Die Grünen in der Todeszone

Ökopartei Die Grünen rasen in den Umfragen auf die Fünf-Prozent-Marke zu. Obendrein sabotiert Jürgen Trittin die beiden grünen Spitzenleute
Jürgen Trittin redet immer noch gerne
Jürgen Trittin redet immer noch gerne

Foto: Sean Gallup/Getty Images

6,5 Prozent. So lautet das Menetekel der Grünen. Die Zahl stammt aus der ersten Wahlumfrage für den Bund nach der Vorstellung des grünen Wahlprogramms Anfang der Woche. Sechs Prozent. So lautet das karge Ergebnis der Grünen in der jüngsten Wahldemoskopie aus Nordrhein-Westfalen. Und es gibt noch eine Zahl, diesmal aus dem Saarland, wo kommende Woche gewählt wird: dort pendeln die Grünen zwischen vier und fünf Prozent in den Umfragen.

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Man kann die kassandrahaften Vorschauen auf drei von vier bevorstehenden Wahlen in diesem Jahr auch so zusammenfassen: Die Grünen rasen auf die Fünfprozentmarke zu. Das heißt, sie sind vom parlamentarischen Exodus bedroht – im Bundestag genau wie in zwei wichtigen Landtagen, dem des Signalwahllandes an der Saar und dem des bevölkerungsreichsten Bundeslandes an Rhein und Ruhr.

Demoskopien sind grausam. Und ungerecht. Denn natürlich haben die Grünen mit vielen von dem, was sie Anfang der Woche als ihr Programm für das Wahljahr vorstellten, vollkommen Recht: es gilt, die Elektromobilität auszubauen und den Verkehrsinfarkt zu vermeiden. Es sollte keine Verbrennungsmotoren ab dem Jahr 2030 mehr geben. Und die Bundesrepublik steht vor der ökologischen Transformation von Energie, Landwirtschaft und Flächenfraß. Das Blöde ist, im zugespitzten Gerechtigkeitswahlkampf punkten die Grünen damit nicht. Der unheimliche Sog Richtung Martin Schulz führt zu einem „The Winner Takes It All“-Effekt. Die SPD eilt von Hoch zu Hoch – und gleichzeitig drückt es dabei die beiden möglichen Koalitionspartner Grüne und Linkspartei Richtung Fünfprozent-Marke.

Dazu kommt ein innerparteilicher Führungskonflikt, der verhängnisvoll ist. Jürgen Trittin, der 2013 so krachend gescheiterte Spitzenkandidat der Grünen, tanzt seinen Nachfolgern immer frecher auf der Nase herum. In einem Interview im Tagesspiegel zelebrierte er geradezu eine doppelte Kampfansage an Cem Özdemir und Katrin Göring-Eckardt: er hebelte die Äquidistanz-Strategie der Grünen zu SPD und Union aus – und das Führungsduo gleich mit. Özdemir/Göring-Eckardt rufen das Selbständigkeitsgebot der Partei aus und verzichten bewusst auf eine Koalitionsaussage zugunsten einer anderen Partei. Trittin tut das nicht. „Bei zentralen Themen gibt es“, so Trittin in dem Gespräch, „eine klare Frontstellung zur CDU und CSU“. Damit redet er das schwarz-grüne Farbspiel kaputt – und sorgt für eine self-fulfilling prophecy. Mit jeder knackigen Interview-Aussage von Trittin sinkt der Wert der Grünen, weil sie als zerstritten erscheinen. Der funktionslose Abgeordnete Trittin steht als großer alter Mann der Grünen bei den Journalisten immer noch ganz oben auf dem Zettel. Und Trittin nimmt diese Interviews gerne an. Als im letzten Drittel des Gesprächs im Tagesspiegel die Rede endlich auf die Spitzenleute der Grünen kommt, belehrt Trittin die beiden Pseudo-Spitzenkandidaten, die sich eine schwarz-grüne Option offen halten wollen: „Jetzt geht es um die Frage: Sind wir die Kraft für einen Wechsel und haben die Kraft, die Union nach zwölf Jahren in die Opposition zu schicken?“

Der Stimmen-Magnet Martin Schulz und der illoyale Jürgen Trittin sind es, die den Grünen im Wahljahr den Kopf kosten können. Sacken die Grünen kommende Woche im Saarland unter die Fünf-Prozent-Marke, was wahrscheinlich ist, dann wird die Presse das Halali auf die Grünen anstimmen – egal, wie klein oder unwichtig das Saarland eigentlich ist. Die Grünen würden im Wahlsprint die erste Hürde reißen. Das macht die zweite Hürde nicht niedriger. Es wird spannend – in der grünen Todeszone.

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Geschrieben von

Christian Füller

http://christianfueller.com

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