Menschenfleisch schmeckt so ähnlich wie Schweinefleisch. Das behauptete der Religionskritiker Christopher Hitchens in seinem Buch Der Herr ist kein Hirte (Heyne 2007). Er berief sich nicht auf eigene Gaumenerfahrung, sondern auf die Landessprache Neuguineas, in der man gegrilltes Menschenfleisch als „langes Schwein“ bezeichnet. Es ist ein besonders delikates Beispiel für die eigentümliche Nähe zwischen Menschen und Schweinen, die sich im Laufe der Evolution entwickelt hat. Auch die Haut des Schweins ähnelt der des Menschen. Schweine bevorzugen hierarchische Sozialmodelle, sie sind zu außergewöhnlicher Empathie fähig und nutzen bisweilen ihre Intelligenz, um andere zu täuschen. Sie sind Allesfresser. Und im Januar 2021 gelang mithilfe genetischer Anpassung die erste Organtransplantation von Tier zu Mensch mit einem Schweineherz.
Letzteres gilt als Meilenstein der Medizin. Für den Menschen hat diese Nähe aber eine Kehrseite. Krankheitserreger können relativ leicht vom Schwein auf uns überspringen. Im Falle von Covid-19 ist das Schwein ein wahrscheinlicher Zwischenwirt. Es gilt als Überträger der Spanischen Grippe. Und die durch das H1N1-Virus ausgelöste Krankheit heißt nicht zufällig Schweinegrippe. Verantwortlich für all das ist die industrielle Tierhaltung, die als Ursache für Pandemien bislang fast gar nicht berücksichtigt wurde. Der norwegische Historiker Kristoffer Hatteland Endresen hat ein Buch geschrieben, das daran etwas ändern könnte. In Saugut und ein wenig wie wir erkundet er aus persönlicher Perspektive unser Verhältnis zum Schwein.
116 Millionen Tonnen Schweinefleisch
Im Laufe seines Daseins verzehrt ein durchschnittlicher Deutscher vier Rinder, vier Schafe – und 50 Schweine. Weltweit werden jährlich 116 Millionen Tonnen Schweinefleisch produziert, in Deutschland lebten im Jahr 2021 knapp elf Millionen Schweine in Mastbetrieben. Solche Zahlen nennt Endresen; und weil er weiß, dass man Menschen mit Zahlen abstumpfen kann, begnügt er sich nicht damit, sondern steigt auch in den Stall. Den Rahmen seiner Kulturgeschichte bildet die Begleitung des Wurfs einer Sau von der Geburt bis zur Schlachtung in einem kleineren Betrieb. Der Autor möchte das Los der Schweine sichtbar machen, die auch dort leiden, wo sich die Landwirte an alle Regeln halten.
Doch würde eine transparente Produktion die Fleischeslust reduzieren? Medien und Tierschutzorganisationen legen immer wieder offen, was geschieht. Endresen berichtet von den Enthüllungen einer norwegischen Dokumentarreihe, die abartige Bedingungen in der Schweineindustrie belegte. Vor wenigen Wochen veröffentlichte Animal Rights Watch heimlich aufgenommene Videos unter anderem aus Betrieben der deutschen Schweinemäster Schulze Esking KG. Zu sehen sind schwer kranke und verletzte Schweine, teilweise mit offenen Wunden am Hinterteil. Eingefangen haben die Kameras auch Tiere, die ihre Beine nicht bewegen können, die auf einem verdreckten Betonboden ohne Heu liegen, die ihre Augen wegen unbehandelter Bindehautentzündungen kaum öffnen können. Teilweise fraßen sich die Tiere vor lauter Stress gegenseitig an, was weitere Verletzungen nach sich zog.
