Letztens, in einer Raucherrunde vor der Tür einer Kulturveranstaltung, einem Grüppchen aus Bekannten und Unbekannten bei loser Konversation, wollte ich den Film „Contact High“ empfehlen, und gebrauchte für eine spontane Kurzbeschreibung die Worte: „So ein kruder Ösi-Streifen“. Wie aus Kontext und Tonfall hervorging, war das auszeichnend im Sinne eines Qualitätsmerkmals und keinesfalls despektierlich gemeint. Jedoch waren die Reaktionen auf diese Erläuterung nicht, wie ich gehofft hatte, Signale des Verstehens und wertschätzenden Erkennens, sondern: ein Herzschlag Schweigen, gefolgt von Gelächter, das mich an dieser Stelle aus dem Konzept brachte und später weiter beschäftigte, und dem ich deswegen hier noch einmal genauer nachlauschen möchte…
Auch wenn es mich im beschriebenen Moment überraschte- der Sound ist mir vertraut. Es ist nicht ganz zwangslos und nicht ganz klar, dieses Lachen - es schwingen neben Vergnügen und Verstehen auch Irritation, Scham und Schrecken darin. Es hat eine befreiendes Komponente, ist aber nicht befreit, noch nicht mal auf dem Weg dahin – im Gegenteil: es markiert und manifestiert die Beschränkung, die es scheinbar überschreitet. Es ist ein Alarm-Lachen, das im engen Verhältnis zur Welt der Verbote steht: Ohne Grenzen, die gutes von schlechtem Benehmen trennen, eine grundlegende Einigkeit über ihre Bedeutung und eine mehrheitliche Einhaltung der Regeln, die sie definieren, gäbe es dieses Lachen nicht.
Es ist das Lachen der Kindergruppe, wenn ein Einzelnes einer Autorität gegenüber mit unbotmäßigem Verhalten oder Vokabular eindeutig zu weit geht - ein Lachen, das im erstem Moment hilfloser Ausdruck des Erschreckens über den Tabubruch ist, in das erst im nächsten Moment Erleichterung und Vergnügen einfließen… Wenn den erschrockenen Kindern in uns klar wird, dass wir als Zeugen der spannungsreichen Situation großes Glück haben: Wir waren nicht der Auslöser der kollektiven Erschütterung, wir stehen nicht im Fokus der Aufmerksamkeit, die gefürchteten Konsequenzen werden nicht uns treffen – aber wir dürfen dabei sein, wenn die interessante Frage geklärt wird, wie diese Konsequenzen sich konkret gestalten: Dann ist es freudige Erregung, die uns lachen lässt.
Auf Basis dieser Erfahrung haben wir Spaß an Tabubrüchen und Geschichten von Regelverletzungen. Manche werden deswegen Satire-Fans, andere stehen auf koksende, fluchende TV-Kommissare oder schwärmen heimlich für Bankräuber, wieder andere mögen aus diesem Grund einen Lutz Bachmann cool finden: Da traut sich aber einer was - woh-ho, bzw.: Hihi. Kurzum: Das Lachen der Raucherrunde von letztens rührte von der Titulierung „Ösi“ her und beruhte (nicht in meiner Absicht, aber in der Auslegung meiner Zuhörer) auf der gleichen Pointe wie etwa ein „Froschfresser“ oder „Ölauge“ …
Nun kommt mir diese Reaktion auch Tage später noch seltsam übertrieben vor und scheint mir – ich finde keine andere Erklärung - symptomatisch für eine Sprach-Sensibilisierung, bei der etwas entweder falsch angegangen oder gänzlich missverstanden wurde… Echt jetzt: Weniges taugt nach meinem Empfinden weniger zum p.c.-Schocker als „Ösi“… Der Diskriminierungsfaktor ist kaum wahrnehmbar - es gehört schon viel gehässiger Tonfall dazu, um den Begriff schlimmer als euphemistisch klingen zu lassen… Nein: Als Diffamierung ist „Ösi“ definitiv nicht in einer Liga mit „Froschfresser“ und „Käsekopp“ , noch nicht mal mit „Kartoffel“, geschweige denn mit „Ölauge“, „Kanake“ und „Neger“– irgendwie fehlen da mehrere Jahrhunderte kolonialrassistischer Hintergrund oder wenigstens ein paar Generationen gepflegte Erbfeindschaft, um „Ösi“ für mein deutsches Empfinden diesbezüglich verwertbar aufzuladen. Und die reine Benennung einer Nationalität als Beleidigung aufzufassen, kommt mir ganz ähnlich hysterisch und nutzlos vor wie das Motiv, auf dergleichen unbedingt stolz sein zu wollen... Ich bin aber auch nur bedingt sensibel und wenig wohlerzogen in diesen Dingen.
