind Arbeitsplätze zweitrangig!“
Wer das Argument mit den Arbeitsplätzen vorbringt, unterwirft sich dem Dogma des Arbeitszwangs. Wir müssen uns eher fragen: Warum haben wir uns als Linke diesem Arbeitsethos so verschrieben, ohne die Ursachen der Erwerbslosigkeit zu hinterfragen? Das müssten wir dringend klären: Wie stehen wir insgesamt zur Arbeitslosigkeit? Wollen wir sie weiter nur als schweres Schicksal begreifen oder an einer Gesellschaft arbeiten, in der Erwerbslosigkeit kein Stigma mehr ist? Wir müssten ehrlich zugeben, dass Arbeitsplätze verloren gehen und zugleich Alternativen aufzeigen: eine sanktionsfreie Grundsicherung ohne Erwerbszwang, also ein bedingungsloses Grundeinkommen, außerdem Unterstützung bei Umschulungen.
Da drängt sich die Lieblingsfrage aller Staatstragenden auf: Wer soll das bezahlen?
Das wäre kein Problem. Eine hohe Vermögenssteuer ab einem Jahresbruttoeinkommen von 200.000 Euro wäre ein Baustein. Stattdessen fordern einige Spitzenleute der Linkspartei jetzt im Rahmen der Coronakrise nach außen vor allem eine einmalige Abgabe von Multimillionären und Milliardären. Damit ließe sich kein guter Sozialstaat aufbauen. Wenn die Linke hier zu defensiv agiert, dient sie sich leider in erster Linie SPD und Grünen an, um von ihnen als regierungsfähig anerkannt zu werden.
Warum sollte es in einer Bundesregierung nicht gelingen, Hartz ΙV endlich abzuschaffen?
Sicher wissen kann ich es nicht, aber mir fehlt das Vertrauen. Wenn ich nach Bremen blicke, wo die Linke mitregiert, dann schwant mir Übles. Im Wahlkampf hieß es noch: „Hartz ΙV muss weg!“ Im Koalitionsvertrag wurde das einkassiert. Da steht nur noch: Die Sanktionen müssen bei Haushalten mit Kindern abgeschafft werden, und bei den anderen Betroffenen müssen wir versuchen, sie zu senken. Versuchen! Auch in Thüringen waren sie vollmundig, und im Koalitionsvertrag steht nur noch ein einziger Satz zu Hartz ΙV. Aus Bremen haben mich Rückmeldungen von Hartz-ΙV-Empfängern erreicht, die bitter enttäuscht sind von der Linken.
Auf die Partei können Sie keinen Einfluss mehr nehmen. Wie geht es für Sie politisch weiter?
Ist das so? Ich stehe für die ein, die „draußen“ sind. Meine Zusammenarbeit mit Erwerbsloseninitiativen geht weiter, auch die mit Sozialverbänden und Bewegungen. Ich mache Erwerbslosenberatung, und ich gehe auch ohne Parteibuch demonstrieren.
Sie haben im Laufe des Gesprächs mehrmals „Wir“ gesagt, wenn Sie die Linkspartei meinten. So ganz kommen Sie da offenbar doch nicht raus ...
Ja, und ich weiß auch, auf wessen Seite ich mich bei Demonstrationen einreihen werde. In der politischen Einstellung bleibe ich selbstverständlich links.
Kommentare 22
Das ist bitter für die Linke. Aber nachvollziehbar und klar begründet.
Ich hatte ohnehin nicht mehr den Eindruck, dass der "Grundeinkommensflügel" in der Partei noch Aufwind bekommen wird.
>>Ich hatte ohnehin nicht mehr den Eindruck, dass der "Grundeinkommensflügel" in der Partei noch Aufwind bekommen wird.<<
Und deshalb macht es nichts, wenn eine starke Befürworterin die Partei verläßt? Merkwürdiges Argument.
>>Das ist bitter für die Linke.<<
Solch bittere Medizin wird die Partei wohl brauchen um den selbstverordneten Wählerschwund zu beenden.
Die Linke kann ich wirklich nicht mehr ganz ernst nehmen. Das soziale Gehabe einer Kipping kommt wirklich akademisch-stelzenhaft daher. Da ist kein Druck dahinter. Sie wollen SPD und Grünen gefallen. Sie wollen an die Macht. Keine Visionen, keine Gesellschaftskritik, keine Analyse. Kann Inge Hannemann voll verstehen.