Noch erschütterndere Bilder finden sich überall im Internet. Schlachtungen im Akkord und brutale Misshandlungen der Tiere sind logische Folgen des Zeit- und Produktivitätsdrucks, der unter marktwirtschaftlichen Bedingungen herrscht. Wenn etwa Schweine bei vollem Bewusstsein in die Brühanlagen geraten, was im Jahr 2013 mindestens eine halbe Million Schweine allein in Deutschland ertragen mussten, oder wenn die Bolzenschussgeräte den Dienst versagen und die Tiere jämmerlich vor Schmerzen schreiend krepieren, dann sind das keine seltenen Fehler, sondern massenhaft geschehende Grausamkeiten, die es so lange geben wird, wie die Massentierhaltung legal bleibt. Ganz zu schweigen von der politisch gewollten Alltagsqual in den Schweineställen. Bis Ende 2020 durften Ferkel ohne Betäubung kastriert werden (teilweise bleibt das auch so, weil die Ausstattung mit Narkosegeräten noch nicht gut funktioniert). Es ist nach wie vor erlaubt, Muttersauen monatelang in körpergroße Kästen zu sperren, in denen sie sich nicht einmal ausstrecken können.
Es droht Antibiotikaresistenz
Einen auch für Menschen besonders erschreckenden Umstand schildert Endresen in seinem Buch sehr genau. In den 1950er Jahren herrschte in den USA eine Fleischkrise. Menschen plünderten wegen hoher Preise die Metzgereien. Die Suche nach einer günstigen Methode zur Produktionssteigerung begann. An deren Ende fanden Wissenschaftler (leider) heraus, dass Antibiotika bei Schweinen indirekt wachstumsfördernd wirken. Anschließend wurden den Mastschweinen jahrzehntelang Antibiotika verabreicht, sodass sich multiresistente Keime bilden konnten. Die Weltgesundheitsorganisation WHO geht davon aus, dass die Menschheit bis zum Jahr 2050 in Zeiten vor der Entdeckung von Penicillin zurückfallen werde, wenn sich nichts grundlegend ändert in der Fleischherstellung. Zwar gibt es seit 1998 in der EU ein Verbot der nicht-medizinischen Nutzung von Antibiotika, doch das kann die Fleischlobby leicht umgehen. Endresen schreibt, dass sich seit dem Jahr 2000 die Antibiotikaresistenz in der europäischen Landwirtschaft verdreifacht habe und dass weiterhin drei Viertel aller Antibiotika weltweit an Schweine und Geflügel gehen.
Was tut die Politik gegen all das? Am beliebtesten, weil einfachsten, ist die Forderung nach höheren Fleischpreisen, die der hohen Nachfrage den Garaus machen würden. Einen wahren Kern hat die Sache: Ein Kilo unverarbeitetes Schweinefleisch kostet 1,20 Euro – anteilsmäßig haben Menschen in Industriestaaten noch nie so wenig Geld dafür gezahlt. Der derzeitige deutsche Landwirtschaftsminister Cem Özdemir gehört den Grünen an. Denen ist es ein Herzensanliegen, das Tierwohl zu erhöhen, indem sie dem ärmeren Teil der Bevölkerung (der die Grünen traditionell nicht wählt) über die Preispolitik den Zugang zu Fleisch verwehren. Das ist ein Rezept, das in einem sozialen und demokratischen Rechtsstaat kaum der Weisheit letzter Schluss sein kann. Es fällt aber auf, dass bei jeder derartigen Wortmeldung vonseiten der Grünen ausgerechnet die FDP und die CDU/CSU ihr Herz für „den kleinen Mann“ entdecken. Aufschlussreich ist nämlich, dass die Liberalen und Konservativen den derzeitigen Anstieg der Preise für Obst und Gemüse nicht mit einem lautstarken Verweis auf die Armen verhindern wollen. Steckt im Falle des Fleisches womöglich etwas anderes dahinter?
16 Millionen getötete Tiere – siebe Milliarden Euro Umsatz
Ein Aspekt, der in Endresens Buch trotz aller Klarheit leider zu kurz kommt, ist die systemische Seite des Tierleids. In den vergangenen beiden Jahrzehnten ist in der Fleischindustrie die Struktur eines Oligopols entstanden. In Deutschland teilen sich nach Fusionen und Übernahmen vier Player mehr als ein Drittel des Marktes: Westfleisch, Vion Food, die PHW-Gruppe und Tönnies. Die Top Ten des Gewerbes beherrschen die Hälfte des Marktes. Tönnies kommt allein jährlich auf mehr als 16 Millionen getötete Tiere und erwirtschaftete 2020 einen Umsatz von sieben Milliarden Euro. Parallel liegt der gewerkschaftliche Organisierungsgrad in der Branche laut der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten bei nur zehn Prozent der Beschäftigten. Den Mindestlohn umgehen Konzerne darum problemlos, indem sie beispielsweise die Mieten der werkseigenen Wohnungen erhöhen und eine Arbeitsverdichtung vornehmen.
