Steuern runter!

Einkommensverteilung Wichtige internationale Forscher sehen die Mittelschicht als den großen Verlierer bei den Einkommenszuwächsen. Sie direkt zu entlasten ist aber gar nicht so einfach
Führt die kleinen Leute an der Nase herum: Donald Trump
Führt die kleinen Leute an der Nase herum: Donald Trump

Bild: Bill Pugliano/Getty Images

Was haben Donald Trump, Markus Söder und Carsten Linnemann gemeinsam? Sie wollen die unteren und mittleren Steuerzahler entlasten. Jedenfalls behaupten sie das. Der CDU-Mittelstandssprecher Linnemann will für Einkommen ab knapp 14.000 Euro (jährlich) die Steuer kappen. Auch Bayerns Finanzminister Söder hat die Absicht erklärt, die Geringverdiener günstiger zu stellen. Und der US-Präsidentschaftskandidat Trump sprach sogar von einer Nullsteuer für kleine Einkommen. Trump&Co haben das Problem des kleinen Mannes kapiert, könnte man sagen. Das Blöde ist: sie lassen bei ihren Steuerversprechen die wichtigste Information unter den Tisch fallen. Das heißt sie schwindeln – und zwar alle drei.

Die Mittelschicht bezieht, je nach Definition, Einnahmen zwischen 25.000 und 60.000 Euro jährlich. Als die mittleren zu versteuernden Einkommen gelten Werte zwischen 30.000 bis 35.000 Euro. Entlastungen für diese Mittelschicht gelten als das Mantra wichtiger Sozialforscher. Gerade weil sich die nervösen mittleren Einkommensbezieher in vielen westlichen Ländern populistischen oder gar autoritären Parteien zuwenden, gilt die Regel: Die harten Malocher der Mitte sollen materiell spüren, dass man sie wieder ernst nimmt. Das Problem von Steuerentlastungen freilich ist: Den größten Nutzen von Steuersenkungen und Tarifabflachungen unten haben erneut jene, die oben rangieren, die Gut- und Spitzverdiener.

Das ist der Schwindel, den Trump, Linnemann und auch Söder betreiben. Sie reden darüber, den kleinen Leuten und auch den Einkommensbeziehern bis 60.000 Euro Lasten von den Schultern zu nehmen. Aber sie schweigen davon, dass das de facto einer Steuersenkung für alle gleich kommt.

Wenn man zur Entlastung der unteren und mittleren Einkommen die Steuersätze im Eingangsbereich des Tarifs reduziert, sinken die Steuerbelastungen der Mittelschichten deutlich“, klärt Stefan Bach, Steuerexperte des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung auf. „Absolut in Euro profitieren davon aber die Hochverdiener am stärksten, denn die zahlen dann ja auch geringere Grenzsteuersätze im unteren und mittleren Tarifbereich. Dadurch geht ein Großteil der Steuerausfälle an die reichsten 20 Prozent.“

Bach weiß auch, wie man es hinbekommen könnte, eine Steuerentlastung zielgenau auf die Einkommen um die 40.000 Euro zu beschränken – und nicht etwa an Gutverdiener zu verschenken. „Wenn man das nicht will, muss man gleichzeitig die Spitzensteuersätze erhöhen. Das reduziert dann auch die Steuerausfälle.“

Dass es eine Entlastung oder bessere Möglichkeiten des Zugewinns für die Mittelschichten geben muss, das haben zwei renommierte internationale Forscher erst jüngst eindrucksvoll nachgewiesen. Der aus Serbien stammende US-Ökonom Branko Milanovic („Global Inquality“) stellte fest, dass die Mittelschichten des Westens seit 25 Jahren keine Zugewinne erzielen konnten. Milanovic sieht als die großen Gewinner die Mittelschichten der Schwellenländer – und die Superreichen. Sie konnten ihre Einkommen um 80 Prozent steigern (Mittelstand Schwellenländer) oder um über 60 Prozent vergrößern (Top-Verdiener im Westen). Leer ausgegangen sind die Fabrikarbeiter, mittleren Angestellten und Selbständigen in den Industrieländern. Sie sind es auch, die in den USA, Frankreich, England und Deutschland zuletzt den einfachen Parolen von rechts-populistischen oder rechten Parteien erlegen sind.

Der ehemalige Arbeitsminister der Clinton-Administration, Robert Reich, hat diese Werte für die USA konkretisiert. Danach verdiente der typische Mittelschichtshaushalt im Jahr 2013 rund 51.000 Dollar – und damit weniger als 25 Jahre zuvor. „Kurz gesagt, ein Gutteil der amerikanischen Mittelschicht ist ärmer geworden“, schreibt Reich in „Rettet den Kapitalismus“. Auch das DIW hat jüngst berechnet, dass der Anteil der Bezieher mittlerer Einkommen in Deutschland zurückgegangen ist. Zur Mittelschicht rechnet das DIW Haushaltseinkommen zwischen 32.000 und 96.000 Euro.

Die Grünen hatten zuletzt vorgeschlagen, dass die Steuern für Haushaltseinkommen von bis zu 100.000 Euro von den geplanten grünen Steuererhöhungen verschont bleiben sollen. Man darf gespannt sein, ob den Grünen noch etwas einfällt, die Mittelschicht nicht nur zu schonen, sondern sie auch aktiv zu fördern – durch gezielte Steuerentlastungen.

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Geschrieben von

Christian Füller

http://christianfueller.com

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