Dämliche Doktorspiele

Glaubwürdigkeit Dass Ursula von der Leyen in ihrer Dissertation gemogelt hat, ist kein wissenschaftlicher Weltuntergang. Für ihre politische Karriere ist es jedoch ein großes Problem
Ausgabe 40/2015

Das Wesen der Sprache von Politikern besteht darin, fremdes Wissen als das eigene auszugeben und nicht alle Belege aufzuführen. Das würde Reden sehr kompliziert machen und gilt – auch unter Journalisten – als unelegant. Insofern hat Ursula von der Leyen mit ihrer Doktorarbeit ein großartiges Bewerbungsschreiben für die Politik als Beruf verfasst. Nur 62 Seiten brauchte die angehende Ärztin, für ihren Doktortitel.

Dummerweise ist eine finale Tugend, die man von Ministern erwartet, dass sie die Wahrheit sagen – und da ist nun gut dokumentiert, dass Ursula von der Leyen dies im streng wissenschaftlichen Sinne nicht getan hat. Sie hat einige Male Zitate nicht kenntlich gemacht, manchmal nicht mal den Autor genannt, von dem sie ihre Weisheiten hatte. Das hatte durchaus Methode. So konnte sie andere Autoren zitieren, ohne zu verraten, dass sie selbst diese gar nicht gelesen hat. Für den Normalbürger sind das vielleicht Petitessen. Der Journalismus verfährt bisweilen ganz bewusst nach diesem Prinzip. Aber in einer Doktorarbeit gehört das zum Kerngeschäft, für das der Doktorand sogar seine Hand ins Feuer legt – indem er schriftlich versichert, korrekt zu arbeiten.

Muss eine Verteidigungsministerin die in ihrer Dissertation erörterten Vor- oder Nachteile des Wannenbads bei der Geburtsvorbereitung in ihrem Job noch einmal anwenden? Wohl eher nicht. Muss sie in ihrem Amt glaubwürdig sein? Ganz sicher Ja. Und deshalb wird es für sie zu einem großen politischen Problem werden, wenn sie wegen 62 liederlich geschriebener Seiten nun möglicherweise ihren Doktorhut nehmen muss. Denn die Verteidigungsministerin entscheidet, mehr noch als die Ärztin, über Leben und Tod, jeder muss ihr vertrauen bei dem, was sie sagt – sei es zu Truppenbewegungen, Bewaffnungen oder Einsatzbefehlen.

Ursula von der Leyen hat weniger gemogelt als Karl Theodor zu Guttenberg, aber mehr geblendet als Annette Schavan, die als 23-Jährige viele (und kluge) hundert Seiten aufgeschrieben hatte. Die Fälle der dämlichen Doktorspielchen sind stets anders, aber sie haben immer denselben Effekt: Rücktritt. Ihn möglichst schnell und geräuschlos zu vollziehen hilft dem Ansehen und vielleicht später auch bei der politischen Resozialisierung.

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Geschrieben von

Christian Füller

http://christianfueller.com

Christian Füller

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