Sebastian Kurz ist, wie man im Süden sagen würde, ein fescher Kerl. Und ein Idiot ist er auch nicht, der Außenminister Österreichs. Deswegen wollte er sich schlau anstellen, als er jüngst Australiens brutale Abschreckung von Bootsflüchtlingen lobte. Man müsse das Modell nicht eins zu eins kopieren, meinte er. So smart der ÖVP-Politiker auch sein wollte – von Australien kann man nichts über kluge Migrationspolitik lernen. Sie ist nur eins: menschenverachtend.
Australien sei es gelungen, Flüchtlingsströme einzudämmen, lobte Kurz schon vor einiger Zeit. Daran knüpft er nun wieder an, um im medialen Luftkampf mit dem türkischen Präsidenten Recep Erdoğan Punkte für zu Hause zu machen. Kurz’ Kalkül ist, vor der Wiederholung der Präsidentenwahlen in Österreich der rechtspopulistischen bis -radikalen FPÖ Themen wegzunehmen. Wien trotzt dem Sturm der Osmanen und hält Flüchtlinge von Europa fern. Das ist die Botschaft, die Kurz’ Australophilie aussenden will. Es lohnt sich anzuschauen, warum das Modell so furchtbar effektiv ist.
Australien versucht, alle Flüchtlingsboote bereits vor seinen Hoheitsgewässern zurückzuschicken. Sind die Fluchtschiffe zu fragil, setzt die australische Küstenwache die Flüchtenden in Rettungsboote – und weist sie aufs Meer. Selbst, wenn es gelingt, ins Seegebiet Australiens vorzudringen, aufs Festland kommt keiner. Die Flüchtlinge werden in Lager auf den Tausende Kilometer entfernten Inseln Manus und Nauru verschickt. Die Zustände dort sind erbärmlich. Das weiß man längst aus einem alten Regierungsbericht. Vom Guardian geleakte aktuelle Berichte von Dienstleuten und Wachpersonal auf Nauru zeigen, was das Resultat der australischen Politik ist: endemische, systematische Misshandlung von Flüchtlingen. Nauru ist ein Lager des Missbrauchs, viele dort wünschen sich den Tod – und sie versuchen sich wirklich umzubringen. Für sie ist Nauru die Hölle.
Das Leiden der Schwächeren
In den Berichten – alles Protokolle von Vorkommnissen – wird von einem Jungen berichtet, der sich vor Verzweiflung mit Nadel und Faden ein Herz in die Hand nähte. Eine junge Frau wollte mehr als die üblichen zwei Minuten Duschzeit und bekam sie tatsächlich – sofern sie sich von einem Aufseher missbrauchen ließ. Die Macht der Wachleute ist so groß, dass in Nauru alle Abartigkeiten totaler Institutionen entstehen: Korruption, Gewalt, Missbrauch – und das Leiden der Schwächeren. 2.000 Vorkommnisse wurden veröffentlicht, die Hälfte davon betreffen Kinder, obwohl sie nur ein Fünftel der Insassen stellen.
Die Menschen werden, wenn sie denn aus den Zeltstädten heraus kommen, praktisch verkauft. Kambodscha lässt sich 40 Millionen Dollar dafür zahlen, Flüchtlinge aus Nauru aufzunehmen. So sieht staatlich organisierter Menschenhandel aus. Das sind freilich Dinge, die Sebastian Kurz nicht erwähnt. Ihm geht es nicht um Inseln, wie er gern sagt, sondern um Grundprinzipien.
In Deutschland, wo das Reichssicherheitshauptamt einst Millionen Juden nach Madagaskar verbannen wollte, hat die Inselidee schnell Anklang gefunden – bei der AfD. Frauke Petry forderte, auch Bootsflüchtlinge aus dem Mittelmeer auf Inseln zu verbringen. Diese sollten, klar, außerhalb Europas liegen und von der UNO „beschützt“ werden.
So sieht der karge Rest an Menschlichkeit aus, wenn Lager Instrumente praktischer Politik werden. Ein christlich Konservativer hat die Idee eingebracht.
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