Wann beginnt unser Leben wirklich?

Moraldebatte Diese Frage wurde wieder einmal zu einem zentralen Thema, nachdem zwei Ärzte im Jahr 2010 eines von zwei ungeborenen Babys im Mutterleib töteten.

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Es hätte schwer behindert leben müssen, so die Diagnosen schon im Mutterleib. War das Vorgehen berechtigt? Am 12 Juli 2010 war der Tag, an welchem die Zwillinge einer 27-Jährigen Frau per Kaiserschnitt das Licht der Welt erblicken sollten. Doch nur eines der beiden überlebte. Das andere wurde per Kaliumchloridlösung im Mutterleib getötet, nachdem seine Schwester bereits geholt wurde. Ärzte und Eltern waren sich einig: Nur das gesunde Kind sollte überleben! Das andere würde aufgrund eines viel zu kleinen Gehirns schwer behindert, allerdings trotzdem lebensfähig sein.

Die beiden Föten wurden durch eine Plazenta, einer speziellen Form einer Zwillingsschwangerschaft verbunden. Dabei kann es jedoch zu einem ungewollten Blutaustausch kommen. Somit wäre auch das andere Mädchen möglicherweise gestorben, wäre es nicht zuvor per Kaiserschnitt auf die Welt geholt worden.

Heute stehen die Ärzte, welche damals die "späte Abtreibung" vornahmen vor Gericht. Die Eltern sind als Zeugen geladen. Ein Pfleger hatte die Ärzte im Jahre 2013 angezeigt. Das Gericht ist sich sicher: Es handelte sich um Totschlag an einem Ungeborenen. Nicht um eine Spätabtreibung, auf welche die Ärzte plädierten. Ein Jahr und sechs Monate soll die leitende Oberärztin erhalten. Der ehemalige Chefarzt soll sogar noch drei Monate mehr bekommen. Das Urteil ist bislang noch nicht rechtskräftig.

Es stellt sich die Frage, wann das tatsächliche Leben beginnt und ab wann ein Totschlag vergolten werden muss. Mit der ersten Wehe beginnt bereits das Leben. Alles was folgt, ist Kindstötung und kein Schwangerschaftsabbruch. "Anscheinend verfügten die Ärzte nicht über ausreichende Kenntnis von Medizinrecht", argumentierte Professor Gunnar Duttge, Experte für strafrechtliches Medizin- und Biorecht.
Allerdings ist die ethische Frage noch weitaus komplizierter in Bezug auf die Menschwerdung. Ab genau welchem Zeitpunkt wird aus einer befruchteten Eizelle ein Leben, welches es zu schützten gilt? Ist es richtig, ein Leben zu opfern, nur um ein anderes zu schützen?

"Ganz genau genommen, besitzt allein schon die befruchtete Eizelle ein Lebensrecht", begründet Duttge. Das zeigt bereits das Embryonenschutzgesetz. Ferner erklärt das Bundesverfassungsgericht, dass das eigentliche Leben eines menschlichen Individuums ab dem 14. Tag nach der Empfängnis gilt. Und etwa ab der 27 Schwangerschaftswoche empfindet es Schmerzen.


Allerdings bedeutet das nicht, dass ein frisch empfangener Embryo, welcher aus genau acht Zellen besteht, gleichem Schutze unterliegt, wie ein Kind, welches sich wenige Sekunden vor seiner Entbindung befindet. So begründete Dagmar Fenner von der Uni Basel bereits im Jahre 2013. Je reifer der Fötus wird, umso größerem Schutz unterliege er.

Wieder anders sieht dies die katholische Kirche. Sie befinden den Acht-Zell-Embryo für genauso bedeutend wie ein Kind, welches kurz vor der Entbindung befindet. Jede befruchtete Eizelle hat das Potential, ein Mensch zu werden und verdient aus diesem Grund schon besonderen Schutz. Eine zeitliche Grenze zu ziehen, sei daher unmöglich.

Bis zur 12 Schwangerschaftswoche, unterliegt einer jeden Mutter das Recht, einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen zu lassen. Aus rechtlichem Aspekt wurde der Fall des getöteten Zwillingsmädchens daher illegal durchgeführt. Sowohl Ärzte als auch Eltern trifft eine Schuld. Die Ärzte hätten dem Wunsche der Mutter auf eine Spätabtreibung niemals Gewährung geben dürfen. Selbst wenn es sich um ein Kind handelte, welches höchstwahrscheinlich schwerst behindert geboren worden wäre.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Charlotte Balgheim

Als waschechte Hanseatin in Bremen geboren und aufgewachsen interessieren mich gesellschaftliche Themen weltweit.

Charlotte Balgheim

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