Jener starke Gegensatz zwischen Israels Feier in Jerusalem und den toten Palästinensern in Gaza am Montag war des unvergänglichen Anfangs von Charles Dickens’ Roman Eine Geschichte aus zwei Städten würdig: „Es war die beste und die schönste Zeit, ein Jahrhundert der Weisheit und des Unsinns, eine Epoche des Glaubens und des Unglaubens, eine Periode des Lichts und der Finsternis. Es war der Frühling der Hoffnung und der Winter des Verzweifelns.“
Egal, ob man die Version der Palästinenser von den Massen, die für ihre Würde demonstrieren, teilt oder die israelische, wonach Menschenleben zynisch für gemeingefährliche Ziele missbraucht werden: Je weiter die Zahl der Toten in Gaza stieg, desto arroganter, abgekoppelter und mitleidsloser erschienen die, die sich in der neuen US-Botschaft in Jerusalem versammelt hatten. Je mehr Berichte von Gazas Tag des Blutvergießens eingingen, dem schlimmsten seit der Militäroperation Protective Edge 2014, desto zynischer erschien die Behauptung, die Botschaftsverlegung könne womöglich zum Frieden beitragen.
Wenn eine hochentwickelte, bis an die Zähne bewaffnete Armee einer Menschenmenge mit Sportdrachen und Steinen gegenübersteht, ist das propagandistische Debakel unausweichlich. Ja, die Hamas instrumentalisierte die Botschaftseinweihung für ihre Nakba-Kampagne und nutzte die internationale Aufmerksamkeit für eigene Zwecke. Doch während Israelis sich sagten, dass sie es mit einer Terrororganisation zu tun haben, der das Leben ihrer eigenen Leute egal ist und die ein Territorium regiert, aus dem Israel sich vermeintlich zurückgezogen hat, konnte die internationale Meinung nur das sehen: stark gegen schwach, Besatzer gegen Besetzte, ein herzloser Staat auf der einen, Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit auf der anderen Seite.
Premierminister Benjamin Netanjahu und seinen Kollegen aber könnte die internationale Meinung nicht gleichgültiger sein. Israel hat nur einen König, und der heißt Donald Trump. Er ist Israels Rettung. Sein Wort, oder zumindest das seines Großspenders Sheldon Adelson, ist das Band, das Jerusalem und Washington verbindet. Die Teilnahme der Prediger John Hagee und Robert Jeffress an der Botschaftszeremonie betonte diese neue Achse fundamentalistischer Elemente, die sich an einer messianischen Endzeit laben und zunehmend die Verbindungen zwischen den beiden Ländern dominieren. Hagee hat Adolf Hitler einmal als gottgesandten Jäger bezeichnet, und Jeffress überantwortete reuelose Juden der Hölle. Doch in der Ära Trump/Netanjahu wird diese altmodische Aversion gegenüber Juden zugunsten einer bedingungslosen Unterstützung für Israels kompromisslose, Siedler-dominierte Agenda beiseitegeschoben. Eine gemeinsame Feindseligkeit gegenüber dem Islam, den Jeffress einmal als Religion von Pädophilen bezeichnete, untermauert das.
Diesbezüglich markierte die Zeremonie auch das Ende eines parteiübergreifenden Beistands für Israel. Kein einziger Demokrat war Teil der US-Delegation, was Bände spricht. Und obwohl die meisten israelischen Oppositionsführer zu der Feier kamen – ob aus Überzeugung oder aus Angst vor der öffentlichen Meinung –, tat die Chefin der Meretz-Partei, Tamar Zandberg, gut daran, zu Hause zu bleiben. Ein echter, friedliebender Linker – selbst einer, der der Verlegung der Botschaft grundsätzlich zustimmt – sollte nicht Teil eines nationalistisch-messianischen Forums sein, das in Jerusalem unter Führung eines US-Botschafters wie David Friedman, der alles Linke hasst, zusammenkommt.
Für die meisten amerikanischen Juden, vor allem die, die sich selbst noch immer als Unterstützer Israels betrachten, stellte die Feier einen Schlag in die Magengrube dar. Nicht nur sind Hagee und Jeffress für sie völlig inakzeptabel. Der tosende Applaus, der Trumps Video-Grüßen vorausging, betont die wachsende Kluft zwischen Israel und der größten jüdischen Diaspora: Für liberale Amerikaner, Juden und Nicht-Juden, gibt es keinen schwerwiegenderen Beleg für ihre Distanz zu Netanjahus Israel und dessen Rechtskurs als die Umarmung eines US-Präsidenten, der ihnen als akute Gefahr für die Werte der Aufklärung gilt.
All das dürfte Netanjahu nicht im Geringsten stören. Er reitet auf einer noch nie dagewesenen Welle öffentlichen Zuspruchs, von einem Erfolg zum anderen: erst die US-Kündigung des Atomvertrags mit Iran, dann Netanjahus Feier des Sieges von Sängerin Netta Barzilai beim Eurovision Song Contest. Israels Premierminister setzt alles auf einen US-Präsidenten, dessen Außenpolitik die Washington Post mit dem Prinzip „Jetzt kaufen, später bezahlen“ beschreibt. Trump gilt als Held, weil er den Atomvertrag gekündigt hat, ungeachtet des Schadens für das transatlantische Bündnis. Am Montag wurde er vom sephardischen Oberrabbiner Jitzchak Josef, der Schwarze kürzlich mit Affen verglich, zum „König der Gnade“ geweiht – obwohl die Folgen seiner Botschafts-Entscheidung, einschließlich des Erstickens der letzten zarten Hoffnungen auf Frieden und der Gefahr einer dritten Intifada, erst in den kommenden Wochen und Monaten zu sehen sein werden.
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