Vertrauenskrise vor dem Superwahljahr 2021

Berliner Mediensalon „Wie können Politik und Medien verloren gegangenes Vertrauen zurückgewinnen?" Über diese Frage wurde unter anderem im aktuellen Berliner Mediensalon diskutiert.

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Wie können Politik und Medien das Vertrauen der Bevölkerung zurückgewinnen, lautete die zentrale Frage zu Beginn des Berliner Mediensalons am 19. Oktober in der taz-Kantine. Denn kurz vor dem bevorstehenden Superwahljahr 2021, in dem neben der Bundestagswahl auch sechs Landtagswahlen anstehen, befinden sie sich mitten in einer Vertrauenskrise, stellte Moderatorin Susanne Lang, Freie Journalistin und Autorin, zu Beginn der Diskussionsrunde klar.

Dabei bezog sie sich auf die europaweite Studie „Generation What?“ vom Meinungsforschungsinstitut Sinus, die genau das ergab: das Vertrauen in politische Institutionen ist erschreckend gering. Den Studienergebnissen zufolge haben rund 82 Prozent der jungen Europäer kein Vertrauen, davon wiederum gaben 45 Prozent der Befragten sogar an, überhaupt kein Vertrauen in politische Institutionen zu haben. In Deutschland waren 23 Prozent der Befragten, die meinten, dass sie kein Vertrauen in die Politik hätten.

Eine Erklärung für diesen Vertrauensverlust hat Jonas Gebauer aus dem Bundesvorstand von dem Verband Jugendpresse Deutschland: „Politik ist weiß und männlich. Junge Menschen sind überwiegend divers, deshalb fühlen sich einige von ihnen nicht vertreten“, sagte der 25-Jährige im Mediensalon. Außerdem fehle es bei der politischen Entscheidungsfindung an allen Ecken und Kanten an Schnelligkeit, was die junge Generation zudem frustriere. Sie würden nicht verstehen können, weshalb bei einigen Themen so lange debattiert werden müsse. Radikalisierungen seien nichts Neues, für seine Meinung Aufstehen nur natürlich, so Gebauer.

Wie man es denn schaffen könnte, Ergebnisse schneller zu kommunizieren, fragte Moderatorin Lang daraufhin die Fraktionsvorsitzende und Sprecherin für Medien und Strategien gegen Rechts von der Partei Die Linke im Berliner Abgeordnetenhaus, Anne Helm. „Sehr schwierig“, lautete ihre Antwort. Um möglichst viel Aufmerksamkeit zu erlangen, werde häufig so zugespitzt, dass dabei auch Inhalt verloren gehe - was die Politikerin, gerade für die Debattenkultur, für äußerst problematisch halte. Häufig gehe es darum, wer mehr polarisiere. Bei den Linken werde derzeit genau darüber nachgedacht, wie man stattdessen kommunizieren könne, ohne die Gesellschaft zu spalten und zu polarisieren. Gerade in Anbetracht des Aufstiegs der rechten Bewegungen. Dabei sei ein wesentlicher Faktor überhaupt erstmal zu schauen, wo man die Menschen erreichen könne und welche Maßstäbe dort reichen würden. Ein Wink auf die digitale Transformation, die wir derzeit erleben würden. Dabei betont Helm: „Jeder hat hier nun seinen Beitrag zu liefern!“

Ausgenommen davon sei niemand. Ein demokratisches System sollte laut Helm den Anspruch haben, dass alle Menschen sich an der Diskussion beteiligen können. Als vorteilhaftes Beispiel nennt die Linken-Politikerin Kleingärtenvereine, bei denen jeder über eine Vereinsstruktur seine Bedürfnisse kommunizieren kann. „Unsere Aufgabe als Politiker ist es, genauer hinzuhören.“ Im Idealfall könne auch das Internet zum demokratischen Beteiligungsprozess beitragen.

Stimmt, auch im Bereich der Digitalisierung gebe es noch ungenutztes Potential im Hinblick auf den demokratischen Beteiligungsprozess, findet auch Jury Schnöller, Co-Founder & Managing Director Cosmonauts & Kings, ein Startup für datengetriebene digitale politische Kommunikation. „Information muss da stattfinden, wo die Menschen sind“, so der Geschäftsführer. Corona haben einen wesentlichen Teil dazu beigetragen, den ganzen Digitalisierungsprozess zu beschleunigen. Schnöller spricht sich dafür aus, diese Möglichkeit zu nutzen und damit mehr Angebote zu schaffen, bei denen die Menschen mit partizipieren können.

Dass wir dabei auf einem guten Weg sind, unterstreicht auch Jonas Gebauer. Jedoch warnte er vor den sozialen Medien. Nicht alles, was dort veröffentlicht werde, sollte man für richtig halten und die Lautesten seien dabei häufig nicht die Mehrheit. Immerhin habe Twitter, die Mutter der Fake News, sich mittlerweile dazu entschlossen dagegen vorzugehen und diese auch als solche zu markieren, fügt Schnöller hinzu. Schon viel früher hätte man da rein gehen, gegen setzen und sagen „glaubt nicht jeden Quatsch“ müssen, findet Gebauer. „Da hat die Politik die letzten Jahre verschlafen.“

Helm blickte zum Abschluss der Disskussionsrunde optimistisch auf die anstehende Wahl und hoffe darauf, dass die gezogenen Lehren aus der Krise beibehalten werden.

Dieser Berliner Mediensalon wurde in Kooperation von Jugendpresse Deutschland und meko factory – Werkstatt für Medienkompetenz gGmbH veranstaltet, gefördert von der Landeszentrale für politische Bildung Berlin und unterstützt von der Otto-Brenner-Stiftung.
#Mediensalon ist eine Kooperation von Deutscher Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di, Deutschem Journalistenverband DJV Berlin – JVBB e.V. und #mekolab.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Charlotte Bauer

Freie Journalistin in Berlin. Berichtet für die meko factory über Veranstaltungen.

Charlotte Bauer

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