Um mich nicht zu wiederholen: Meine Einschätzung zu diesem prominenten Mitgliedsabgang habe ich bereits unter einem der beiden »Flügelstreit«-Debattenartikel gepostet.
Das nennt sich „Taoismus“, kommt aus Fernost, und schlug unheimlich ein, seit es in Deutschland als Geisteshaltung bekannt wurde.
-Weil es so viel besser klingt als „Opportunismus“.
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Ein Sachbuch dazu, wie das Aushöhlen aller sozialen Organisation, angefangen von Sozialistischer Arbeiterpartei Deutschlands zur SPD bis zur Kipping-Linken, nebst anderer nationalen Beispiele, wäre in Sachen Taoismus ungemein erhellend.
Ebenso aber auch, wie maßgeschneidertes Bildungs- und Informationswesen Umsetzung / Befolgung der Aushöhlung durch Gemeingeist Weg bahnt, welcher, als Fußsoldaten in linke Partei verirrt, nicht im Stande ist, progressive Grundlage zu überschauen / von oben instigiertes Umfallen verläßlich geistlos mitträgt.
Damit ist es Kippingscher Einfalt und Opportunität mit dem Ausbooten von Grundsatztreuen und Analytischen stets ein Leichtes.
Da können Pfeffersäcke lässig auf Neugründungen sozialer Parteien und Orgs schauen. Haben sie Acker der Begriffslosigkeit doch gründlich bestellt, und bedürfen darauf nur ein paar umgestellter Hebel, vergebener Handgelder, Karriereboni und Posten, um die Rebellion in Taoismus zu wandeln.
So billig ist es in keinem Aldi.
Dafür müßte der die Kilotonne Butter schon für 20 Cent anbieten.
Ich wähle seit Ewigkeiten die Linke. Zweifel ob der Akademisierung und der "Grüner-als-die-Grünen-Linie" kommen mir auch immer wieder. Aber was soll denn die Alternative sein ? Die "Alternative" mit ihren nationalistischen Parolen ist es sicher nicht. Weglaufen ist keine gute Idee.
Ich wünsche der "DIE LINKE" allzeit 4,9 %!
Mal ins Sortiment der kleineren Parteien schauen.
Alle haben mal klein angefangen. Selbst Z***** (Fiel der hausinternen Zensurschere zum Opfer), wie Werner Herzog mal einen Film betitelte.
Opportunismus=Taoismus. Also Einknicken vor den Machtverhältnissen. Ich sag es gern mit einfachen Worten. Ja wer soll so eine "linke" Partei wählen, die sich von SPD und Grüne kaum unterscheidet? Was soll man von der Querfrontbewegung halten? Deren Ansatz einer Analyse der gesellschaftlichen Verhältnisse ist eigentlich super. Man bringt viele auf die Strasse. Fordert mehr Demokratie und Einhaltung der Verfassungsgrundsätze. Hinterfragt staatliche Massnahmen. Alles richtig. Sie beginnen Ziele zu formulieren. Vieles ist da noch unklar. Aber man kann diese Bewegung nicht ignorieren. Deren Diffamierung ist schlimm. Vor allen von der opportunistischen Linken. Hier im Forum ist ja geballtes politisches Porenzial. Wer bringt hier mal Klarheit in das Spiel?
Wir können Hartz IV als Landesregierung (ebenso als Mitglied einer nationalen Regierung, der Verf.)) nicht abschaffen, also dürfen wir so was auch nicht versprechen.«
(Thüringischen Landespolitikerin Susanne Hennig-Wellsow laut Richard Zietz-Kommentar im Nachbarblog)
Warum wollen die dann überhaupt an Landes- und Nationalregierungen teilhaben, wenn nicht einmal dieser Teilbereich sozialer Barbarei und angeb. hauptsächlicher Anlass zur Gründung dieses Wahlvereines (zumindest im Westen), gar nicht abzuschaffen ist? Und diese bahnbrechende Erkenntnis brauchte sage und schreibe ganze Eineinhalb Jahrzehnte Parlamentspraxis und Reifezeit?