Ein paar Tage nach dem Minimal Music-Eklat in der Kölner Philharmonie konnte ich es nicht lassen, eine lästerliche Bemerkung „den Kölner“ betreffend in ein virtuelles Forum zu schreiben - und wurde postwendend per Kommentar über die Pauschalisierung belehrt, die dem innewohnt… Den Kölner, meinte die kritische Stimme, gäbe es ja nun nicht… Nun lebe ich seit über 20 Jahren vor Ort und kann in dem Fall ein bisschen mitreden: Das Kölsche an sich ist in Köln ein gängiger Fetisch, der als Sprache, Getränk und „Gefühl“ zelebriert wird - es gibt wissenschaftliche Arbeiten, Kabarettprogramme und buchstäblich eine Million Lieder darüber, und auch jenseits der Stadtgrenzen, ja, praktisch bundesweit hat man bei diesem Stichwort ein farbenfrohes Bild vor Augen (das übrigens für ein Klischee der gemeinten Wirklichkeit vor Ort erstaunlich nahekommt). Wenn es aber das Kölsche gibt, dann gibt es auch den Kölner. Etwas, das sprachlich derart manifestiert und täglich in Liedkonserven und Lokalzeitung gefeiert wird, ist nicht nichtexistent.
In diesem Sinne gibt es auch den Bayern, den Deutschen, damit auch den Franzosen, den Spanier und ja: Den Orientalen, den Afrikaner, den Latino und den Ami. Allerdings – Achtung, hier wird es kompliziert – handelt es sich hier nur um den gleichen Wortlaut, der auch für einen konkreten Menschen aus dem jeweiligen geografischen Territorium stehen kann. Bei dem einen gemeinten, konkreten Kölner handelt es sich um eine Person, die aus Köln kommt oder in Köln lebt, was keinerlei Rückschlüsse auf irgendetwas zulässt. Bei dem Kölner dagegen geht es um eine Idee, eine Denkfigur - die mit einer Person zu verwechseln erst den Kurzschluss bildet, der auf Pauschalisierung hinausläuft. Wenn wir nun, um diesen Kurzschluss zu vermeiden, aufhören, Idee wie Person beim Namen zu nennen, manövrieren wir uns in die Sprachlosigkeit. Die wird derzeit mit bizarren Wortapparaturen angegangen (die entweder ein Linguistik- Studium erfordern oder – wie in „süd-osteuropäisch-stämmige Personen mit häufig wechselndem Aufenthaltsort“ - den aufwändig gemiedenen Inhalt durch Auslassung noch betonen), mündet aber auch in gelähmtes Schweigen, in dem schließlich noch ein „Ösi“ wie eine gewagte Frechheit klingt…
Im Grunde ist mir Sprachsorgfalt eigenes Anliegen. Die These, dass wir mit Sprache die Wirklichkeit gestalten und deshalb ein bewusster Gebrauch von Wörtern, Begriffen und ihren Konnotationen geboten ist, leuchtet mir ein und kommt meiner Weltvorstellung entgegen. So bin ich überzeugt, dass ein allgemein sorgfältiger Umgang mit Sprache zu einer besseren Gesellschaft führen würde, und tatsächlich bin ich gerne und tätig dabei, das Meinige zur Umsetzung dieser Idee beizutragen. Allerdings kann nach meiner Auffassung „Sprachsorgfalt“ nicht bedeuten, einzelne Wörter generell zu ächten in der Hoffnung, ihre hässlichen Konnotationen, die dahinter stehenden destruktiven Ideen würden dadurch verschwinden...
