Letzte Woche geriet ein kaum beachtetes Berufsbild ins Blickfeld: die „Fernsehfilmchefin“, wie verkürzt der korrekte Titel des Postens lautet, den Doris J. Heinze beim NDR nun nicht mehr bekleidet. Das Skandal-, Rätsel- und Fortsetzungspotenzial der von Hans Leyendecker recherchierten Geschichte schillert: „Vetternwirtschaft“ beim Drehbuch-Ankauf soll Heinze betrieben und deshalb Pseudonyme für ihren Mann, sich selbst und wer-weißwen-noch erfunden haben.
Zu erklären, wie die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten funktionieren, ist schwierig. Viele Medien behalfen sich damit, Heinze „Tatort-Chefin“ zu nennen. Die Kommissare den Anstalten zuzuordnen, führt in die richtige Richtung. Ähnlich funktioniert das bei den Fernsehfilmen, die keine Sonntagskrimis sind. Wer viele sieht, kann eine Art Handschrift des verantwortlichen Senders und seines Fernsehfilmchefs erkennen. Beschwert sich jemand, dass das Genre der „Schmonzette“ Überhand gewinnt, sind Fernsehfilmchefs zuständig (und entgegnen, dass Dominik Graf doch auch wieder was gedreht hat). In der Internet Movie Database gilt Heinzes jüngster Credit als Co-Producer der Bestseller-Kino-TV-Verfilmung Pope Joan aka Die Päpstin.
In Deutschland, wo es keine Filmindustrie gibt oder zumindest die Filmindustrie beklagt, dass es sie nicht gibt, spielen Fernsehfilmchefs also die Rolle von Studiobossen wie einst Darryl F. Zanuck. Sie bestimmen, welche zehn Prozent der Drehbücher in Produktion gehen und welche 90 Prozent nicht. Zwar haben die Filmförderungen ein Wörtchen mitzureden, aber in den entsprechenden Kommissionen sitzen verlässlich Fernsehfilmchefs. Es fehlen nur Sprachregelungen („Doris J. Heinze proudly presents“), die das klarstellen, (und wenn es sie gäbe, würde wohl eher „Das Erste“ proudly präsentieren).
Um im Bild zu bleiben: Das Major Studio ist die Degeto. Während der Mini-Major NDR inklusive Sonntagskrimis keine 20 Filme pro Jahr hervorbringt, verantwortet die Degeto als ARD-Gesamteinrichtung über 50, vor allem am Freitag laufende Blockbuster-Schmonzetten pro Jahr, aber auch eine gewaltige Menge an Skandinavien-Krimis. Ihr Fernsehfilmchef heißt Hans-Wolfgang Jurgan, und der müht sich um bessere Sichtbarkeit seiner Position. In den Wallander-Krimis mit Kenneth Branagh firmiert er als „Executive Producer“.
Freilich: Um unter Pseudonym verfasste Drehbücher seiner Gattin anzukaufen und so Grund zum Kurswechsel an wirklich entscheidender Stelle zu geben, ist Jurgan vermutlich viel zu clever. Leider.
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