Es sind nur wenige Sätze, aber sie machen einen Unterschied. Facebook-Gründer Mark Zuckerberg hat sie im Gespräch mit Bundeskanzlerin Angela Merkel gesagt. „Ich denke, wir müssen daran arbeiten“, meinte der Chef des 1,5-Milliarden-Nutzer-Netzwerks, als ihn die Kanzlerin auf Hatespeech bei Facebook ansprach. Merkel hakte sogleich nach. Das heiße, Facebook werde die Situation verbessern, wollte sie wissen. Daraufhin sagte Zuckerberg „Ja“. Das zufällig eingeschaltete Tischmikrofon machte aus dem persönlichen Plausch Zuckerbergs mit der Kanzlerin eine politische Botschaft, und das vor den Vereinten Nationen: Ja, wir haben ein Problem mit deutschen Hassparolen – das wir abstellen müssen.
Facebook verfolgt – das heißt: löscht – zwar nackte Haut und Brustwarzen ohne Pardon. Ein Tribut an die Prüderie im Facebook-Land US-Amerika. Aber rassistische Beleidigungen auf deutsch verstoßen häufig nicht gegen die so genannten Gemeinschaftsstandards. Diese Parolen werden daher nicht von den Moderatoren des Netzwerks entfernt. Bislang verneinten Facebook-Verantwortliche stets die Notwendigkeit zum Handeln, nun hat der Chef des Netzwerks sie bejaht. Es wäre falsch, dass als unverbindlichen und unkonkreten Satz abzutun. Denn die Diskussion mit der Facebook-Welt beginnt in dem Moment, da Mark Zuckerberg sie legitimiert. Also jetzt.
Im Verlauf dieser Debatte, die dieser Tage in der Task-Force von Justizministerium und Facebook sehr konkret werden wird, stehen nun alle Themen und Regulationsformate offen. Zum Beispiel das Phantasma der Gegenrede, wie sie bisher von Facebook ins Gespräch gebracht wurde. Selbstverständlich ist Gegenrede gegen rassistische Äußerungen nötig, keine Frage. Nur, auf welches Niveau muss man beim Argumentieren gegen Rassisten und Dummköpfe eigentlich hinunter steigen? Soll man einem „Heil Hitler!“ sachlich widersprechen? Für jedes Gespräch – völlig egal ob offline oder online – gilt, dass man Entgleisungen, Schmähungen und Drohungen nicht diskutiert, sondern die Arena verlässt.
Das bedeutet, übersetzt in den Diskursraum von Facebook: Äußerungen im Sinne von Hatespeech sind nicht Grundlage eines Dialogs, sondern sie müssen sanktioniert werden, das bedeutet auch: gelöscht werden. Es muss allen klar werden: Die Debatte beginnt woanders. Diese untere Grenze endlich zu benennen, ist der Job von Facebook. Den Diskurs, das haben die Aufschreie und Widerreden von Til Schweiger über Anja Reschke bis hin zu Katrin Göring-Eckardt und vielen namenlosen Facebookern gezeigt, kann die Commmunity dann schon alleine führen.
Nun kommt es darauf an, eine Arbeitsteilung mit Facebook zu verabreden, in der die untere Grenze des Diskursfähigen definiert – und durchgesetzt wird. In ihr gibt es zwei Akteure: Erstens, Facebook, und zweitens den Staat. Zunächst muss Facebook seinen eigenen Gemeinschaftsstandards endlich auch für andere Kulturräume als dem der USA Leben einhauchen. Das bedeutet zum Beispiel, Nazivokabular als nicht tolerabel zu ächten. Facebook wird verstehen, dass es dazu in Österreich und Deutschland, ganz allgemein im deutschen Sprachraum einer anderen Sensibilität bedarf. Dabei geht es übrigens nicht nur um Sprache und Ethos – sondern um Manpower, um Leute, die das professionell umsetzen. Facebook muss so viele Moderatoren, böse gesagt, ans Ausmisten schicken, wie man eben braucht, um 30 Millionen deutschen Nutzern die Fallhöhe aufzuzeigen, die ihre Kommentare haben müssen, um als Beitrag zum Diskurs zu gelten. Dazu müssen die Moderatoren definitiv besser deutsch können als bisher. Und wohl auch in Deutschland sitzen und nicht in einem billigen online-Center in Irland oder Indien. Wie viele Moderatoren Facebook braucht, wird man dann sehen. Sind es 8.000, wie manche meinen, oder sind es weniger?
Die Polizei und die Staatsanwaltschaften haben bereits begonnen, die strafrechtliche Linie von Schmähkritik und Volksverhetzung auch bei Facebook zu verdeutlichen. Nun ist Facebook an der Reihe. Und es wird Zeit, dass gerade die Linken und Libertären sich nicht mehr hinter vermeintlicher Zensur verstecken. Ist es nicht so, dass gerade in linken Diskursen eine Unmenge von Sprechgeboten und Tabus gelten – ohne dass irgendjemand an Metternich oder die Karlsbader Zensurbeschlüsse denken würde? Niemand will staatliche Zensoren beispielsweise des Verfassungsschutzes an die Facebook-Rechner setzen. Auch der Kommunikationsraum Fußballplatz lässt ja nicht jede Aktion oder Äußerung zu. Diejenigen, die das überwachen, heißen Schiedsrichter – und nicht Zensoren. Haben sie den Fußball abgeschafft oder hat es ihm geschadet? Selbstverständlich nicht, es nutzt ihm, und die Standards werden übrigens immer neu diskutiert.
