Die falsche Richtung

SPD Mit dem Wechsel von Familienministerin Manuela Schwesig verliert Martin Schulz nicht nur eine sehr wichtige Mitstreiterin, sondern sein Profil
Ausgabe 22/2017
Wichtige Stützen für Martin Schulz: Manuela Schwesig (links) und Katarina Barley
Wichtige Stützen für Martin Schulz: Manuela Schwesig (links) und Katarina Barley

Foto: photothek/imago

Sie ist eine der Macherinnen der SPD. Manuela Schwesig hebt sich wohltuend von den vielen Graumännern einer Partei ab, die nun seit mehreren Jahren als wackerer Mehrheitsbeschaffer der Union ihren Dienst tut. Schwesig hat weit über das normale Polit-Maß Engagement gezeigt: Sie nimmt Rechtsextremismus nicht achselzuckend als Folge von Entleerung ihres Bundeslandes hin; sie setzt sich dafür ein, dass sexualisierte Gewalt an Kindern nicht nur beklagt, sondern den Überlebenden wirklich geholfen wird. Manuela Schwesig nervt manchmal auch, weil sie an ihren Themen so beharrlich dranbleibt, dass es ständig Stress mit Chauvis aus der Union gibt.

Und diese Manuela Schwesig, 43 Jahre, geht nun als Ministerpräsidentin nach Schwerin. Herzlichen Glückwunsch, Meck-Pomm! Und herzliches Beileid, Martin Schulz. Der Kandidat verliert eine Angreiferin in seiner eh schon lahmenden Kampagne ums Kanzleramt. Aber Schulz büßt nicht nur Schwesig ein, auch Katarina Barley wechselt den Job – sie wird Familienministerin. An die Stelle von Schwesig und Barley treten gewissermaßen Matthias Machnig und Hubertus Heil, zwei „Frogs“, Friends of Gerhard Schröder. Nicht, dass die beiden keine intelligenten Manager von Wahlkämpfen wären. Aber das besondere und eigene Profil von Martin Schulz als einem Sozialdemokraten, der glaubwürdig für die Abgehängten und die, wie er es ausdrückt, „hart arbeitenden Menschen“ kämpft, wird durch die beiden Wirtschaftsprofis Machnig und Heil nicht gestärkt, im Gegenteil. Wer ist denn nun eigentlich Herr im Willy-Brandt-Haus? Die beiden coolen alten Jungs, die ganz genau wissen, wie man Wahlkämpfe macht (und leider auch schon welche verloren haben)? Oder der Buchhändler und Bürgermeister aus Würselen, der Geist und Idee der großen alten Partei verkörpert – und der übrigens auch sehr verständlich sozialdemokratisch sprechen kann?

Es war kein geplantes Manöver, das zu den Wechseln führte. Eine schwere Erkrankung des Schweriner Ministerpräsidenten Erwin Sellering, der sein Amt sofort niederlegte, löste die Rochade aus. Deswegen muss Schwesig in den Norden, sie kann dort für größere Aufgaben trainieren; deswegen kann man die fleißige, aber unerfahrene Barley ins Ministeramt wegloben; und deswegen ist der Platz frei für den klugen General Heil. Vielleicht braucht die Kampagne Schulz auch einen Neustart. Nur ist das, was nun kommt, eben kein Neustart.

Martin Schulz hat nicht nur wichtige Gesichter, die ihm bei Frauen im September Stimmen holen können, aus seinem Team verloren. Der Kandidat droht nun zugleich sein Gesicht zu verlieren. Er stand bisher für eine Politik, die sowohl die sozialdemokratischen Erfolge seit 1998 für sich reklamiert – als auch die Risse und Schlaglöcher einer Wohlstandsgesellschaft als Problem zur Kenntnis nimmt. Mit Machnig und Heil rückt wieder das solitäre „It’s the economy, stupid“-Programm nach vorn. Das reicht aber nicht aus, um Bürgern den Strukturwandel zu erklären – und ihnen zugleich Hilfen darin anzubieten: Soloselbstständige, die billige Projektlöhner einer brutalen Hightech-Digitalisierung sind. Sozial- und Bildungsarbeiterinnen, die mit miserablen Gehältern in der High-Touch-Branche ausgebeutet werden. Teilzeitbeschäftigte und Leiharbeiter, die schlecht abgesicherte Auswechselspieler atmender Industrien sind. Mit Machnig und Heil ist das alte Aufschwungs-Blabla der Blair-SPD zurück. Das ist nix Neues, dafür müssen wir nicht an die Urne gehen.

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Geschrieben von

Christian Füller

http://christianfueller.com

Christian Füller

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