Transformers melken China

Sinophil „Transformers 4: Ära des Untergangs“ bricht im Reich der Mitte alle Kassenrekorde. Das Action-Epos läute für den Filmstandort China eine neue Zeit ein

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Umgerechnet über 300 Mio. US-Dollar hat „Transformers 4: Ära des Untergangs“ an Chinas Kinokassen eingespielt – in einem Monat. Länger dürfen ausländische Filme in chinesischen Kinos nicht laufen. Am 28. Juli 2014 nahmen sie den Blockbuster wieder aus dem Programm. Damit hat der vierte Teil der Science-Fiction-Reihe über zwei auf der Erde Krieg führende Roboterrassen den Rekord vom Genre-Kollegen „Avatar“ geknackt. Der spülte 2010 über 220 Mio. US-Dollar in die Kassen .

Made in China

Dass die Produzenten von „Transformers 4" in China einen solchen Reibach machen, hat verschiedene Gründe. Zum einen sind im Juli Schul- und Uniferien: Chinas Jugend stürmt die Kinos, die wie Pilze aus dem Boden schießen. 5000 waren es noch 2010, heute sind es über 20000. Zum anderen ist „Ära des Untergangs“ auf den chinesischen Markt zugeschnitten.

Gedreht wurde in Peking, Tianjin, Chongqing und Hongkong. Chinas Superstar Li Bingbing spielt in einer Nebenrolle die Chefin einer Pekinger Roboterfabrik und Hongkong ist Ort der Entscheidungsschlacht. Dort fand am 19. Juni auch die Weltpremiere statt. Zudem flirten die neu eingeführten „Dinobots“, Saurier aus Stahl, mit Chinas Drachen-Mythos. Die Beijing Times schlägt angesichts all dieser Sinophilie einen neuen Filmtitel vor: „Transformers: China-Spezial“.

Hartes 3D

Finanziell ging das Kalkül auf. Allein der Kino-Umsatz in China dürfte die Produktionskosten in Höhe von 210 Mio. US-Dollar längst decken. Jubelstürme lößt der Film aber auch unter Chinas Filmkritikern nicht aus. Die Tageszeitung Beijing News zieht ein ähnliches Fazit wie westliche Medien. Beeindruckt zeigt sie sich lediglich vom audiovisuellen Bombast, den Regisseur Michael Bay in 3D auf die Zuschauer abfeuert. An der zerfahrenen Handlung und den schablonenhaften Figuren lässt sie dagegen kein gutes Haar. Nach einem verschlafenen Beginn hetze der Film in der zweiten Hälfte bloß noch von Ort zu Ort, von Figur zu Figur. „Der Rhythmus des Films gleicht einer plötzlich beschleunigenden Achterbahn.“ Auch sei er mit seinen 160 Minuten zu lang. „Leute fast drei Stunden eine 3D-Brille tragen zu lassen, das ist zu viel für die Augen.“, zitiert die Zeitung einen Internetnutzer.

Dauerwerbesendung

Sauer stößt vielen auch das penetrante Product Placement auf. Nutzer haben 17 Produkte chinesischer Unternehmen gezählt, die während des Films im Bild auftauchten. Von westlichen Firmen seien es über 40. Transformers 4: Ära des Untergangs kann man umbenennen in Transformers: Ära der Werbung“, spottet ein anderer Nutzer.

Über 115000 Bewertungen hat der Film auf der Medienplattform Douban. 40 Prozent davon sind positiv, „geht so“ haben etwa genauso viele Nutzer geklickt. Da gucke er lieber drei Stunden in den Spiegel, bedauert „xiaotianquan“ seinen Gang ins Kino. Ein bisschen veräppelt fühlt sich wohl auch „dongguadonggua“, weil das Zugpferd erst spät antrabt: „Habe die ganze Zeit nach Bingbing gesucht. In der zweiten Hälfte tauchte sie endlich auf!“

Nur der Anfang

Beijing News rechnet anders. Länger schon sind chinesische Stars wie Li Bingbing in Hollywoods Big Budget-Produktionen zu sehen. Nur seien sie wegen ihrer kleinen Rollen bisher bloß „Dekoration“ gewesen. „Transformers 4: Ära des Untergangs“ ändere das zweifellos. China mache jetzt mit, sei nicht mehr nur „Zuschauer“. Der sehr „chinesische“ Film zeige, dass Chinas Filmmarkt für die Welt immer wichtiger werde, resümiert die Zeitung. Auch Li Bingbing ist optimistisch: „Wir jetzigen Schauspieler klopfen eigentlich nur an die Tür, schaffen Wege. Ich denke, die besseren Möglichkeiten kommen erst noch.“

Für 2016 ist „Transformers 5“ geplant.

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Geschrieben von

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Autor: Oliver Pöttgen | chinaschau@web.de | fachchinesisch.tv

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