Ich habe noch jedes Wort als Erweiterung meines Vokabulars und damit Verfeinerung meiner Denk- Ausdrucks- und Kommunikationsmöglichkeiten angenommen und möchte keins davon missen (gerade Vulgärsprache, Slang und Dialekt, die sich nicht nur den Normen der Schriftsprache, sondern auch gesellschaftlichen Anstandsregeln entziehen, halten einen Ausdrucksreichtum bereit, mit dem sich manches einfach genauer benennen lässt als mit einer korrekten, sauberen Hochsprache) … Auch kann mit sorgfältigem Sprachgebrauch nicht gemeint sein, Wörter in ein nach moralischen Gesichtspunkten erstelltes, fixes und allgültiges Regelwerk zu fassen, das keinen subversiven und kreativen Spielraum mehr lässt…Sodass ich von der grundsätzlichen Tabuisierung einzelner Begriffe eben gar nichts halte und in meiner verbalen Praxis nicht müde werde, auch einschlägige Schreck- Schock- und Triggerwörter aus der Vulgärsprache ins Gespräch zu bringen, wo es mir angebracht scheint…
Nicht zuletzt um der (pazifistischen) These willen, dass es einen nicht nur graduellen Unterschied zwischen verbaler und physischer Gewalt geben muss: Dass (auch und gerade in einer Gewalt-sensiblen Gesellschaft) eine - in ihrer jeweiligen Härte nur subjektiv erfassbare - verbale Verletzung nicht adäquat mit physischer Aggression zu erwidern ist. Dass die berühmte ausgerutschte Hand durch keine Beleidigung provoziert werden kann - dass dieses Programm immer Rückschritt ist und nie Richtung Konfliktlösung weist, sondern nur Eskalation anzeigt… Diese meine Überzeugung hat nicht nur theoretischen Hintergrund: Immer mal wieder bin ich zugegen gewesen, wenn Worte mit Fäusten beantwortet wurden, und jedes Mal habe ich darin ein empörendes Ungleichgewicht empfunden. Wo Beleidigung Körperverletzung rechtfertigt, ist der gemütliche Teil des Abends definitiv vorbei, aber auch das gemeinsame Ringen um Verständnis, Überzeugung und bessere Erkenntnis - da geht es dann unumkehrbar um die blanke Durchsetzung mit allen Mitteln, und scheint mir überhaupt das Ende der Zivilisation direkt um die Ecke zu liegen…
Weswegen ich an diesem Punkt auch nicht mehr alles verstehen will, und mich mit eigener Kompromisslosigkeit aufrüste: Schlagen darf man nicht - aber sagen darf man erstmal alles. Aggressive, verletzende Worte können aggressiv, verletzend beantwortet werden, oder empört, oder klug, oder witzig, oder gar nicht. Wenn wir also nicht gemeinschaftlich auf das Fäuste-Level runter wollen, ist neben der Sensibilisierung für das destruktive Potential der Sprache auch eine gewisse verbale Wehrhaftigkeit geboten, die es zu trainieren gilt. Dazu gehört nicht nur, Worte zurückzuhalten, sondern vor allem: Worte zu gebrauchen und auszuhalten - auch die hässlichen.
Es ist vielleicht auch ein spezifisch deutsches Problem, das sie so anderswo nicht haben. Damit meine ich nicht das Nationalfaschismus-Trauma, sondern mehr die hierzulande auch vor 1933 und nach 1945 kultivierte Mentalität: Es ist nicht zuletzt unser starker wie ebenso fataler Hang zur Gründlichkeit, der hier wütet…: Wennschon, dann aber richtig! Also: Wenn wir uns die destruktive Qualität eines Wortes bewusst machen, schließen wir daraus, dass es künftig in gar keinem Kontext mehr anwendbar ist und mit einem generellen Tabu belegt werden muss. Wenn wir darüber nachdenken sollen, ein blödsinniges Lied wegen rassistischer Schwingung aus dem tradierten Kanon zu nehmen, zwingt uns das praktisch dazu, auch alle anderen einschlägigen Liedtexte auf diskriminierende Inhalte zu untersuchen… Was geschähe wohl, wenn wir z.B. konsequent alle misogynen Verse, die vormals unter „Zote“ liefen, aus der Mundorgel streichen würden - bliebe denn genug übrig, um das Bändchen noch herauszugeben? Und wenn dann noch jemand anmerkt, dass dies auch kein großer Verlust wäre, bzw. die Mundorgel in der Praxis des digitalen Zeitalters ohnehin nicht mehr groß Verwendung findet, wird sich ein Geschrei erheben, das von Angst um unsere gesamte kulturelle Identität oder gleich vom Untergang des Abendlandes kündet… Ein paar Nummern kleiner gibt es das alles irgendwie nicht.
Diese zwanghaft mitgedachte Radikalkonsequenz ist auch eine mögliche Ursache der Panik, die hierzulande gerne aufkommt, wenn Vorschläge von eigentlicher praktischer Geringfügigkeit debattiert werden (wie etwa die Zensur des Wortes „Negerkönig“ in der Pippi Langstrumpf - Neuauflage): Als ginge es bei der kleinsten Veränderung immer gleich zwangsläufig um alles… Wenn nicht gar ums Prinzip - was die Sache dann geradezu zur heiligen Angelegenheit macht, in der pragmatisches Abwägen und jedwede Großzügigkeit nur als Schwäche, Lüge oder Beweis der grundsätzlichen Unmöglichkeit des Unterfangens gewertet werden können: Entweder oder!
Wir stellen fest, dass es keine neutrale Sprache gibt (am nächsten kommen ihr Juristen, und die versteht niemand mehr), dass es praktisch nicht möglich ist, sich rundum fair und frei von vorausgesetzten Klischees zu formulieren - und all das, was wir dann meiden wollen und nicht mehr benennen können, gibt es weiterhin: Die Abkürzung für Österreicher. Den Kölner. Vergleiche, Vorurteile, Unterschiede. Menschen verschiedener Abstammung, rassistische Klischees, Stereotypen-basierte Witze, nie vergessene Kinderlieder - kulturelle Bezüge, die auch mit besserer Erkenntnis nicht zu beseitigen sind, nicht mit Korrekt-Sprech und nicht mit Stillschweigen.
