Interview Die Vikare Ulrike Garve und Lucas Ludewig entdecken in Star Wars viele christliche Motive. Die wollen sie in einem Gottesdienst in Berlin aufgreifen
der Freitag: Frau Garve, Herr Ludewig, haben Sie nicht Angst, dass sich ältere Kirchenbesucher bei ihrem Star Wars-Gottesdienst vor den vielen Darth Vaders mit ihren Lichtschwerten erschrecken können.
Ulrike Garve: Nein. Es ist ja immer die Frage, was ist Kirche und wofür ist sie da. Kirche ist ein Ort zum Innehalten, zur Ruhe, das stimmt. Aber sie ist auch ein Ort des Feierns – und das ist nicht nur leise. Wir machen mit unserem Gottesdienst ein Experiment, wir verlassen die gewohnten Bahnen. Außerdem wissen alle Bescheid, der Gottesdienst ist seit langem angekündigt.
Lucas Ludewig: Das Angebot in unserer Gemeinde ist groß . Parallel finden zur gleichen Zeit zwei normale Advents-Gottesdienste statt. Und wir spielen ja nicht Krieg, sondern feiern einen Got
Lucas Ludewig: Das Angebot in unserer Gemeinde ist groß . Parallel finden zur gleichen Zeit zwei normale Advents-Gottesdienste statt. Und wir spielen ja nicht Krieg, sondern feiern einen Gottesdienst. Die Kirche ist kein abgetrennter Ort, sie ist Teil der Gesellschaft, wo Gemeinschaft gefeiert wird. Sie ist den Marktplätzen der Antike nachempfunden, wo immer viel Trubel war. Wir probieren etwas Neues und freuen uns, wenn neue Leute kommen."Star Wars ist ja nicht nur ein Actionfilm, da steckt viel mehr drin, auch Theologisches." Sie beten das Imperium an.Garve: Nein, das wird ein weitgehend normaler Gottesdienst, allerdings mit einem Thema. In Gebeten und Liedern nehmen wir Motive aus Star Wars auf. In der Predigt werden wir uns mit den Fragen befassen, die der Film aufwirft. Das ist ja nicht nur ein Actionfilm, da steckt viel mehr drin, auch theologisch.Trotzdem, Sie machen Werbung für den Film.Garve: Ich habe da ehrlich gar nicht dran gedacht, es hat mich nicht interessiert. Ich würde mir dadurch aber auch nicht verbieten lassen wollen, die wichtigen Fragen anzusprechen, um die es in dem Film geht: Zum Beispiel, wie gehen wir mit einem Imperium um?Ludewig: Die kleine Zionskirche vergrößert den Milliarden-Hype um Star Wars gewiß nicht. Ganz im Gegenteil. Wir hinterfragen die Motive des Films. Er hat ja viele interessante theologische Bezüge. Ulrike Garve und ich sind beide Fans der Serie, wir haben viel darüber gesprochen und haben dabei gemerkt, wie viele christliche Motive in dem Film zentral sind.Das Gute und Böse?Ludewig: Zum Beispiel diese Dialektik. Wie geht man damit um, dass man von der Sünde befreit ist, aber ja weiter fehlerhaft durchs Leben läuft. Die Situation, die Luke Skywalker im Film erlebt, betrifft uns alle. Wir sind nicht per se böse oder gut, wir müssen uns entscheiden, was wir sein wollen. Luke weiß, dass es einen dunklen Teil in ihm gibt. Er macht eine Entwicklung durch – und entscheidet sich, seinen Vater nicht zu töten, also böse zu sein. Er wirft sein Lichtschwert weg und nimmt den Tod in den Kauf."Luke Skywalker weigert sich, der dunklen Seite der Macht anzugehören. An diesem Beispiel wollen wir den Menschen zeigen, dass es sich lohnt, mit sich zu ringen – und sich für das Gute zu entscheiden."Garve: Und er sagt vorher zu seinem Vater, „bekehre Dich wieder zum Guten“. Das ist ein zutiefst christliches Motiv, bis in die Wortwahl hinein. Luke weigert sich, der dunklen Seite der Macht anzugehören. Er ringt mit sich, dieses Ringen ist für uns ein wichtiges Moment. Wir wollen den Menschen zeigen, dass es sich lohnt, mit sich zu ringen – und sich für etwas Gutes zu entscheiden. Wir haben es selbst in der Hand.Ludewig: Es gibt eine Bibelstelle, die wörtlich dazu passt. Im Römerbrief heißt es: „Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem"...Garve: … und diese Formel hat eine eminent politische Bedeutung.Ist es wirklich gut, wenn Kirche Politik macht?Garve: Sie macht es sowieso, auch wenn sie es nicht will. Im Römerbrief gibt es die Aussage, die Obrigkeit ist gut und von Gott eingesetzt. Es gilt, sich ihr zu unterstellen.Ludewig: In der Tat ist diese Stelle theologisch wichtig. Denn sie stammt aus einer Zeit, in