Zuckerbergs Ja wird die Onlinewelt verbessern

Debattenkultur Der Facebook-Gründer sagt zu, dass das soziale Netzwerk Hatespeech wirksamer verfolgen wird. Das könnte heilsame Konsequenzen für viele virtuelle Räume haben
Wie viel Geld wird Mark Zuckerberg in die Hand nehmen, um die Debattenkultur bei Facebook zu verbessern?
Wie viel Geld wird Mark Zuckerberg in die Hand nehmen, um die Debattenkultur bei Facebook zu verbessern?

Foto: Josh Edelson/AFP/Getty Images

Es sind nur wenige Sätze, aber sie machen einen Unterschied. Facebook-Gründer Mark Zuckerberg hat sie im Gespräch mit Bundeskanzlerin Angela Merkel gesagt. „Ich denke, wir müssen daran arbeiten“, meinte der Chef des 1,5-Milliarden-Nutzer-Netzwerks, als ihn die Kanzlerin auf Hatespeech bei Facebook ansprach. Merkel hakte sogleich nach. Das heiße, Facebook werde die Situation verbessern, wollte sie wissen. Daraufhin sagte Zuckerberg „Ja“. Das zufällig eingeschaltete Tischmikrofon machte aus dem persönlichen Plausch Zuckerbergs mit der Kanzlerin eine politische Botschaft, und das vor den Vereinten Nationen: Ja, wir haben ein Problem mit deutschen Hassparolen – das wir abstellen müssen.

Facebook verfolgt – das heißt: löscht – zwar nackte Haut und Brustwarzen ohne Pardon. Ein Tribut an die Prüderie im Facebook-Land US-Amerika. Aber rassistische Beleidigungen auf deutsch verstoßen häufig nicht gegen die so genannten Gemeinschaftsstandards. Diese Parolen werden daher nicht von den Moderatoren des Netzwerks entfernt. Bislang verneinten Facebook-Verantwortliche stets die Notwendigkeit zum Handeln, nun hat der Chef des Netzwerks sie bejaht. Es wäre falsch, dass als unverbindlichen und unkonkreten Satz abzutun. Denn die Diskussion mit der Facebook-Welt beginnt in dem Moment, da Mark Zuckerberg sie legitimiert. Also jetzt.

Im Verlauf dieser Debatte, die dieser Tage in der Task-Force von Justizministerium und Facebook sehr konkret werden wird, stehen nun alle Themen und Regulationsformate offen. Zum Beispiel das Phantasma der Gegenrede, wie sie bisher von Facebook ins Gespräch gebracht wurde. Selbstverständlich ist Gegenrede gegen rassistische Äußerungen nötig, keine Frage. Nur, auf welches Niveau muss man beim Argumentieren gegen Rassisten und Dummköpfe eigentlich hinunter steigen? Soll man einem „Heil Hitler!“ sachlich widersprechen? Für jedes Gespräch – völlig egal ob offline oder online – gilt, dass man Entgleisungen, Schmähungen und Drohungen nicht diskutiert, sondern die Arena verlässt.

Das bedeutet, übersetzt in den Diskursraum von Facebook: Äußerungen im Sinne von Hatespeech sind nicht Grundlage eines Dialogs, sondern sie müssen sanktioniert werden, das bedeutet auch: gelöscht werden. Es muss allen klar werden: Die Debatte beginnt woanders. Diese untere Grenze endlich zu benennen, ist der Job von Facebook. Den Diskurs, das haben die Aufschreie und Widerreden von Til Schweiger über Anja Reschke bis hin zu Katrin Göring-Eckardt und vielen namenlosen Facebookern gezeigt, kann die Commmunity dann schon alleine führen.