Aber auch die Gemüter, die eine Sprachzensur fürchten, können sich beruhigen: Wörter lassen sich gar nicht verbieten. Für existierende Ideen wird es immer auch Formulierungen geben. Sie sind nicht weg, solange sie noch gedacht werden, und ihre Qualität, ihre Bedeutung können wir nur bearbeiten: verwerten, entwerten, diskutieren - aber nicht aus der Welt schaffen. Muss also , kann Sensibilisierung für Sprache überhaupt auf das hinauslaufen, was sich akademische Teile des Diskurses unter sensibler Sprache vorstellen?
Es gibt auch Beispiele für die Möglichkeit, negativ konnotierte Wörter aktiv zu besetzen, zu vereinnahmen - im besten Fall mit positiver Bedeutung aufzuladen oder zu einem verschieden verwendbaren Alltagsbegriff werden zu lassen. Es sind bemerkenswerterweise oft Aktivisten aus den Reihen der von verbalen Disriminierungen Betroffenen, die uns zeigen, wie es konstruktiv gehen kann:
Maßstäbe gesetzt haben hierzulande die sich so nennenden Schwulen und Lesben, die mit ihrer eigenen Existenz auch die umgangssprachlichen Bezeichnungen ihres Andersseins von Schande, Gänsefüßchen und Flüsterton befreit haben, sodass sie heute selbstverständlich klingen…
In der Sprache deutscher kolonialrassistischer Tradition als Kanaken bezeichnete Migranten haben sich den Titel mittlerweile in zweiter, dritter Generation zu eigen gemacht, tragen ihn mit Stolz und verwenden ihn als Unterscheidungsmerkmal zu Kartoffeln - was, mal ehrlich, insgesamt doch eigentlich menschenfreundlicher klingt als „Migrationshintergrund“ versus „biodeutsch“ oder vergleichbar verkrampfte, pseudo-neutrale Wortkonstrukte.
Die US-amerikanische Autorin Eve Ensler hat in den 1990ern mit ihrer Arbeit Vagina Monologues und dem daraus stammenden poetischen Statement „reclaiming cunt“ dem feministischen Diskurs eine starke Aussage hinzugefügt, die meine eigene Vorstellung von Sprachsorgfalt und dem konstruktiven Umgang mit Kraftausdrücken geprägt hat…
Im letzten Jahr hat der Rapper form mit dem Track „Die große Verschwulung (Baby ich hab Genderwahn)“ einen provokanten, gewagten und dabei blendend gelaunten, (mich) sehr überzeugenden Versuch abgeliefert, gleich zwei Begriffe, die in der Abteilung für Diffamierung geprägt wurden, in positive Währung umzumünzen und damit ihrem Beleidigungs-Charakter die Kraft zu nehmen…
Große Kulturleistungen, in denen alles gesagt wurde, was es zu sagen gibt ... Chapeau.
Kommentare 49
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Als ginge es bei der kleinsten Veränderung immer gleich zwangsläufig um alles… Wenn nicht gar ums Prinzip - was die Sache dann geradezu zur heiligen Angelegenheit macht
Wenn es gar nicht ums Prinzip geht, warum dann nicht so lassen, wie die Autorin es wollte? Astrid Lindgren hat sich Zeit ihres Lebens gegen diese Änderung gewehrt.
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(Daß ich das noch mal erleben darf.)^^
Hatten wir letzthin schon mal, oder? Wenn es nicht gerade um die letzten Dinge geht, scheinen wir mancherlei Nähe aufzuweisen^^
N**** sagt man im Freitag nicht, da sind schon ganz andere Kaliber als Du gesperrt worden.
(*Ich glaub' mein Schwein pfeift*)
"Scheisskakerlacke" (Hutsi zu Tutu oder umgekehrt)
Ich komm' auch zu eurer Hochzeit
:-D
Ich komm' auch zu eurer Hochzeit
:-D
Wehe, wütender Wotan, weiche! ^^
Da wär' eh' nur 'ne weiche Hochzeit; amalos gamos. ;-)
..."amalos gamos"...
Ich musste erst mal kraeftig googeln...
