Die Linkspartei kommt einem vor wie das einsame Gretel im Wald. Weil seine beiden rot-grünen Mitläufer im warmen Schloss der Reichen und Schönen verloren gegangen sind, muss das mutige dunkelrote Gretel jetzt ganz allein gegen die neoliberalen und brauen Geister ankämpfen. Denkt es. Und das macht es wie alle einsamen Waldläufer – das Gretel pfeift sein altes Lied einfach ein bisschen lauter.
Blöderweise findet das alles nicht im Märchen statt, sondern in der trostlosen Realität. Die beiden Parteivorsitzenden Katja Kipping und Bernd Riexinger haben gerade ihre Schlüsse aus dem Wahldebakel vom März gezogen, die kurioserweise Strategiepapier genannt werden. Kurz gesagt will die Linke, erstens, ein Bollwerk gegen rechts werden; sie will, zweitens, viel lauter Revolution rufen, als sie es bisher getan hat; und sie will, drittens, das rot-rot-grüne Bündnis nicht mehr länger verfolgen. Die Linke sieht sich als einziger Fels in der Brandung gegen die soziale Ungerechtigkeit im Lande und natürlich gegen die AfD.
Diese Analyse hat gleich mehrere Schönheitsfehler: Zu den Parteien, die unter der Alternative für Deutschland leiden, gehört auch die Linke. Auch ihr laufen die Wähler in Scharen davon. Um es präzise zu sagen: Relativ verliert die Linkspartei mehr als die politische Konkurrenz an die AfD. Die Linkspartei sollte also ihre potenziellen roten und grünen Partner nicht etwa von sich stoßen, sondern gemeinsam eine klügere Analyse sozialer Ungleichheit liefern.
Mit einem schrillen Bündnis gegen rechts holt man keinen einzigen Arbeiter oder in prekären Verhältnissen Lebenden zurück. Ein Blick nach Österreich könnte den Genossen zeigen, dass der Wählerschwund von den Roten zu den Blauen/Braunen hierzulande erst begonnen hat. Die FPÖ sahnt inzwischen 72 Prozent der Arbeiter ab – und das, obwohl Österreich wirtschaftlich ähnlich gut dasteht wie Deutschland. Im postindustriellen, prädigitalen Zeitalter den Klassenkampf auszurufen ist da zu wenig. Die Ungleichheit zu bekämpfen ist heute wesentlich komplexer.
Was die Linke richtig macht, ist, dass sie auf ihre Wählerklientel stärker zugehen will. Das angekündigte Ausschwärmen der Genossen in die sozialen Brennpunkte, um eine „Offensive des Zuhörens“ zu starten, könnte lehrreich werden – und schmerzhaft.
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