Ganz schön bescheuert diese linke Partei-Avantgarde, falls das die Wahrheit sein sollte. Nur, wenn das die Wahrheit ist und ihr Anliegen EIGENTLICH immer noch das gleiche sein sollte, warum stellen die ihre „Arbeit“ nicht dort sofort ein, wo sie doch festgestellt haben wollen, dass die Abschaffung von H4 mittels Parlament, Landes- und Bundesregierung weder erwünscht noch realisierbar ist? H4 nicht abschaffen, Kriege nicht verhindern, Den autoritären Staat nicht in die Parade fallen...machen doch alle anderen Parteien schon. Wozu braucht’s da die „Linke“?
Nunja, so geht halt „Realismus“ und Regierungsfähigkeit. So viel Offenheit sollte allerdings belohnt werden. Und zwar von all den Menschen die bisher und leider immer noch jedwedes „links“ wählen und wählen überhaupt, hartnäckig mit der Verfolgung eigener Interessen verwechseln wollen. Macht an Wahltagen lieber einen großen Bogen um die Wahllokale und euch einen schönen Sonntag. Wenigstens das.
Erst mal danke für die Information und das Interview. Ich lese Resignation heraus und das Empfinden einer Ehemaligen ,,Die Elenden'' nicht wahrzunehmen. KEINER PARTEI gelingt es, die Arroganz abzulegen.Vielleicht bedarf es einer Person, die für die entsprechende Kommunikation zuständig ist? Ich kenne keine nennenswerte politische Person mit Macht, die dem Menschen auf's Maul schaut.Ich kenne aber eine Arbeiterin, die sehr oft mit mir im Zug fuhr, sie fuhr zur oder von der Arbeit nach Hause täglich 100km mit dem Zug.Sie geht in Rente in 2Monaten und nimmt vorher ihren Urlaug.Sie war dort in einem Reinigungsdienst.Was für eine Rente wird sie wohl bekommen?Und wird sie immer noch Pfandflaschen im Zug sammeln bis zur Rente.Ich meine, ,,Die Linke'' hat es verpasst, genau dieser kenntnisreichen Linken eine Redeerlaubnis zu besorgen.Dann hätte sie für kurze Zeit für Erleuchtung gesorgt bei Einigen, natürlich nicht bei Allen.Die eigenen Blasen werden ja sehr geschätzt.Wir sind und bleiben eine Neidgesellschaft mit einem turbokapitalistischen System, welches aber noch ein paar soziale Gegebenheiten hat.Wehe aber wenn wir Merz kriegen, dann werden wir uns nur noch um die Futtertöpfe streiten.Den haben wir uns dann aber auch verdient.Schade, daß ich dann bleiben muss, ich bin zu alt zum auswandern.
Die Linkspartei ist Teil des politischen Establishment geworden.
Wir alle erfahren große Veränderungen, das wird eben nicht nur durch Trump und die Pandemie all zu offensichtlich.
Die Parteienlandschaft versteckt sich vor der Wahrheit dieser technisch industriellen Revolution.
Wenn Veränderungen unumgänglich sind, werden diese irgendwie passend gemacht. Das Ziel offenbart, möglichst sollen alte Besitzstände so lange wie möglich erhalten beleiben. So verhalten sichtbar in der Auto und anderen Industrien, an den Börsen treibende Konzernmonster ohne zukünftiges Geschäftsmodell, der damit wachsenden Arbeitslosigkeit und Unfähigkeit von Gewerkschaften im Einklang mit der Politik etwas wie eine Vision zu entwickeln die ein Fundament für eine zukünftige Wirtschafts und Gesellschaftswelt abbilden. Kapital fließt in "Elon Musk Zukunftsprojekte", zuweilen ohne Rendite auf der Suche nach möglichen Profiten, Devlation herrscht auf breiter Flur.
Nun befinden die Gesellschaften sich in Pandemie Zeiten welche die Entwicklung noch beschleunigt und tatsächlich die rasche Digitalisierung unumgänglich macht. Ein bedingungsloses Grundeinkommen für tausende prekärer Freiberufler, vom Künstler bis zum Gastronom, vom It Fachmann bis zum Lehrer eigentlich obligatorisch werden lässt.