Das kleine Ja-Wort von Mark Zuckerberg ist übrigens deswegen so bedeutsam, weil das bei weitem größte soziale Netzwerk nun die Führung übernommen hat. Wenn der Marktführer sich auf kultursensible Gesprächsregeln und ihre wirksame Sanktionierung einlässt, dann stehen die Türen für einen sozialen Kodex auf allen Plattformen offen – ganz egal, ob es Chats wie Knuddels sind, virtuelle Räume wie Habbo-Hotel, online-Games oder auch nur Messenger-Dienste wie Kik. Das Hass- und Grooming-Problem herrscht überall in der virtuellen Welt, das wissen auch alle, die sich dort bewegen und kommunizieren. Es wäre gut, wenn endlich ein paar zuverlässige Schiedsrichter dort das Selbstverständliche jedes Diskurses durchsetzen helfen. Das Ja von Zuckerberg gibt es dazu jetzt.
Kommentare 5
Ich wundere mich über die Naivität des Authors. Die Forderung nach zensierender Moderation impliziert bei der Menge an Input die Facebook von den Usern aufnimmt einen automatischen Prozess. Es ist nicht vorstellbar, dass Menschen diese Menge kritisch überwachen könnten. Die Konsequenzen automatischer Prozesse hingegen dürften ziemlich umfangreich sein und wieder stellt sich dann die Frage ob es wirklich solche Fragen sind an denen AI sich entfalten soll.
Sicherlich kann man an konkreten Posts eine Debatte entfalten die würdig ist. Skalieren kann man solche Ansprüche allerdings nicht ohne höchst problematische Kollateralschäden. Vielleicht sollten wir uns alle mal ein bisschen vorsichtiger mit der totalitären Anwendung von Idealen verhalten.
Es muss allen klar werden: Die Debatte beginnt woanders.
Das würde implizieren, den Leuten, die faschistische Ideologie in die sozialen Netzwerke tragen, ginge es um Debatte. Das ist so naiv, dass es hoffnungslos ist. Es geht um die Erregung von Ärgernis und damit Aufmerksamkeit. Ob sie die in Form von Gegenhass oder Löschung bekommen, ist völlig gleichgültig. Das aber, was sie am wenigsten ertragen, die sachliche Auseinandersetzung, das soll unterbunden werden. Klasse. Das ist so, wie auf einen überkochenden Kopftopf einen Deckel aufzuschrauben, ohne ihn vom Herd zu nehmen und ohne den Strom auszuschalten. Der Explosionszeitpunkt lässt sich exakt vorherberechnen.
zunächst: alle kommentatoren hier verstecken sich hinter einem pseudonym. da geht das problem ja schon los: helm ab, visier hoch - darf niemand wissen, wer sie sind? was gibts da zu verheimlichen? mein name steht ja als autor auch immer in der zeitung - also, husch husch, tarnung beiseite!
@iterator natürlich erwartet niemand, dass die moderatoren händisch alle hasskommentare herausfiltern. mit einer suchmaschine, die bei bestimmten begriffen anspringt, ist es nicht schwer, notorische hasskommentierer zu identifizieren. die werden ja nicht gleich guillotiniert, sondern der kommentar gesperrt und der absonderer ermahnt. ich weiss gar nicht, was das mit einschränkung meinungsfreiheit zu tun hat. quasi jede zeitung geht diesen weg. verstößt ein kommenat gegen bestimmte grundsätze wie etwa verletzung der persönlichkeitsrechte, dann wird es gesperrt. warum soll das nicht bei facebook möglich sein?
@tillebrei: gesagt ist gesagt, mark zuckerberg ist kein jüngelchen und das gespräch war kein smalltalk, sondern eine klare beschwerde mit einer eineindeutigen nachfrage.
@lethe hm, ist das so schwer zu verstehen? es gibt ein zusammenspiel zwischen, erstens, dem markieren der untergrenze des niveaus durch löschung und ermahnung und, zweitens, diskussion.
Mein Name ist Hase, ich weiß von nichts ...
die werden ja nicht gleich guillotiniert, sondern der kommentar gesperrt und der absonderer ermahnt.
Die Zensur hat zugleich den positiven Nebeneffekt, dass die Poster vor den Folgen ihrer Äußerungen geschützt werden. Eine Äußerung eines Minderjährigen bei Facebook wird nämlich heutzutage schon mal mit einem lebenslangen _Berufsverbot sanktioniert, selbst wenn sich der Äußerer _reuig zeigt. Das ist, glaube ich, der radikal-reformatorischen Überzeugung geschuldet, dass nicht die Sünde, sondern der Sünder zu bekämpfen sei: demzufolge ist eine begangene Sünde nicht einfach eine (vergebbare) böse Tat, sondern ein Zeichen dafür, was für ein schlechter Mensch jemand ist. Da erscheint mir eine Zensur die mildere Variante. Wobei absehbar ist, dass das weit übers Ziel hinaus gehen wird, wie @iterator schon anmerkte.
was gibts da zu verheimlichen? mein name steht ja als autor auch immer in der zeitung - also, husch husch, tarnung beiseite!
Da muss ich jetzt die Kommentatoren in Schutz nehmen, die Pseudonyme verwenden. In Zeiten, in denen jeder Personalsachbearbeiter mal schnell via Google einen Bewerber screenen kann, kann es wichtig sein, dass nicht gleich Meinungsäußerungen auffindbar sind, die von der Meinung des Personalverantwortlichen abweichen. Dasselbe gilt für Angestellte die Kontakt zu Kunden haben, die auch keinen wie auch immer geringen Anlass haben dürfen, Anstoß zu nehmen. Und das gilt eben nicht nur für Posts, die Sie und ich als anstößig empfinden. Außerdem lernen die Kinder heute mittlerweile in der Schule ("Medienkompetenz"), dass sie im Internet niemals unter ihrem Klarnamen posten dürfen, so dass bei den jüngeren dFC-Mitgliedern, das schon verinnerlicht sein sollte ;-)