Der Lebenslauf des Joseph Fischer, genannt Joschka, ist kulturhistorisch in dreierlei Hinsicht beachtenswert: Er zeigt die Möglichkeit, mit geringem Startpotenzial optimalen Effekt zu erzielen. Er zeigt das Gesetz ewigen Wandels. Er zeigt den Willen zur Macht. Kurz, er zeigt im Kleinformat die Geschichte der Bundesrepublik.
Leider werden in diesen Tagen immer wieder müßige Fragen diskutiert: Kann dieser Staat von einem Außenminister vertreten werden, der einst einen Polizisten schlug? Er kann, er kann. Ich persönlich kann mir gar keinen würdigeren Vertreter vorstellen als Herrn Fischer. Sein Weg vom Straßenkämpfer zum NATO-Kriegsherrn im Kosovo belegt eindrucksvoll die Integrationsfähigkeit dieser Gesellschaft. Jede politische Bewegung schleppt einen gewissen sozialen Treibsand mit sich, Gestalten zweifelhaften Charakters, die arme Polizisten schlagen, selbst wenn diese auf den Nachnamen Marx hören. Aber man grenzt Gewalttäter hierzulande nicht aus, man reicht ihnen die Hand; und irgendwann haben sie dann verstanden, dass es oben auf der Kommandobrücke viel schöner ist.
Die Republik wurde schon von ganz anderen Vertretern vertreten: von Ministern, die das Parlament anlogen, von Kanzlern, die jahrelang mit illegalen Parteispenden hantierten, von alten Nazis. Man ist hierzulande Kummer gewöhnt. Joseph Fischer wurde in den sechziger und siebziger Jahren unter der Ägide einer moralisch hochwertigen politischen Klasse sozialisiert. Wie sollte er sauber bleiben? Er hat einfach gelernt, dass die sogenannte gesunde Aggressivität im politischen Geschäft weiter führt als die Reflexion über Gesellschaft. Er ist immer ein Nicht-Intellektueller geblieben, der ewige Leitwolf, der bei Bedarf Kreide frisst. Fischer hat viel mehr mit Franz Josef Strauß und selbst mit Helmut Kohl gemein als mit irgendeinem Mitglied der eigenen Partei. Er teilt mit den beiden die Lust an der Macht, die Lust am Taktieren und Intrigieren, die Lust am Wegbeißen der Gegner.
Aber Fischer ist heimatlos. Schaut man die Liste seiner wechselnden politischen Bekenntnisse durch, vom Kampf gegen das Schweinesystem über den Ökoterrorismus zum Pazifismus hin zum NATO-Interventionismus, so entsteht das Bild eines Menschen, für den politische Inhalte sekundär sind. Wäre Fischer beim Untergang der Titanic dabei gewesen, er hätte als einer der ersten ein Rettungsboot geentert - und sich sofort zum Kapitän wählen lassen. Danach wäre alles gut geworden, egal wie.
So ist das wirklich Bedenkliche an Joschka Fischers Vergangenheit nicht die Tatsache, dass er mal ein bisschen einen Polizisten haute. Er selber wird auf der Straße so viel Dresche bekommen haben, dass er irgendwann das Gewaltmonopol des Staates anerkannte. Learning by Prügelstrafe, nicht durch Einsicht. Bedenklich ist vielmehr die gewalttätige Psychostruktur der politischen Klasse selbst, deren Nachwuchsrekrutierung bei dieser Gelegenheit etwas präziser sichtbar wird. Es ist dabei völlig nebensächlich, dass Joseph Fischer ursprünglich einmal ein Linker sein wollte. Es gibt in allen politischen Lagern Gestalten, die allein vom Charakter her eine große Karriere vor sich haben. Ob man sich in der Jungen Union die ersten Sporen verdient hat oder beim Revolutionären Kampf, scheint spätestens jenseits der Vierzig egal zu sein. Im Bundestag zählen nur noch ein aggressives Ego und ideologische Flexibilität - von beidem hat Fischer reichlich.
Undurchschaubar bleibt für den Außenstehenden allerdings die künstlerische Leistung unseres Protagonisten. Wer zur Rechtfertigung des Kosovo-Krieges gleich Auschwitz herbeischwafeln muss, verfügt ersichtlich über wenig historische Kenntnisse. Oder eben über schauspielerisches Talent. Vielleicht reicht es in der bundesdeutschen Talkshow-Gesellschaft ja schon aus, den Terminus "humanitäre Aktion" richtig aussprechen zu können. Oder sich in einen grauen Zweireiher zu werfen. Oder Marathon zu laufen. Gleichviel: Joseph Fischer ist einer unserer beliebtesten Politiker, gerade weil er gerne mal zuschlug. Und zuschlägt. An seinem Modell wird klar, dass der Marsch durch die Institutionen lohnt. Man sollte Joseph Fischer klonen. Die NATO hätte dann Bestandsgarantie.
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