Aber was geschieht? Weder rühren sich die Gewerkschaften noch die Linkspartei. Interessanterweise kommen Forderungen aus der Wirtschaft die eine Änderung der sozialen Systeme in diese Richtiung anraten und damit offenbaren, dass andere, die sich sich dem Sozialen verschreiben, scheinbar auch nur an ihren Besitzständen kleben.
Eine Partei wird nicht sozialer nur weil sie sich Links nennt, eine Organisation wie die Gewerkschaften eher zum Problem als zu Lösung beiträgt, weil sie die wirtschaftliche Unabhängigkeit ihrer "Klienten" eher fürchtet als sie zu fordern. Schließlich lebt diese Organisation von der wirtschaftlichen Abhängigkeit ihrer Mitglieder, oder?
SPD und Linkspartei sehen sich eigentlich nicht als fortschrittsfördernde Organisationen, wenn sie sich auch so gerne darstellen. Es sind Besitzstandswahrer die das veraltete Lagerdenken - Rechts gegen Links - leben. Es passt in das Denkmuster eines Wirtschaftssystems, das letzlich auf Lohnsklaverei beruht, in der Einkommen über Arbeit verteilt wird. Einem Tätigkeitsmuster das eben der Arbeitswelt des zwanzigsten Jahrhundert entspricht, mit dessen Motivationsgrundlagen abhängiger Beschäftigung. Diese alte Arbeits und Wirtschaftswelt ist aber an seinem Ende angelangt. Scheinen einige in der verhassten Kapitalistischen Welt schon weiter im Denken als die Linken und die Gewerkschaften?
Die Wahrheit ist: die menschliche Arbeit wird im Kalkulationschema der Unternehmen permanent entwertet. Es ist ein Wettbewerb zwischen Mensch und Robter, Analog und Digital. Weder kann das Analoge noch der Mensch gewinnen. So wird der Mensch permanent entwertet verliert an Marktmacht und ins Prekäre abgeschoben, was die Spannungen weiter verschärft. Weder spricht das offensiv die Gewerkschaft noch die Linkspartei an. Es geht da möglicherweise deren "Geschäftsmodell" verloren? Und eine Vision findet man da vergebens, leider!
Was aber hat dann Harz IV noch einen Sinn wenn Menschen in eine prekäre Arbeitswelt gezwungen werden um Erhaltung ihrer bloßen Existenz willen? Bedingt die neue Arbeitswelt nicht ein höheres Niveau und eine andere Motivationslage als die bloße Erhaltung der eigenen Existenz? Und wie kann die Politik respektive die Parteien das dem Bürger näher bringen? Haben die sich schon mal damit beschäftigt? Mir scheint die warten alle auf irgend was, auf sowas wie einen Trump. Dann allerdings ist es zu spät!
Strategisch gesehen begibt sich die Linkspartei mit der Hintanstellung des Hartz-IV/Grundsicherung-Themenkomplexes in ein meiner Meinung nach gefährliches va-banque-Spiel hinein. Sicher – salopp formuliert kann es auch ohne die politisch lästig gewordenen Menschen in der deutschen Sozialmühle reichen. Die Linkspartei verfährt hier – ums mal bildlich zu formulieren –… ungefähr so wie der ziemlich berechnend vorgehende Lover, welcher die unperfekt-unliebsame Ex stückweise entsorgt mit stetigem Blick auf die noch in der Umwerbungsphase befindliche Neue. In Prozentpunkten könnte diese Strategie hinlangen; sieben bis acht Prozent gibt das städtlisch-urban-linksliberale Milieu durchaus her.
Nur was kommt dann? Die Linkspartei wird sich zunehmend auf die linksliberalen Themen kaprizieren – also Gender, Antirassismus, Klima, flankiert vielleicht von ein paar sozialen Leckerlis, die nicht viel kosten. Wird das halten? Im anskizzierten Prozentkorridor durchaus. Nur ist die Linkspartei dann eben eine linksLIBERALE Partei. Was eben heißt: Als Sammelpunkt für eine soziale Programmatik gegen den Neoliberalismus fällt sie damit aus – wobei das Sich-Verschleißen in diversen Regierungsprojekten mit den entsprechenden Kompromissen verstärkend mit hinzukommt.