Am Ende würde mehr Respekt für Tiere auch mehr Respekt für Menschen bedeuten. Endresen formuliert es so: „Hätte die Menschheit die Kapazität des Allesfressers genutzt, um ihren Appetit auf pflanzliche Kost anstatt Fleisch zu richten, hätte es weniger Epidemien gegeben.“ In demokratischen Industrienationen lässt sich wohl kaum die gesamte Bevölkerung von Vegetarismus oder gar Veganismus überzeugen. Mit erheblich weniger Fleischkonsum in allen sozialen Klassen wäre aber schon viel gewonnen. Die wichtigste Frage lautet: Wer soll für den Wandel bezahlen? Darauf braucht es Antworten. Wie dringend sich etwas ändern muss, zeigt Endresens aufrüttelndes Buch. Wenn die Gesellschaft es nicht zumindest schafft, die systematische Misshandlung der sogenannten Nutztiere zu beenden, dann steht auf lange Sicht nichts anderes auf dem Spiel als der Fortbestand unserer Spezies.
Info
Saugut und ein wenig wie wir. Eine Geschichte über das Schwein Kristoffer Hatteland Endresen Günther Frauenlob, Frank Zuber (Übers.), Westend 2022, 272 S., 24 €
Kommentare 11
Alles was an Gut gedachten Bewegungen aufgeführt wurde, dringt nicht ins Bewusstsein vor, um Veränderungen an unseren Verhaltensmustern zu bewirken.
Das kann nicht mal Krieg ändern.
Ich war die letzten 2 Tage wieder in der Aktienwelt unterwegs und siehe da, Wachstum will wachsen auch unmoralisch und gut für das eigene wohl als Kapitalistenschwein, dem das ethische nur die Gewürze in der Aktien generierten Suppe seien.
Wo ist das Bewusstsein für die Welt von morgen, die genauso sein wird wie das was heute wichtig ist?
In einer Denkstarre zementiert wurde die eigene Seifenblase, um sie zu schützen und keiner merkt das diese Seifenblase im eigenen Betonkopf nicht mehr existiert und übrig bleibt das zementierte in der Wirklichkeit, was im bürokratischen Sinn verstehen nur alt gewohntes erlauben wird.
Welcher Krieg ist hierbei schön und welcher ist hässlich, da doch auch Wirtschaft und Sport kriegerisch agieren, nur zerstören Sie nicht unseren Glaube an Zukunft, den wir motiviert glauben wollen, was ja mit einem anderen Krieg gerade im hier und jetzt geschehen wird.
So bleibt für mich die Frage:
Was ist die Zukunft im glauben und einem motivierten lebendig sein für mich noch möglich, wie für eine Welt von morgen, nach dem ein Krieg alle bewährten Zukunftsvorstellung in uns zerstörte?
Gott, und Gott als Ziel im o geschrieben, wie durch ein Zielfernrohr im Visier gesehen, sieht hierdurch jetzt anders aus.
Schon gehe ich Hackfleisch kaufen.
Un wieder fallen die untern Tisch, die keine pflanzlichen Eiweisse, Tiermilchprodukte, Eiter vertragen. Es ist nicht zu fassen, dass sämtliche ErzeugerInnen von schriftlichen anscheinend keine Ahnung von Krankheit haben. Das ist natürlich ein beglückender Zustand für die schreibende Zunft. Aber wir Deutschen haben ja schon immer ein, wei solch ich sagen, eher selektives Verhältnis zu Krankheit und Behinderung. Es ist also nur folgrichtig, dass diese Personen auch verschwinden können. Und was da alles auf dem Papier steht, Diskriminierungsverbot und so- für den Deutschen ist hinreichend, wenn er sich selber als hochmoralisch definiert, in der Theorie natürlich. Und was das Leid von Tieren und auch Pflanzen anbetrifft, da bin ich völlig d'accord. Daher esse ich so wenig wie möglich, auch weniger als ich teilweise bräuchte (muss man in ein paar Jahren sehen, wie das Ergebnis dieses Experiments ist) und bereite mit maximaler Nährstoffdichte zu. Ein Problem ist, dass der H4 Satz nichts vorsieht, was öko, fairtrade etc. ist, er ist total unterdeckt. Daher die die CDU auch nicht glaubwürdig, wenn sie angibt, sich Sorgen zu machen.
