Gleichheit

Aussichten Viele von ihnen sehen wirklich schmuck aus, wenn sie am Morgen in ihrer Bildungseinrichtung vorbeischauen: Marken-Jeans, Marken-T-Shirt, ...

Viele von ihnen sehen wirklich schmuck aus, wenn sie am Morgen in ihrer Bildungseinrichtung vorbeischauen: Marken-Jeans, Marken-T-Shirt, Marken-Socken beziehungsweise Marken-Strumpfhosen, Unterwäsche (wahrscheinlich von Bruno Banani. Schuhe von Allen-Edmonds, Schuhcreme von Dior, Meise von Lagerfeld.) Und sie sind ausgerüstet wie sich das gehört: Schultasche von Gucci, Tintenkiller von Chopard, Löschblätter von Wempe, Mathebuch vom Banknachbarn. Richtige Konsum-Terroristen. Auf den Pausenbroten selbstverständlich nur Markenbutter.
Nach Auswertung sozial-empirischer Selbstversuche haben zahlreiche Eltern festgestellt, dass sie sich das auf Dauer gar nicht leisten können. Leicht im Vorteil sind jene, die es über Jahre hinweg durch die fleißige Arbeit Anderer zu etwas gebracht haben. (Nutznießer der Sozialpolitik, die eine Umverteilung des Volksvermögens von unten nach oben vorsieht, kann eben nur eine breite Minderheit sein.)
Hilfe nahet von unverhoffter Seite. Anti-Konsum-Terrorismus-Einheiten in Rathäusern und Gemeindeverwaltungen wollen jetzt Uniformen für Schüler einführen. Das befreit insolvente Eltern vom Klamottenkaufzwang. Die alte Kluft zwischen nicht ganz so reich und reich wird dadurch zwar nicht überwunden, aber mit Hilfe der neuen Kluft sieht man den Unterschied wenigstens in der Schule nicht mehr ganz so deutlich. Nebenbei erfolgt die Wiederbelebung guter alter Wertvorstellungen. Was zählt, sind Kameradschaft, Zusammenhalt, Solidarität. Niemand wird mehr gehänselt, nur, weil seine Eltern Geld haben. Die Klassengemeinschaft wird zusammengeschweißt, Klassengegensätze verblassen. Die Frage "Mein Gott, was zieh´ ich denn heute nur an?" beantwortet sich von selbst.
In Städten, wo sich Fuchs und Hase beim Gute-Nacht-Sagen mit Tollwut anstecken, machen Schüleruniformen das Straßenbild bunter und abwechslungsreicher. Der jeweilige Bildungsstandort erfährt eine grandiose Aufwertung. Innovatives bekommt eine faire Chance, zumal, wenn die letzte Innovation die Umbenennung des Bürgermeisters in Oberbürgermeister war.
Bildungsprozesse als solche erhalten ungeheure Impulse, setzt die Aktion Schüleruniformen doch genau an den neuralgischen Punkten an. In kurzer Zeit werden die Defizite im verstehenden Lesen und sämtliche Mathematikschwächen abgebaut sein, weil sich die Schüler endlich auf das Wesentliche konzentrieren können. Schon die nächste Pisa-Studie wird ans Licht bringen, dass wir zwar kurz hinter Mexiko, aber immer noch deutlich vor Somalia liegen. Aber wollen wir uns damit wirklich schon zufrieden geben? Oder verträgt, verlangt die Zivilisation noch viel mehr Uniformität? Schreit sie gar danach? Wann kommt die Elternuniform?

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