der die Kirche nicht Staatsreligion war, sondern eine Minderheitsreligion. Später hat dieser Satz viel Spannung erzeugt, denken Sie an den Nationalsozialismus oder die südamerikanische Befreiungsbewegung. Da spielte es immer einer Rolle, wie gehe ich damit um, dass ich mich unter die Obrigkeit stellen soll – es mir meine christlichen Werte aber verbieten.Garve: Wir thematisieren die politische Bedeutung, dass es nämlich sein kann, dass man einem Imperium Widerstand leistet.Die Kirche ist doch eher ein Ort des Gehorsams.Garve: Ja, das sagt auch Dietrich Bonhoeffer, der in der Zionskirche eine Zeit lang gewirkt hat. Bonhoeffer predigt den Gehorsam bis zu einem gewissen Punkt – an dem es nötig sein kann, dem Rad, also dem Staat, in die Speichen zu fallen. Diese Frage wird in Star Wars mit dem Imperium, dem Senat, der Rebellion und so weiter verhandelt. Wir können an dieser Stelle Jugendlichen deutlich machen, dass das keine cineastische Frage ist, sondern eine reale, die uns alle betreffen kann."Wir müssen den Staat immer wieder danach fragen, ob er sein Handeln verantworten kann." Ludewig: Bonhoeffer fordert uns dazu auf, immer wachsam zu sein und nachzudenken. Die Kirche, also wir, sagt Bonhoeffer, können „den Staat immer wieder danach fragen, ob sein Handeln von ihm als legitimes staatliches Handeln verantwortet werden kann“. Das ist sehr aktuell – nicht nur wegen des Kampfs gegen den Imperator und die dunkle Seite der Macht. Das muss immer diskutiert werden, denn es ist nicht festgelegt. Das ist genau für die Zionskirche, in der wir feiern, wichtig gewesen. Hier war die Umweltbibliothek, in der sich Christen trafen, um darüber zu sprechen, wann der Widerstand gegen das SED-Regime beginnen muss. Widerstand kann in jedem Moment eine aktuelle Frage werden.Meinen Sie damit auch, dass wir uns gegen den Islamischen Staat auflehnen sollen?Garve: Ich halte es da eher mit dem Römerbrief. Schlage und bekriege das Böse nicht, sondern „überwinde es mit dem Guten“.Ist das jetzt ein Plädoyer für den Kurs Angela Merkels?Ludewig: Wir machen keine Parteipolitik, es geht um den Blick auf das Ganze. Und da hat Angela Merkel – zumindest innenpolitisch – einen friedlichen Weg gewählt, indem sie christliche Gastfreundschaft angeboten hat. Garve: Um es mit Bonhoeffer zu sagen: „Die Kirche ist den Opfern jeder Gesellschaftsordnung verpflichtet, auch wenn sie nicht der christlichen Gemeinde zugehören.“ Die muslimischen Flüchtlinge aus Syrien und anderen Ländern aufzunehmen ist eine christliche Haltung. Luke Skywalker ist ja nicht immer so freundlich. Er tötet viele – bis er auf seinen Vater trifft.fLudewig: Es gibt eben nicht schwarz und weiß in Reinform. Wir müssen uns entscheiden...Garve: … und Gott hilft uns dabei. Er schaut hinter die Maske, die Darth Vader und viele von uns vor sich hertragen. Er sieht das Herz an, er findet hinter der Maske noch etwas Menschliches und Gutes. Er hilft uns, das Gute in uns zu entdecken – und uns dafür zu entscheiden.Aber Sie laden ihre Besucher jetzt ein, sich zu verkleiden und zu maskieren.Garve: Ja, weil wir es gut finden, wenn es mal bunter ist in den sonst so preußischen, protestantischen und ernsthaften Gottesdiensten. Es soll auch Spaß machen. Das ist ja etwas, was die evangelische Kirche ruhig wieder entdecken kann: das Lebhafte und Fröhliche. Wir wollen uns also die Vorfreude auf den Film und auf das Weihnachtsfest nicht nehmen lassen. Auch das ist ja ein gemeinsames Motiv."Im Januar wird es noch einen Star Wars-Gottesdienst geben - in einem armen Kreuzberger Kiez."Sie wollen sogar Ausschnitte aus Star Wars zeigen?Ludewig: Ja, das tun wir. Lassen Sie sich überraschen.Gerne. Darf ich fragen, warum Sie den Gottesdienst ausgerechnet in Berlin-Mitte machen. Da, wo sich die Eltern teure Star Wars-Kostüme für ihre Kinder leisten können.Garve: Das ist eine simple Terminfrage. Den gleichen Gottesdienst wird es am 17. Januar um 17 Uhr in der Melanchthon-Kirche geben.Ludewig: Teile dieser Gemeinde in Kreuzberg-Mitte liegen in einem Kiez, der zu den ärmsten in ganz Berlin zählt.
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