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:-D
Tunlichst nicht zu verwechseln mit Silberhochzeit. Obwohl, nach 25 Jahren ... ;-)
haha, jetzt komm ich auch!
greetings from the pit -abghoul
thx für dieses endsteile lesestöffchen * klares high five * ***** * feinstes dFC @ it´s best * ein echtes goodie zum weekend * freu, freu, freu, hüpp, hüpp, hüpp * feinstes weekend cp
Politisch korrektes Sprechen und Schreiben ist in öffentlichen und offiziellen Settings wie in eher unvertrauten Kreisen keine schlechte Sache, funktioniert aber nur als freiwillige Selbstverpflichtung. Leider nimmt das Tatütata der Gesinnungspolizei mehr und mehr überhand. Und wenn ich "Gesinnungspolizei" sage, meine ich Leute, die glauben, anhand einzelner Formulierungen auf Gesinnung/Haltung/Welt- und Menschenbild einer Person schließen zu können. Aber das können sie nicht. Wenn ich Ösis sagen will, sage ich Ösis, Punkt. Und ich drehe ja auch nicht gleich durch, wenn mich mal jemand Sauerkraut nennt. Da #schmunzelt man drüber - und dann isses gut. Meine Güte.
Bei so viel eingeforderter Wortreflektion wie in diesem Blog wird man zum Schweiger. Mit diesem Maßstab würde ich 99,9 Prozent aller, die die deutsche Sprache nutzen, empfehlen, nicht mehr zu reden bzw. zu schreiben, und zwar für immer. So geht's nicht mal im katholischen Priesterseminar zu, dort vielleicht sogar am wenigsten. Nimmt man den Maßstab an und bezieht ihn auf das hiesige Medium, frage ich mich, weshalb die vielen Sperrungen erfolgt sind und weiterhin erfolgen werden. Hier scheint es eine virtuelle schwarze Liste zu geben. Weiter oben wurde schon auf das N-Wort hingewiesen, das bei ironischer bis fast sarkastischer Nutzung zum Ausschluss führte.
Tja, und dieser Beitrag, in dem das regeN-Wort gleich mehrfach auftaucht, Gänsefüßchen hin oder her, wird gefeatured. So kann's gehen. Gleich und gleicher versellt sich gern, oder wie sagt man..?
xxx
Als Autorin hätte ich wohl auch aufs Prinzip bestanden ... Während der Verlag vermutlich eher opportunistisch, dem Zeitgeist folgen wollend, gehandelt hat. Inhaltlich wäre auf beiden Seiten Spielraum für Großzügigkeit gewesen, denn der "Südseekönig" ist für die Geschichte genauso gültig - den Kindern wirds egal sein. Etwas anderes wäre, bei Tom Sawyer und Huckleberry Finn die unzähligen "Nigger" zu streichen: Das wäre nicht nur ersthaft Literatur- sondern auch Geschichts-Verfälschung. Spätestens da kann Sprachsorgfalt nach hinten losgehen: Wenn es ihr nur um Wörter geht ohne Rücksicht auf Kontext.
Naja, genau das war ja die Frage... Und ich seh sie so beantwortet, dass seitens der Zuständigenoffenbar verstanden worden ist, was ich meine... Jedenfalls: Ich werde nicht anfangen, irgendwas mit Sternchen zu codieren - entweder ich schreibs hin oder lass es.
Falls das irgendwie nicht rübergekommen sein sollte: Genau das war mein Thema.
Freude meinerseits: Jemand versteht und weiß zu schätzen :-)
thx zurück & Sonntagsgruß xxx
In anderen Zusammenhängen überschlägt man sich darin, Urheberrecht durchzusetzen.
Vermutlich stehe ich politischer Korrektheit einfach nur als gesinnungsloses Subjekt gegenüber. Ich werde nie "Zehn schwarzhäutige Kinderinnen und Kinder" singen. Schon wegen des Metrums nicht. (Haben Sie den korrekten Genitiv bemerkt? Das wäre eine wichtige Frage angemessenen Sprachgebrauchs - warum infantilisieren Menschen ihr Sprachvermögen?)
Und ansonsten? Mich kümmern Gesinnungen. Die Worte, in die sie sich ergießen, sind Nebenkriegsschauplätze. Lenken prima vom Wesentlichen ab. In Abwandlung von The Hogfather: "Die Lügen, die wirken nach außen. Aber die Bösartigkeit, die sitzt in deinem Kopf."
Leider nimmt das Tatütata der Gesinnungspolizei mehr und mehr überhand.
:-))
Genau. Und deswegen finde ich´s auch lohnend, mal aufzudröseln, was da dran ist und was nicht: Wie das alles vielleicht mal gemeint gewesen sein mag, was davon nachvollziehbar, praktikabel, sinnvoll ist, wo es ins Unmenschliche kippt ect.
Ich meine, die Debatte lohnt sich.
Bei so viel eingeforderter Wortreflektion wie in diesem Blog
Missverständnis: Einfordern lässt sich auf dem Gebiet nichts, schon beim Auffordern wirds schwierig, weil imperativ. Aber bei bereits vorhandenem Interesse ist es, wie ich finde, ein lohnendes Thema.
