Die Föderalismusfalle

Bildung Das so genannte Kooperationsverbot soll gelockert werden. Aber reicht das aus, um die Finanzierung der Schulen und Hochschulen vernünftig zu regeln?

Und sie bewegt sich doch. Die schwarz-gelbe Koalition hat sich darauf verständigt, das sogenannte Kooperationsverbot im Grundgesetz zu lockern. Sie reagiert damit auf die wachsende Empörung über eine Grundgesetzänderung aus dem Jahre 2006, die Schulen und Hochschulen inzwischen große Probleme bereitet. Die Klausel untersagt es der Bundesregierung nämlich, sich an der Finanzierung von Bildungsinstitutionen der Länder zu beteiligen. Wenn alles gut geht, darf ab diesem Jahr die Bildungsministerin des Bundes, Annette Schavan (CDU), wieder Mittel direkt für die Hochschulen der Länder bereit stellen. Aber geht alles gut?

Eigentlich müsste die Abschaffung des Kooperationsverbots klar sein. Denn es gehört sicherlich zu den eigenartigsten Reformen, die Deutschland jemals erlebt hat. „Das Kooperationsverbot ist Mist“, lautet aktuell noch eine der freundlichen Beschreibungen dessen, was man 2006 ins Grundgesetz hineingebastelt hat. So durfte der Bund, als die weltweite Finanzkrise die Banken erschütterte, zwar fünf Milliarden Euro so genannter Schrottprämie für Altautos bezahlen. Einen solchen Investitionsschub in die schrottigen Schulgebäude zu kanalisieren aber war – verboten.

Also musste eigens eine Ausnahme ins Grundgesetz geschrieben werden, um mühsam Geld in Schulen zu tröpfeln. Um das verquere Hilfeverbot zu umgehen, kam die Bildungsministerin auf immer kreativere Ideen: Sie plante zum Beispiel, eine Milliarde Euro an Elternfördervereine zu transferieren, damit diese das Geld an die Schulen der Länder weiterreichen können. Heimliche Taschengeldgeschäfte – das kennt man sonst eher in zerrütteten Ehen.

Die Folgen des Verbots sind fatal. Beispiel Studienplätze: Deutschland braucht dringend mehr Hochqualifizierte, das steht in jeder nationalen und internationalen Studie. Und die Länder in Form der Ständigen Konferenz der Kultusminister entlassen gerade mehrere Doppeljahrgänge an Abiturienten aus den Gymnasien. Gleichzeitig schaffen es die Länder partout nicht, auch genügend Studienplätze bereitzustellen. Der Bund muss geradezu betteln, um den Studierwilligen eine akademische Heimat zu geben. Beispiel Ganztagsschulen: Die schrittweise Abschaffung des Unikums Halbtagsschule gilt vielen Beobachtern als der einzig wirksame Reformhebel, um das im 19. Jahrhundert feststeckende deutsche Schulsystem zu modernisieren. Alle wollen die Ganztagsschule: Eltern, Parteien, Wirtschaft, Wissenschaft, selbst die Schulminister der Länder – aber die Länder können sie schlicht nicht bezahlen; nicht den Umbau, nicht die neuen pädagogischen Konzepte, das zusätzliche Personal schon gar nicht. Laut SPD fehlen den Ganztagsschulen derzeit zehn Milliarden Euro.

Die Reihe ließe sich fortsetzen: Professorenbesoldung, Risikoschüler, Inklusion behinderter Kinder, Laptops und IT für Schulen, überall ist gigantischer, teils vom Bundesverfassungsgericht schon verordneter Reformbedarf. Aber stets stehen die stolzen und/oder bankrotten Bundesländer einer Fortentwicklung im Weg. Deutsche Schulpolitik ist so in eine schizophrene Situation geschliddert: Der Patient Bundesländer will alles machen und bei Schulen auch für alles ganz allein zuständig sein – aber er kann’s halt nicht.

Eigene Unis des Bundes

Die Schizophrenie-Diagnose kommt übrigens von ganz oben. Der Vorsitzende der Telekom-Stiftung, Klaus Kinkel, nicht eben als Staatsfeind Nummer eins bekannt, will die Föderalismusblockade auflösen. Der frühere Außenminister und FDP-Chef hat dazu renommierte Professoren und Bildungsadministratoren für ein Gutachten zusammengerufen. Das Ergebnis: „Wer dem Bund in der Bildung die Kooperation verbietet, der blockiert den Weg zu modernen Schulen von morgen.“ Der Text ähnelt bis in die Wortwahl dem der Forschungsweisen der Bundeskanzlerin. Sie sagen: Die Kultusministerkonferenz sei ein innovationsfeindliches Organ. Und fordern, das Kooperationsverbot abzuschaffen. Sie wollen sogar die Option eigener Bundesuniversitäten, um Anschluss an Welt-Spitzenunis wie Harvard, ETH Zürich oder Oxford zu finden.

Politisch spannend ist, dass Bildung über das Kooperationsverbot wieder zum Machtfaktor wird: Bremser bei einer Föderalismusreform II ist nämlich allein die FDP. Sie will das Verbot nur ein bisschen lockern. Die Frage ist aber: Braucht eine riesengroße Koalition von Schwarz über Rot bis Grün die FDP für die Grundgesetzänderung? Und kann die FDP es sich in ihrem Zustand wirklich leisten, der Bundeshilfe für Schulen im Weg zu stehen? Immerhin finden neun von zehn Bundesbürgern den Föderalismus in der Bildung ätzend.

Christian Füller ist Autor zu Bildungsthemen und bloggt unter pisaversteher.de

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