Mitstreiter und dumme Buben

DiEM25 Will Yanis Varoufakis mit seiner Bewegung Erfolg haben, muss er potenzielle Verbündete integrieren, anstatt sie zu verprellen
Ausgabe 13/2016
Warum soll eine linke Bewegung nicht auch mal cool aussehen?
Warum soll eine linke Bewegung nicht auch mal cool aussehen?

Foto: Christopher Furlong/Getty Images

Nicht jeder versteht ihn. Wenn Yanis Varoufakis zu schwungvollen, mäandernden Suaden über Europas Ökonomie anhebt, dann verlieren viele schon nach der zweiten Abzweigung den Faden. So auch jetzt wieder in Rom, wo seine europäische Demokratiebewegung DiEM tagte. Wo, um Himmels willen, sollen die gigantischen Investitionen herkommen, die Europas kleptokratische Kranke-Männer-Staaten Griechenland, Italien, Spanien und so fort heilen könnten? Und was, verflixt, ist ein „green new deal“, wenn es da nie um Klima, Kohle und Kraftwerke geht? Aber egal, Varoufakis ist eben sexy. Wann gab es das zuletzt, dass ein Linker nicht nur komplizierte ökonomische Vorträge halten, sondern auch Motorrad fahren und Piano spielen konnte? Yanis Varoufakis ist eine charismatische Leitfigur.

Und der Mann, der sich mit den Finanzministern derart balgte, dass dieses Finanzeuropa zu zerbrechen drohte, ausgerechnet dieser Mann ist ein Europäer. Man mag sich darüber mokieren, dass Varoufakis vor allem (per Stream zugeschaltete) Superprominente wie Julian Assange und (stets anwesende) linke wie attraktive Frauen um sich schart. Aber warum soll eine linke Bewegung nicht auch mal gut aussehen?

Wesentlich ist, dass sich seit Varoufakis’ Aufstand gegen verbindliche Rückzahlungsvereinbarungen mit der EU so etwas wie ein paneuropäischer Fanclub um ihn herum gebildet hat. Er problematisiert, was von Athen bis Porto alle angeht: Europa, beginnend mit der Montanunion über die Römischen Verträge bis zum Euro, ist ein notwendiges Friedensprojekt, dem es an zweierlei mangelt, um alle hinreichend glücklich zu machen. Erstens: Demokratie. Zweitens: Transparenz. Das sind nicht die Themen des griechischen Ex-Finanzministers, das sind unsere Themen. Europa demokratisiert sich – oder es löst sich auf. So lautet das Leitmotiv von Demokratie in Europa, kurz DiEM. Und: Es stimmt!

Yanis Varoufakis’ große Schwäche, und damit die seiner Bewegung, besteht darin, dass es seinem Bündnis an erfahrenen Europäern mangelt. Das hat damit zu tun, dass der große athenische Europäer nicht nur Schäuble und Journalisten bisweilen wie dumme Buben behandelt, sondern auch potenzielle Mitstreiter, die mehr Qualität und auch mehr Quantität mitbringen können (und müssen). Sven Giegold zum Beispiel hat sich an Europas Demokratiedefizit mindestens so energisch abgearbeitet. Giegold hat ein wichtiges Papier zu den demokratischen Unzulänglichkeiten geschrieben. Aber seine Ideen wurden in den Corpus der Demokratisierungsbewegung nicht etwa integriert, der ehemalige Attac-Aktivist musste sich von Varoufakis als lichtscheuer Eurokrat beleidigen lassen. Das war frech – und dumm.

Varoufakis’ Umgang mit Giegold offenbart nicht allein menschliche Schwächen des großen Yanis, er weist auf ein strategisches Defizit: Als er Europas Finanzministern die Stirn bot, verlieh ihm das die Anmutung eines Robin Hood – und mehrte seine Popularität. Nun aber ist er kein Finanzminister mehr und kein origineller Autor, sondern ein Volkstribun, der eine Bewegung kreieren will. Er muss junge wie erfahrene Europäer integrieren, Mezzogiorni genau wie reiche Ländle. Da sind Bündnisqualitäten gefordert, keine Distinktionsallüren. Europa braucht eine starke demokratisierende Bewegung, die Schweden, Italiener und Deutsche gleichermaßen anzieht. Da wären voreilige Ausgrenzungen erfahrener Mitstreiter kein guter Anfang.

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Geschrieben von

Christian Füller

http://christianfueller.com

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