Zum Beispiel in der Frage, ob hinter der Zensur nach Stichwort irgendein System steht, eine innere Logik - ob sich da irgendwas herleiten lässt, mit welchen Argumenten.
Ich bin, um es nochmal zu sagen, gegen Gebote und Verbote. Ich interessiere mich für Argumente, und die müssen nicht überzeugen, aber tun es vielleicht, wenn sie gut sind.
Sehr einverstanden.
Allerdings: Mich kümmern Gesinnungen. Die Worte, in die sie sich ergießen, sind Nebenkriegsschauplätze. Lenken prima vom Wesentlichen ab.
Da geht´s mir anders: die Welt und das Wesentliche erschließt sich auch über Sprache und lässt sich in Sprache fassen ... Gesinnungen z.B. offenbaren sich schon auch über Formulierung (wenn man nicht vom einzelnen Begriff ausgeht, sondern eine Weile zuhört)... Da hat wohl ein jedes so seine Baustelle.
Gesinnungen z.B. offenbaren sich schon auch über Formulierung
Eben. Ein Hinweis darauf, dass nicht die Formulierungen das Problem sind. Wir bekämpfen die Formulierungen und hegen dann die süße Illusion, die Gesinnung wäre mit den Formulierungen verschwunden.
Und es wäre wünschenswert, wenn mehr Leute verstünden, dass Formulierungen ein Spionagetool sind. Bekenntnisse sind nicht nur Stellungnahmen. Sie geben preis, wes Geistes Kind einer ist. Das zu wissen, kann ... nützlich sein.
Quasi in Parenthese:
Ich erlaube mir, auf den grundlegenden Widerstreit zwischen Nominalisten und Realisten aufmerksam zu machen, welcher ein quasi akademischer geworden ist, mindestens seit Aristoteles sich gegenüber Plato in Position gesetzt hat; welcher jedoch schon wesentlich älter ist, wie sich das z. B. in der urpersischen Weltauffassung mit dem Zoroastrismus in seinem kosmogonischen Dualismus zeigt, in dem die sich wiederstrebenden Mächte Ahura Mazdao (Ormuzd) und Angra Mainyu (Ahriman) zeigen.
Und nun, in einer (verordneten) quasi säkularen und ebenso (verordneten) aufgeklärten Gesellschaft, müssen kompensatorisch Ventile geschaffen werden, um dem inneren Drängen, welches diesem uralten Widerstreit inhärent ist, modern mittels nominalistischer Sprachregulierungen zu seinem Recht zu verhelfen. Es wird dem Gebot des Aufgeklärt-sein-sollens einerseits Genüge getan, und gleichzeitig jede spirituelle Erörterung exorziert und in Acht und Bann geschlagen.
Andernfalls müßte man sich ja tatsächlich mal spirituell mit der Kumpanei-Arbeit von luziferischen und ahrimanischen Einflüssen gegen menschliche Entwicklung zur Bewußtheit von Freiheit auseinandersetzen.
Allein utilitaristisch läßt sich da nichts ableiten. Allenfalls vordergründig luziferisch-ahrimanisch.
Und wie bringt man Menschen bei, sich das bewußte freie Denken abzugewöhnen? Na ja, indem man gewisse Begriffe sukzessive indiziert, sie zu einem eigentlichen flatus vocis erklärt und deren Gebrauch dann pathologisiert.
Ach was, Satisfaktion bitte - morgen früh, 7 Uhr, hinter der Kirche auf dem Acker.
Die These ist übrigens falsch: "Sagen darf man alles".
Die Deutschen haben kein Maß und keine Mitte. Von Teilen der Amis vielleicht abgesehen zieht keine Nation den Political-Correctness-Wahn so verbiestert, verkniffen und bierernst durch wie unsere Nation der (angeblichen) Dichter und Denker. Böse gesprochen wird mit bewährter deutscher Pendanterie nun jedes falsche Wort mit Stumpf und Stiel ausgerottet – ebenso wie die Vorfahren weiland andere Rassen respektive deren Angehörige ausgerottet haben.
Natürlich geht es bei dem Ganzen nicht darum, andere zu trietzen oder sich selbst als Besserwissi bzw. moralisch höherwertiges Subjekt in Szene zu setzen (sprich: andere Menschen zu beschämen, herabzusetzen). Ebenso wie bei der Griechenland-Rettung, der veganen Mülltrennung, dem staatlich verordneten Antifaschismus oder auch dem Gender Mainstreaming wird aus der Angelegenheit nur dann ein Schuh, wenn das Ganze als Erweckungsbewegung gelabelt wird, als Beweis, dass der Deutsche aus seiner Vergangenheit gelernt hat. Und sich nunmehr ausschließlich dem Guten, Edlen, Wahren und Richtigen™ verschreibt.