Ich bin seit 4 Jahren Vegetarier und habe im letzten Jahr auch meinen Verbrauch von Milch, Eiern und Käse, dastisch reduziert und durch Sojamich und Sojagutz ersetzt.
Aber vorher war ich eben auch 30 Jahr kein Vegetarier und habe alle Informationen zum Tierleid lange verdrängt.
Ich könnte mir vorstellen, das neue enthüllende Videos über schockierende Zustände bei der Haltung und Schlachtung kostenlos von der ARD & ZDF vor 20 Uhr im Werbeblock gezeigt werden. Das also 30 oder 60 Sekunden Sendzeit kostenlos den Tierschutz Organisationen zur Verfügung gestellt werden.
Im weiteren sollte auf jedem Fleischstück ein QR- Code sein, über den man die Information zu Ort der Haltung, Transport zum Schlachthof und Ort und Zustände des Schlachthofes des konkreten Tieres findet, auch mit kurzen Videos von Überwachungsvideos, wo man die Lebenstationen und die Tötung dieses konkreten Tieres sehen kann.
Denkbar auch, diese Videos direkt im Supermarkt auf großen Monitoren abzuspielen, bzw. den Kunden zu verplichten sich die Kurzfassung von 60 Sekunden anzusehen, bevor der das Fleischstück kauft.
Ich würde Fleischkonsum nicht verbieten, aber die Fleischkonsumenten sollten sich der Realität der Herstellung stellen müssen.
Baron schreibt: >>Und im Januar 2021 gelang mithilfe genetischer Anpassung die erste Organtransplantation von Tier zu Mensch mit einem Schweineherz.<<
Die OP hat meines Wissens ein Jahr später stattgefunden.
Das Bild oben trifft es recht gut.
Gibt den Bewusstseinsstand von etwa 90 Prozent der Menschheit wieder.
So auch den der Grünen, zumindest den ihrer machtgeilen, karrieristischen Politiker-Clique.
Um es noch einmal ganz klar zu stellen:
Die grauenhafte Kastenstandhaltung für Schweine geschieht mit Einverständnis der Grünen.
Diese haben dieser Tierquälerei noch für weitere acht Jahre zugestimmt und dies gesetzlich verankert.
https://www.spiegel.de/wirtschaft/bundesrats-beschluss-zur-schweinehaltung-arme-saeue-a-5c8cc624-8ac4-46f2-b958-c185cdbc2b7a
https://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/muttersauen-bundesrat-will-gesetzesaenderung-verabschieden-zum-nachteil-der-tiere-a-62e49f90-7586-44ea-8223-50e241460b56#
55.000.000 Schweine pro Jahr.
Gleich 20 Milliarden und 75 Millionen Tage Leid pro Jahr.
481 Milliarden, 800 Millionen Stunden um Stunden elendes Dasein für die Tiere.
Deutschland tötet außerdem insgesamt 50 Millionen "Nutztiere" pro Jahr. Wild noch nicht eingerechnet. Über zwei Millionen pro Tag.
Deutschland ist ein gigantisches Schlachthaus, dem in einem gewaltigen Strom ununterbrochen riesige Mengen Tiere aus elendsten tierquälerischen Verhältnissen zugeführt werden
Deutschland, ein Land in dem wir gut und gerne leben.
Sandmann, lieber Sandmann
so komme doch bei mir vorbei
Schenke mir Reichtum und Liebe
ja ich bin allzeit dafür bereit.
Ich habe heute was gelernt, über das was wir sehen und auch dann sogleich glauben werden, wenn die Gewalt mit der Autorität für Richtungen eine Heirat eingeht und das Bewusstsein, wie beim Mord das Bedürfnis, Anstand, Moral und Ethik abspaltet, da kriegerische Tendenzen uns neu formatieren werden und unsere neue Sprache, wie das dazugehörige handeln bestimmt.
