Der Ruf, der der neuen Präsidentin der Kultusminister vorauseilt, ist beinahe legendär. Susanne Eisenmann half mit, die erzkonservative CDU Baden-Württembergs zu modernisieren. Als Büroleiterin des damaligen Reformers Günther Oettinger war sie am Kehraus des Erwin Teufel beteiligt. Sie tat es mit Verve. Bei einer CDU-Mitgliederversammlung warb sie in Stuttgart mit so viel Herzblut für eine aufgeklärte christliche Politik, dass einer von Teufels Hilfssheriffs zu einer drastischen Maßnahme griff. Er verwies Susanne Eisenmann des Saals. Sie soll erhobenen Hauptes den Raum verlassen haben. Als „demonstrative Gelassenheit“ wurde ihr Abgang beschrieben. Freilich, wer das Energiebündel Eisenmann kennt, der ahnt, was damals in ihr vorgegangen sein muss.
Denn die promovierte Politik- und Literaturwissenschaftlerin mag eine ideologisch schwer definierbare Christdemokratin sein, aber sie ist eines auf jeden Fall: durchsetzungsstark, entschlossen, manche, die sie persönlich erlebt haben, sagen: brutal, kompromisslos. In offizieller Lesart heißt das dann, sie könne „wahnsinnig gut verhandeln“. Eisenmann, 1964 im Stuttgarter Stadtteil Cannstatt geboren, hat als Schulbürgermeisterin ihre Heimatstadt umgekrempelt. „Unter ihr gab es nicht nur kleine Verschönerungen“, berichtet ein Elternvertreter, „sie hat Schule für Schule vom Giebel bis zum Keller sanieren lassen.“ Eisenmanns Reformeifer bezog sich allerdings nicht allein aufs Äußere.
Wie eine rot-grüne Utopie
Als in Stuttgart das Neubaugebiet Neckarpark auf dem Reißbrett entworfen wurde, steuerte Eisenmann ein visionäres Konzept bei, ein Bildungshaus, das vom Kindergarten bis zur sechsten Klasse die ersten Lernjahre prägen sollte. Der Entwurf von 2009 liest sich wie eine rot-grüne Utopie: „gemeinsames Lernen zwischen 0 – 12 Jahren in einer öffentlichen Ganztagesschule und einer Tageseinrichtung für Kinder unter einem Dach in besonderer und beispielhafter Qualität – und das Aufgreifen der bildungspolitischen Diskussion zum bestehenden Bildungssystem im Hinblick auf Öffnung, Inklusion und Chancengleichheit“. Kein Wunder, dass die forsche Stuttgarter Lokalpolitikerin damals von der Landes-CDU dafür abgewatscht wurde. Die Verbindung Kita/Grundschule plus Verlängerung der Primarstufe auf sechs Jahre plus 68er-Leitmotive – das war dem CDU-Bildungsminister zu viel. Und was machte Eisenmann? Eine Wegbegleiterin schildert es so: „Sie ließ das Papier in der Schublade verschwinden – und packte es wieder aus, sobald die Zeit reif dafür war.“ Prompt fand sich in einem Antrag für den Neckarpark aus dem Jahr 2015: Eisenmanns supermodernes Bildungshaus.
Mit dieser Attitüde – „Ich bin nicht die typische CDU-Politikerin“ – kokettierte Susanne Eisenmann auch, als sie im Oktober baden-württembergische Kultusministerin in einer grün-schwarzen Regierung wurde. Allerdings zeigt sich nun, dass die Powerfrau auch sprunghaft sein kann. Im Moment sieht es so aus, als hätte sie allem, was nach grüner Bildungsidee riecht, den Kampf angesagt. Die Ministerin stellte binnen weniger Wochen alle großen Bildungsreformen ihrer Vorgänger verbal auf den Prüfstand: Weitere Ganztagsschulen seien kaum finanzierbar, die Inklusion könne nicht wie bisher weitergeführt werden. Auch mit der Digitalisierung des Lernens stellte sie sich auf Kriegsfuß. Als sie zum Programmieren in der Grundschule gefragt wurde, blaffte sie: „Herrje – geht’s noch! Lesen, schreiben, rechnen, das ist wichtig.“
Eisenmann hat mit ihrer Art einen Schock ausgelöst. Vor den Kopf gestoßen fühlten sich etwa Vertreter im baden-württembergischen Landeselternbeirat. Als sie in dem Gremium vor über 30 Teilnehmern ihren Antrittsbesuch abstattete, war die Stimmung schnell auf dem Tiefpunkt. Eisenmann habe erst mehrere Tassen Kaffee in sich hineingeschüttet, schildern diverse Beobachter die Situation. Dann habe sie die erste Nachfrage derart aus der Fassung gebracht, dass sie zweimal drohte, den Raum zu verlassen. „Das war keine Vorstellung, sondern eine Machtdemonstration“, berichtet ein Teilnehmer. „Ich habe mich nicht mehr getraut, eine Frage zu stellen“, sagte eine Elternvertreterin.
Nervosität herrscht vor allem an den Gemeinschaftsschulen Baden-Württembergs. 50.000 Kinder lernen heute dort. Die CDU hatte vor der Landtagswahl gegen diese integrative Schulform einen Kulturkampf ausgerufen. Nun soll ausgerechnet die CDU-Frau Eisenmann eine Reform zu Ende führen, die mitten in ihrer heikelsten Phase steckt: Inzwischen gibt es zwar 300 Gemeinschaftsschulen – aber noch keine einzige Oberstufe. Ohne die Möglichkeit zum Abitur aber macht integrative Schule keinen Sinn. Denn ohne Abitur fehlt der Anreiz für bildungsbewusste Familien, ihr Kind an eine Gemeinschaftsschule zu schicken. Susanne Eisenmann verhält sich indes ausgesprochen reserviert zum Thema Oberstufe. Den neuen Gemeinschaftsschulen gibt sie ohnehin nur „Bestandsschutz“ – gerade so, als seien sie eine sterbende Spezies. Geradezu schwärmerisch hingegen spricht Eisenmann über die Realschule. Ihr verspricht sie mehr Personal, dort sieht sie die Zukunft. „Wir stärken eine ganz zentrale Säule unseres Bildungssystems“, meint sie.
Damit hat sie recht, nur anders, als sie denkt: Wer die Realschule verteidigt, der will zurück in eine Schulstruktur, die aus dem 19. Jahrhundert stammt. Seit der ersten Pisastudie hat sich ein großer Treck von Bundesländern aufgemacht, um dieses überholte Arrangement zu überwinden. Die zweigliedrige Schule setzt sich fast überall durch: mit dem Gymnasium auf der einen Seite und der integrativen Schule auf der anderen. Für die Realschule ist da kein Platz. Und für ihre Lobby auch nicht – mag sie noch so eisern sein.
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