Dass das Ganze ratzfatz in den Gruppenzwang-Modus umkippt, gehört zum Spiel dazu. Wobei hinzukommt, dass Differenz, Zivilgesellschaftlichkeit und ambivalante Zustände dem Deutschen per se suspekt sind. Gestern haben sie minutengeau die Deportationszüge nach Auschwitz geplant. Heute sind sie halt die Weltmeister des Sprach-Knigges. Wenn man möchte, kann man darin durchaus eine Verbesserung sehen.
P. s: Und jetzt nichts wie weg von hier. Allein das Thema macht schon schlechte Laune.
Auch Tom S. war hier schon grosses Kino...
:-(
..."Gestern haben sie minutengeau die Deportationszüge nach Auschwitz geplant. Heute sind sie halt die Weltmeister des Sprach-Knigges. Wenn man möchte, kann man darin durchaus eine Verbesserung sehen"...
***** + ***** + *****
grobes implizites wissen(für sich) gibts genug,
impulsive holz-schnitte,
die wirk-lichkeit abbilden und fassen sollen.
zumindest schriftlich fixiert
sollte explizites wissen für andere
so präzise wie möglich sein.
miß-verständnisse gibts eh genug.
Gestern haben sie minutengeau die Deportationszüge nach Auschwitz geplant. Heute sind sie halt die Weltmeister des Sprach-Knigges. Wenn man möchte, kann man darin durchaus eine Verbesserung sehen.
Darin erkenne ich schon einen Fortschritt. Ob er auf Dauer hält, weiß man nicht. Sprachregelungen, auch wenn sie nicht explizit festgehalten sind, gibt es unendlich viele, weil der geneigte Mitredner und Mitschreiber damit beweisen kann, zu dieser oder jener politischen bzw. quasi-religösen Weltanschaung zu gehören. Gleichzeitig werden mit der in stiller Übereinkunft streng geregelten Wortwahl politische Inhalte transportiert bzw. ausgeschlossen. Vielleicht birgt sich darin der Aufstieg der AfD, deren Wähler sich von den etablierten Parteien nicht mehr verstanden fühlen, weil die mitschwingenden Sprachregelungen der political correctness, die von den Medien natürlich getragen werden, die real existierenden Probleme nicht mehr erfassen.
Nach einiger Nachschlagearbeit glaube ich, ihren Kommentar verstanden zu haben und wage eine Zustimmung ... Wobei ich mich da auch wieder frage, ob die beschriebenen gegensätzlichen Positionen wirklich unvereinbar sind, ob es einer Entscheidung zwischen ihnen bedarf, oder ob da nicht auch ein Nebeneinander denkbar wäre, bzw. , für die Einzelperson, eine Art agnostische Haltung...
Danke für diesen interessanten Gedankenausflug!
Sicher, genaugenommen wäre zu ergänzen: " ... Aber vieles was man sagt, kann Konsequenzen haben".
Das ist zwar ein Allgemeinplatz, aber den nehme ich in Kauf, um darauf hinzuweisen, dass es sich lohnt, diese Konsequenzen im Einzelfall zu betrachten und zu bedenken.
Für die Ordnung der eigenen Gedanken wie für die Verständigung könnte es hilfreich sein, Worte einerseits nicht völlig egal werden zu lassen, aber auch nicht aus Ehrfurcht vor der Kraft des Wortes grundsätzlich zu verstummen.
7:00 ist definitiv zu früh. Gibt es für sowas keine Nachmittags-Termine?
Oh, nein - bleiben Sie bei Laune, bitte! Und danke, dass Sie vorbeigeschaut haben - ich schätze Ihre Kommentare sehr und lese Sie meistens zustimmend als Aufheller - so auch hier.
Ach, ich glaube das täuscht auch, dass es in D, neben den USA, so besonders arg sei. Es trifft halt, genau wie bei den Amerikanern, auch nur in Teilen zu. Zuvorderst eben doch als akademische Disziplin. Was daneben den öffentlichen Sektor angeht, so ist "korrekter" Sprachgebrauch auch zuvorderst für die politische Außenwirkung; überzeugt ist auch dort kaum jemand. Alles in allem also doch eher eine Insel, die allerdings viel im Gespräch ist. Letzteres täuscht dann doch leicht über die alltägliche Realität über die Breite der Bevölkerung. Nicht anders verhält es sich mit der Praxis in Fragen Gleichberechtigung von Mann und Frau, Geschlechterrollen oder die Akzeptanz von Homosexualität. D ist da längst auch nicht so weit, wie es immer aussehen mag.
Es soll das Erste sein, was sich an diesem deinem Tage entscheidet. Wozu noch Ballast des Tages mit in den Tod nehmen?
Kannst du nicht Fürsprechen, so mögest du still Schweigen.