Das heißt dann: Da$$ verrohte kommandiert uns zum Gewinn.
($$ = vernazifiziertes Geldwesen)
zustimmung!
wird leider nicht passieren, weil weil halt...
"… der Realität der Herstellung stellen müssen ..."
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Jagdhornsignal: Sau tot
https://www.youtube.com/watch?v=_A6yOEwnz7Y
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Industrialisierung heißt:
Zerlegung der Arbeit,
Zerlegung des Tieres,
Zerlegung des Bauern,
Zerlegung der Menschenwürde,
Zerlegung der Mitwelt.
Entfremdung.
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Es ist für den einzelnen Menschen nicht ganz so einfach, ein Tier eigenhändig zu töten.
Als Jäger zum Überleben, ja, aber oft mit ritualisierter Achtung vor dem Opfer.
Die Produktionsverhältnisse wurden geändert, damit das einfacher und schneller geht.
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Alles zerlegt?
Wirklich alles?
Auf den Abfall.
Oder weiter verfüttern.
An andere Tiere.
Zur schnellen 'Schlachtreife'.
Es rechnet sich besser.
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Effizienz.
Gewinn und Verlust.
Wachstum.
Ansonsten keine Arbeitsplätze
in der Zerlegung-Industrie.
Jammern die nationalen Wirte.
https://en.wikipedia.org/wiki/List_of_countries_by_meat_consumption
Sind Schweine gefährlich für uns, sollten wir sie ausrotten, um unser eigenes Überleben zu sichern? Das wäre eine logische Konsequenz der Sammlung von Andeutungen, die uns hier präsentiert wird - aber wer würde es wagen einen solchen Unsinn auszusprechen...
Tatsache ist, dass die Spanische Grippe von Vögeln ausging, Covid von Fledermäusen und die Schweinegrippe eine reine Tierkrankheit ist, die sich nicht auf den Menschen überträgt. Der Umgang mit dem - uns so ähnlichen - Schwein dürfte ungefährlicher sein, als hier anzudeuten versucht wird. Auch der Umgang mit den - uns noch weitaus ähnlicheren! - Mitmenschen ist grundsätzlich nicht existenzbedrohend.
Wir leben im Technikzeitalter, die Produktion ist automatisiert oder zumindest in hohen Maße durch Maschineneinsatz rationalisiert. Das spart menschliche Arbeitskraft und damit Kosten - überall, auch bei Lebensmitteln. Die Vorteile dieser Entwicklung sind allgegenwärtig: Wohlstand, Sicherheit und eine weitgehende Befreiung von der mühsamen Arbeit zur Primärproduktion. Statt Überlebenskampf widmen wir uns der vielfältigen kulturellen Evolution der Menschheit.
Schweinefleich kostet aber auch heute noch mindestens rund fünf Euro im Supermarkt. Tatsächlich gibt es jedoch nur einige wenige (große) Schlachthöfe in Deutschland. Die früheren Hausschlachtungen dürften für Schweine jedoch kaum weniger unangenehm gewesen sein, und die früheren Ställe in den (kleinen) Bauernhöfen waren auch kaum größer als die heutigen. Unser Fleischkonsum ist seit vielen Jahrzehnten konstant, es gibt Belege, dass in früheren Zeiten bisweilen erheblich mehr Fleisch konsumiert wurde, als heute.
Die Menschheit hat 10.000 Generationen als Jäger und Sammler gelebt. Der damit verbundene Fleischkonsum hat nicht nur unsere Essensgewohnheiten geprägt, sondern auch unser Gehirn wachsen lassen. Wir können den Proteinbedarf der Menschheit kaum durch den Anbau von Sojabohnen decken - jedenfalls nicht, ohne damit weitaus mehr Umweltzerstörung zu betreiben als mit der Viehzucht, die uns außerdem die - zu unrecht verpönte - Gülle als notwendigen, natürlichen Dünger für den Getreide- und Gemüseanbau liefert.
Was immer man auch an der Viehzucht kritisieren mag, die weitaus gefährlichere Bedrohung für die Menschheit ist der sinnfrei plärrende Moralismus des Wutbürgertum.