Dass die neue Geliebte, um im Bild zu bleiben, der gewendeten Linkspartei vom Haken geht, halte ich für eine Fifty-Fifty-Angelegenheit. Klar – die Grünen sind potenziell durchaus in der Lage, Wähler(innen) abzuziehen. Andererseits halte ich die soziale Formation, die sich um die gewendete Linkspartei herausbildet, für durchaus so stabil, dass die Fünf-Prozent-Hürde im Normalfall gerissen wird. Was wäre mittelfristig das wahrscheinliche Ergebnis? Prognose: eine explizit linksliberale Partei – quasi ein linkes Pendant zur FDP.
Kann man moralisch sehen – großer Shit. Kann man allerdings auch aus der abwägend/analysierenden Warte betrachten. Etwa dergestalt, dass die Linkspartei für ein sieben-Prozent-Ghetto überzeugter »Urbanistas« die möglichen zwanzig Prozent auf der linken Gesellschaftshälfte links liegen lässt.
Bei den neoliberalen Lobby-Vereinigungen der Großbanken, Großkonzerne, Immobilienspekulanten und Hyperreichen - zum Beispiel der "Initiative Neoliberale Sozialdarwinistische Marktwirtschaft"alias "INSM" - haben vermutlich die Champagnerkorken geknallt.
Aber auch die neoliberal-konservativen und pseudo-sozialdemokratischen Parteien und den obersten Beamten der Bundesagentur für Arbeit in diesem unserem angeblich "christlichen" Lande wird es sicherlich freuen.
Gibt es doch eine kompetente, parteigebundene und vor allem öffentlichkeitswirksame Kritikerin der Hartz IV-Gesetze und deren realen Umsetzung durch die sogenannten "Jobcenter" weniger.
Wenn die Zustände so sind, wie Frau Hannemann es beschreibt, dann man muss man diese persönliche Entscheidung sicherlich respektieren.
Als der SPD-Politiker Oscar Lafontaine sich seinerzeit weigerte, die pseudo-sozialdemokratische Politik des damaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder als Minister mitzutragen, wurde ihm von den neoliberal-konservativen Schmierfinken bzw. selbsternannten "Qualitäts-"Journalisten in den Medien jahrelang vorgeworfen, er habe "hingeworfen". Davon dürfte Frau Hannemann vermutlich verschont bleiben.
Bleibt die Frage, welche Partei vertritt die ökonomischen Interessen der Hartz IV-Empfänger in diesem unserem angeblich "christlichen" Lande dann? Die angeblich "sozialen" Parteien, die diese Gesetze gemacht haben, sicherlich nicht. Das gilt aber auch für die Nationalisten, Rassisten und Sozialdarwinisten auf der alternativen rechten Seite.
Nur Dummköpfe fallen auf braune Rattenfänger herein und glauben, dass der russische Präsident Putin, die Juden, Zigeuner, Flüchtlinge, der griechische Taxifahrer, der italienische Briefträger, die spanische Krankenschwester und der Tagelöhner in Kolumbien schuld daran sind, weil ihnen vom Jobcenter der lausige Regelsatz gekürzt wird, wenn sie sich weigern, formal für 9,50 Euro brutto/Stunde zu arbeiten und dabei unbezahlte Überstunden zu machen. (ACHTUNG: Verschwörungstheorie!)
Sicherlich kann man in Deutschland auch außerhalb einer Partei für die Menschen kämpfen, die in diesem unserem "christlichen" und "sozialen" Lande, in dem sich allein das Geldvermögen inzwischen auf über sechs BILLIONEN Euro beläuft, von Hartz IV leben müssen. Aber die Gesetze werden in diesem demokratischen Lande in formaler Hinsicht immer noch von den Parteien in den Parlamenten verabschiedet.
Der autoritätsgläubigen, empathielosen und opportunischen Masse der Gesellschaft in diesem unserem Lande geht das Problem solange am eigenen Arsch vorbei, solange es den meisten Bürgern vergleichsweise gut geht. Was die meisten Bürger, die sich in Deutschland zur sog. "Mitte der Gesellschaft" zählen, dabei übersehen ist die Tatsache, dass sich das asoziale Virus, das sich "Armut" nennt, bereits tief in die Mitte der Gesellschaft hineingefressen hat und dieses Virus wird sich weiter hineinfressen. Dagegen war und ist das Corona-Virus nur ein ganz kleiner Schnupfen.