Ganz einfache Anweisung. Oder auch nur schlüssige Logik im Sinne der (Rede)Effiziens. Zu viel Worte vernebeln den Geist unnötig.
Klinkt alles ein bischen zu sehr merkwürdig?
Bis ich mich nicht mehr daran hielt, gings mir gut.
Und schau dir das Schicksal von "Saul Rednow" an. Der Typ war das zu Worte evolvierte Maximalgesabbel. Und nun bald tot.
Kannst du nicht Fürsprechen, so mögest du still Schweigen.
Sagt wer?
Ganz einfache Anweisung.
Wie kommt es zu dem Eindruck, ich nähme derartige Anweisungen entgegen?
Oder auch nur schlüssige Logik im Sinne der (Rede)Effiziens. Zu viel Worte vernebeln den Geist unnötig.
Ist das so? Äh… Nein. Kann ich nicht bestätigen, so pauschal.
Klinkt alles ein bischen zu sehr merkwürdig?
Nein. Klingt nur etwas nachgeplappert. Und Intellekt-feindlich.
Bis ich mich nicht mehr daran hielt, gings mir gut.
Wie auch immer…
Ihre Befindlichkeit gegenüber Dritten und die Stilkritik an einem anderen Blogger gehören nicht hierher. Ich verbitte mir Gehässigkeiten in diese Richtung.
Nee, ich bleib dabei: Um 7:00 Uhr wird nix entschieden...
Den Tag nehm ich dann auch noch mit.
Zitat:
Zu viel Worte vernebeln den Geist unnötig.
Ist das so? Äh… Nein. Kann ich nicht bestätigen, so pauschal.
-> Dabei bist du ein gutes Beispiel. Aber das kann man an sich selbst ja nicht erkennen.
Und klar nimmst du keine Anweisungen entgegen. Du bist ja ein freier Mensch. Korrekt?
Dafür bist du aber auch ein Menschenfeind, weil du abschätzig auf gute Ratschläge oder Schicksal reagierst.
Der Rest ist der Rede nicht wert.
Ich bemerke gerade: Du bist sogar der Autor des obigen Beitrages. Mannomann, hab ich eine Ehre.
Geh scheissen. Schönen gruß
“nicht der Rede wert“…
In der Tat: Kein Argument, kein vollständiger Gedanke zur Sache – nur wahllos adressierte Unmutsäußerungen, Anweisungen, Anwürfe und Drohgebell…
Und ich war schon dabei, Ihre Provokation als Gegenthese zum Titelthema ernst zu nehmen … Nun aber outen Sie sich als, um in diesem Bild zu bleiben, nicht satisfaktionsfähig.
Am schieren Austausch von Feindseligkeiten bin ich nicht interessiert - machen Sie sowas bitte in Ihrem eigenen Sandkasten.
Dein Zitat:
Blablabla, blablabla bla blabla...
Übersetzung: "Ich fühl mich gut, wenn ich rede!"
Ist übrigens eine alte Lebensweisheit, dass man die Dinge optimistisch betrachten sollte, wenn man konstruktiv in der Welt erscheinen will.
Deshalb der Spruch mit dem Fürsprechen.
Wer gar nicht mitdenken will, braucht erst recht nicht was von Argumenten und vollständigen Gedanken faseln. Rumpöbeln ist nämlich auch auf hohem Niveau bloßer Hohlheitsbeweis.
Danke für die Anerkenntnis!^^
Doch vielleicht noch ein weiterer Gedanke:
Kann man denn in Bezug auf die Frage, ob man alles sagen dürfe, überhaupt unterscheiden zwischen Reden und Handeln?
Immerhin ist Reden ja auch ein Handeln, ein physiologisch bedeutsames Handeln sogar, vornehmlich mit dem Kehlkopf ausgeführt, welcher ebenfalls ein (grob gesprochen) durch Muskeln bewegtes Knorpelgebilde ist.
Spannende Frage...
Da ich eher dem Nominalismus zugeneigt bin, würde ich sagen, es ist eine Frage der Verabredung, wo wir Grenzen ziehen... Einen Unterschied zwischen verbaler und andersgestaltig physischer Tat halte ich für sinnvoll, gerade im oben erläuterten pazifistischen Kontext...
Auch deswegen, weil, wenn man keinen qualitativen Unterschied macht, theoretisch gleich die nächste Grenze in Frage stünde: Ob der Gedanke nicht auch schon der Tat zuzurechnen ist? Spätestens da würde es richtig ungemütlich: Jeder Gedanke, bisher letzter Ort der Freiheit, wäre einer Tat gleich zu verantworten - das halte ich für menschenunmöglich. Selbst Religion, die alle Sünden ahndet, führt "Gedanken, Worte und Taten" als eigene Kategorien auf.