Ich bezweifle sehr, dass unsere Politiker*innen - speziell für die Agrarpolitk und deren Lobbyisten*innen zuständig - solche erschütternden Tatsachen noch zur Kenntnis nehmen können. Zu sehr verstrickt sind sie fast ausnahmslos alle! in die systembedingten Machenschaften der Fleisch- und Agrarindustrie. Und alle wollen bedient sein...die Wähler, das eigene Verdrängungs- und Konsumego. Nach dem Motto..."Niemand schreibt mir vor, was ich essen soll und darf".
Um es mit Romain Rolland (1866-1944, französischer Dichter) und Friedrich Nietzsche auf den Punkt zu bringen: „Die Grausamkeit gegen die Tiere und auch schon die Teilnahmslosigkeit gegenüber ihrem Leiden ist meiner Ansicht nach eine der schwersten Sünden des Menschengeschlechts. Sie ist die Grundlage der menschlichen Verderbtheit. Wenn der Mensch so viel Leiden schafft, welches Recht hat er dann, sich zu beklagen, wenn auch er selbst leidet?“
Friedrich Nietzsche (1844-1900, deutscher Philosoph):„Alle antike Philosophie war auf Sinn des Lebens gerichtet und lehrte eine gewisse Bedürfnislosigkeit. In diesem Betracht haben die wenigen philosophischen Vegetarier mehr für die Menschheit geleistet als alle neuen Philosophen – und solange die Philosophen nicht den Mut gewinnen, eine ganz veränderte Lebensweise anzustreben und durch ihr Beispiel aufzuzeigen, ist es nichts mit ihnen."..."Wenn der Mensch ernstlich und aufrichtig den moralischen Weg sucht, so ist das erste, wovon er sich abwenden muß, die Fleischnahrung. Vegetarismus gilt als Kriterium, an welchem wir erkennen können, ob das Streben des Menschen nach moralischer Vollkommenheit echt und ernstgemeint ist."
"Denen ist es ein Herzensanliegen, das Tierwohl zu erhöhen, indem sie dem ärmeren Teil der Bevölkerung (der die Grünen traditionell nicht wählt) über die Preispolitik den Zugang zu Fleisch verwehren. Das ist ein Rezept, das in einem sozialen und demokratischen Rechtsstaat kaum der Weisheit letzter Schluss sein kann."Diesen merkwürdigen Einwand finde ich immer mal wieder und ich ärgere mich jedes Mal über diese Argumentation. Dem ärmeren Teil der Bevölkerung wird eine Menge verwehrt. Viele sitzen mittlerweile im Winter in unbeheizten Wohnungen. Obst und Gemüse sind schon jetzt teilweise teurer als Fleisch - also zu teuer, ein Auto oder eine Urlaubsreise - undenkbar. Das scheinen Dinge zu sein, auf die man ohne weiteres verzichten kann. Der Aufschrei ist in erster Linie dann zu vernehmen, wenn es um Billigfleisch geht. Als wäre Fleisch zu essen ein Menschenrecht. Schlimm ist, dass in diesem reichen Land viele Menschen keinen Zugang zu gesunden (biologisch erzeugten) Lebensmitteln haben. Und es muss einfach festgehalten werden, dass es zu viele Menschen gibt, denen es am Notwendigsten fehlt. Es zeigt sich ja auch gerade in dieser (Gesundheits-)Krise, dass große Teile der Bevölkerung unter chronischen Erkrankungen leiden, viele davon ernährungsbedingt. Viele davon armutsbedingt.Es wäre Zeit, eine andere Perspektive auf (Billig-)Fleisch einzunehmen. Es ist in der Regel mit Antibiotika belastet und trägt nicht zu einer gesunden Ernährung bei. Das, was Fleisch kosten müsste, damit auch nur die Mindeststandards bei der Tierhaltung eingehalten werden können, läge um ein Vielfaches über dem derzeitigen Preis. Es gibt immer noch Menschen, die meinen, Fleisch wäre für den menschlichen Organismus unverzichtbar.
Es wäre wirklich an der Zeit, mit einigen Vorurteilen aufzuräumen. Der ärmere Teil der Bevölkerung sollte nicht dafür herhalten müssen, an etwas festzuhalten, das nicht mehr zeitgemäß ist.