Und was sagt die hochgelobte und gepriesene Bundeskanzlerin alias "Mutti" Merkel dazu? Ach ja, das vergesse ich immer wieder: Wenn man mit dem schwarz-rot-golden Helikopter hoch über den Wolken schwebt, dann hat man für diese Themen und die lächerlichen Probleme der Hartz IV-Empfänger da unten keine Zeit. "Mutti" muss sich um die Sorgen und Nöte der Reichen kümmern, die in den Milliarden schwimmen, damit sie noch reicher werden.
||Als der SPD-Politiker Oscar Lafontaine sich seinerzeit weigerte, die pseudo-sozialdemokratische Politik des damaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder als Minister mitzutragen, wurde ihm von den neoliberal-konservativen Schmierfinken bzw. selbsternannten "Qualitäts-"Journalisten in den Medien jahrelang vorgeworfen, er habe "hingeworfen".||
Brutus und Feige Sau sei er gewesen.
Kontrollierte Medien und Gesinnungszucht ist eine propagandistische Katastrophe für sich, die zugleich eben schon nicht mehr realisiert wird.
Noch erschütternder indes infantil-treuherzig und PROMPT adaptierte Ansicht durch den Zeitgeist (wie in zahllosen, um nicht zu sagen „sämtlichen“ sonstigen paradigmatisch ausgelegten Attrappen-Kampagnen auch).
So, daß eklatant anerkennenswerter Fall einer Person (von der meinerich schleierhaft ist, was sie bis dahin vermeint haben mag, wofür wohl rührig gewesen zu sein), welche sich aus sozialem Gewissen heraus von Trog und Machtspiel verabschiedete, dabei in diametrales Gegenbild von ausgerechnet ‚drückerbergerischem‘ Kameradenschwein verwandelt werden konnte, ohne, daß beim Michel auch nur eine LED zu blinken begonnen hätte.
Komplette Schicht im Schacht. Schließlich hatten konzertierte Medien das Licht ausgemacht.
Es bedeutet in der Konsequenz, ebensolche Dunkelheit beim gängigen Verriß sozialer Ambitionen auf der Welt (selbstredend Demagogen / „Populisten“) bis dahin, daß hypothetisch wieder Einer davon grölte, ob die Massen zu seinen Füßen Butter wollten.
Sie würden glatt „Ja!!“ rufen.
Das und jeder andere reaktionäre / absurde Entwurf müssen in der Konsequenz wohl als demographische Brief & Siegel eingeordnet werden.
Gesinnungsmetamorphose auf Knopfdruck.
Orwell wäre dieser Tage kaum ein Stück weniger bange wie schon vor 1948.
Definitiv.
Hartz IV (= SGB II) ist Bundesrecht und deshalb auch nur vom Deutschen Bundestag zu ändern. Eine Landesregierung oder ein Landesparlament hat da nichts zu melden. Das hat Hennig-Wellsow gemeint und damit liegt sie auch sachlich völlig richtig.
sowas von egal: hartz IV wurde als Stigmatisiierungsinstrument implementiert und funzt eben genauso.
Außer einer Spaßpartei fällt mir kein Z.... ein, den ich wählen könnte. Die habe ich mit anderen immerhin zum allgemeinen Gaudi ins Europaparlament gehebelt. Die Piraten, mit denen ich es in Berlin wegen eines scheinbar alternativen Politikansatzes einmal probiert hatte, haben sich erfolgreich selbst zerlegt.
Wenn man ernsthaft was dran ändern will, dann macht es schon einen Unterschied, ob man eine Landtags- oder Bundestagswahl gewinnen muss.
Verstehe ich recht, die Stigmatisierungsabsicht sei via Wahl zu ändern?
Klar. Sie fangen klein an, und wenn sie größer werden, werden ihre Spitzen kooptiert.
Von daher kann ich dem Foristen schon zustimmen, der weiterhin die Linke wählen. Sie wird die Realitäten nicht ohne Druck von der Basis verändern. Aber sie hat eher das Zeug dazu als z. B. die SPD.
Mehr als jede Partei übrigens, die sich Industriespenden reinschieben lässt.