Nun kommt es darauf an, eine Arbeitsteilung mit Facebook zu verabreden, in der die untere Grenze des Diskursfähigen definiert – und durchgesetzt wird. In ihr gibt es zwei Akteure: Erstens, Facebook, und zweitens den Staat. Zunächst muss Facebook seinen eigenen Gemeinschaftsstandards endlich auch für andere Kulturräume als dem der USA Leben einhauchen. Das bedeutet zum Beispiel, Nazivokabular als nicht tolerabel zu ächten. Facebook wird verstehen, dass es dazu in Österreich und Deutschland, ganz allgemein im deutschen Sprachraum einer anderen Sensibilität bedarf. Dabei geht es übrigens nicht nur um Sprache und Ethos – sondern um Manpower, um Leute, die das professionell umsetzen. Facebook muss so viele Moderatoren, böse gesagt, ans Ausmisten schicken, wie man eben braucht, um 30 Millionen deutschen Nutzern die Fallhöhe aufzuzeigen, die ihre Kommentare haben müssen, um als Beitrag zum Diskurs zu gelten. Dazu müssen die Moderatoren definitiv besser deutsch können als bisher. Und wohl auch in Deutschland sitzen und nicht in einem billigen online-Center in Irland oder Indien. Wie viele Moderatoren Facebook braucht, wird man dann sehen. Sind es 8.000, wie manche meinen, oder sind es weniger?

Die Polizei und die Staatsanwaltschaften haben bereits begonnen, die strafrechtliche Linie von Schmähkritik und Volksverhetzung auch bei Facebook zu verdeutlichen. Nun ist Facebook an der Reihe. Und es wird Zeit, dass gerade die Linken und Libertären sich nicht mehr hinter vermeintlicher Zensur verstecken. Ist es nicht so, dass gerade in linken Diskursen eine Unmenge von Sprechgeboten und Tabus gelten – ohne dass irgendjemand an Metternich oder die Karlsbader Zensurbeschlüsse denken würde? Niemand will staatliche Zensoren beispielsweise des Verfassungsschutzes an die Facebook-Rechner setzen. Auch der Kommunikationsraum Fußballplatz lässt ja nicht jede Aktion oder Äußerung zu. Diejenigen, die das überwachen, heißen Schiedsrichter – und nicht Zensoren. Haben sie den Fußball abgeschafft oder hat es ihm geschadet? Selbstverständlich nicht, es nutzt ihm, und die Standards werden übrigens immer neu diskutiert.

Das kleine Ja-Wort von Mark Zuckerberg ist übrigens deswegen so bedeutsam, weil das bei weitem größte soziale Netzwerk nun die Führung übernommen hat. Wenn der Marktführer sich auf kultursensible Gesprächsregeln und ihre wirksame Sanktionierung einlässt, dann stehen die Türen für einen sozialen Kodex auf allen Plattformen offen – ganz egal, ob es Chats wie Knuddels sind, virtuelle Räume wie Habbo-Hotel, online-Games oder auch nur Messenger-Dienste wie Kik. Das Hass- und Grooming-Problem herrscht überall in der virtuellen Welt, das wissen auch alle, die sich dort bewegen und kommunizieren. Es wäre gut, wenn endlich ein paar zuverlässige Schiedsrichter dort das Selbstverständliche jedes Diskurses durchsetzen helfen. Das Ja von Zuckerberg gibt es dazu jetzt.

Der digitale Freitag

Mit Lust am guten Argument

Geschrieben von

Verändern Sie mit guten Argumenten die Welt. Testen Sie den Freitag in Ihrem bevorzugten Format — kostenlos.

Print

Die wichtigsten Seiten zum Weltgeschehen auf Papier: Holen Sie sich den Freitag jede Woche nach Hause.

Jetzt kostenlos testen

Digital

Ohne Limits auf dem Gerät Ihrer Wahl: Entdecken Sie Freitag+ auf unserer Website und lesen Sie jede Ausgabe als E-Paper.

Jetzt kostenlos testen

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Unabhängiger und kritischer Journalismus braucht aber Unterstützung. Wir freuen uns daher, wenn Sie den Freitag abonnieren und dabei mithelfen, eine vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Dafür bedanken wir uns schon jetzt bei Ihnen!

Jetzt kostenlos testen

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden