Dieser Auftritt wird kein leichter sein. Dachte man, als Christian Lindner, Supermann der FDP, Anfang der Woche in einem bekannten Berliner Kunsthaus ein privates Stelldichein absolvierte. Als solches jedenfalls war es gekennzeichnet. Private Begegnung nur wenige Wochen vor der Wahl? Mit dem Mann, der die implodierte FDP in einem langen, auch schmerzhaften Marsch wieder in Parlamente und Regierungen führt? Die Gäste des ausgesuchten Ambientes im Nikolaiviertel kamen aus Interesse für ein Thema, das ihnen am Herzen liegt. Das Kulturgutschutzgesetz ist ihnen ein Dorn im Auge. Im Kern regelt das Gesetz, dass Kunstwerke ohne Herkunftsnachweis in Deutschland nicht gehandelt werden können. Das Gesetz hat für einiges Aufsehen gesorgt, als Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) es 2016 auf den Weg brachte. Es betreffe nicht nur Superreiche und Kunstspekulanten, schimpfte die Zeit nach seinem Inkrafttreten: „Es stellt einen tiefen staatlichen Eingriff dar in einen Bereich der Zivilgesellschaft, der bisher durch Freiheit und Freiwilligkeit geprägt gewesen ist.“
Christian Lindner absolvierte die Causa Kulturgutschutzgesetz elegant und vor allem schnell. Das Gesetz verbanne (er betont stark) bestimmte Kulturgüter vom deutschen Markt. Er werde sich daher, sagte er knapp – sollte er mit der FDP an Koalitionsverhandlungen teilnehmen –, dafür einsetzen, dass das Gesetz wieder aufgehoben wird. So leicht ließ ihn sein Moderator, der Chefredakteur der Bild-Zeitung, Julian Reichelt, freilich nicht davonkommen. Wie genau das passieren solle, wollte Reichelt wissen. Nun appellierte der FDP-Vorsitzende an die Vernunft. Die Einsicht werde – sofern es überhaupt zu einer schwarz-gelben Konstellation komme, gemahnte Lindner! – helfen zu verstehen, dass dieses Gesetz gar nicht praktikabel sei. Sofern Koalitionsgespräche eine andere Ratio als die machiavellistische kennen, mag Lindner wohl eine Art imperatives Mandat aus dem Kunsthaus mitgenommen haben. Ein sehr weiches freilich.
Die Kunst-Passage mag vielleicht fünf Minuten gedauert haben. Eingebettet war sie in weitere 40 Minuten, nun ja, privaten Gesprächs vor etwa 100 geladenen Gästen. Lindner war der Profi, der er ist. Er wusste, was er sagen musste vor seiner präsumtiven Kernklientel. Seine und die Werte des Publikums treffen sich ohnehin aufs Vorzüglichste. Die Große Koalition bewerfe jedes Problem mit Paragrafen, sagte er. Sie produziere Gesetze am laufenden Band. Und die Opposition, sie störe sich nicht etwa daran, sondern wolle noch mehr Gesetze. Dafür bekam Lindner keinen Applaus, aber einiges wohlwollendes Nicken.
Plötzlich aber schien es, als wollte sich Die Nacht, eine Skulptur aus weißem Carraramarmor, die Augen bedecken. Denn nun lud Reichelt, der junge, immer gewagte Chef der Bild-Chefredakteure, im Kunsthaus die Anarchie ein, Platz zu nehmen. Die „Rote Flora“ und „die Rigaer“ wurden selbstverständlicher Gesprächsgegenstand, gerade so, als wäre hier das linksradikale Plenum des Mehringhofes versammelt. Aber nein, alle wussten sofort Bescheid. Lindner konnte nun seinen stärksten Beifall verbuchen. Die Rote Flora müsse geräumt werden, keine Frage. Räumen! Das preußische Porzellan wackelte ein bisschen, ein feines Lächeln huschte über Lindners gepflegten Dreitagebart. Die neue FDP sei nicht einfach laisser faire, sagte er leise. „Wir sind eine ‚Law and order‘-Partei. Und zwar dann, wenn die Freiheit des Individuums durchgesetzt werden muss.“ Das Private ist eben politisch. Das weiß auch die FDP.
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