Zur Neueröffnung der Basler Kunsthalle ist eine mittlere Katastrophe zu besichtigen - und diese Katastrophe ist umso programmatischer, als die erste Schau ja die Visitenkarte des neuen Direktors Adam Scymczyk sein sollte. Man hat die Ausstellungsräume aufwändig renoviert, lichter und heller gemacht, und auch das Basler Architekturmuseum hat dabei ein paar hohe, vorsichtig modernisierte klassizistische Säle bekommen und residiert mit der Kunsthalle nun unter einem Dach. Sodann ehrte man den aus Warschau stammenden, in Paris und New York lebenden Dance-Floor-Installator und Hans-Dampf-in vielen-Gassen, Piotr Uklanski, mit dem Auftrag, als erster Künstler überhaupt die gesamte Kunsthalle bespielen zu dürfen - und hat sich eine Niederlage erster Güte eingehandelt.
Es ist unklar, ob Uklanski einfach keine Lust hatte oder ob er in der Kürze der Zeit nicht mehr raumkompatible Arbeiten zustande bekam oder auch nur ausleihen konnte- aber selten hat jemand eine so große Chance mit so großer Arroganz vertan, durch bloßes Abwarten und rudimentäres Bespielen der Säle, damit einfach überhaupt etwas gezeigt wird. Aber im Jahre 2004 nach Christus wirkt es einfach etwas albern, einen ganzen Saal leer zu lassen und dann damit zu veredeln, daß man in einer Ecke ein Loch in die Wand haut und ein Gesicht drumherumstrichelt.
Die Ausstellung firmiert als Werkschau, die alle von Uklanski genutzten Medien vorstellen will. Es beginnt mit einem an der Außenwand der Kunsthalle angebrachten Mosaik aus Eßgeschirr, Teller, Tassen, Terrinen, Schüsseln, Vasen, alles schön vertikal aufgegipst und also skulptural in den Raum ragend. So viele Teller, und so wenig zu essen drauf! Was wohl Daniel Spoerri dazu sagen würde?
Die Passanten denken wahrscheinlich eher an die Kantine - oder aber sie betreten nun die Kunsthalle, um auf deren Wänden die rote Farbintensität japanischer Symbole, fotografische Blauabstufungen im Himmel über Basel oder sogenannte "Crayon Shaving Paintings" zu betrachten. Die aber haben nichts mit Rasieren zu tun, sondern versammeln die Abfälle, die beim Anspitzen von Bleistiften entstehen, nette, verwirrende Farbmuster bildende, dünne Holzrosetten, die man hinter Glas arrangieren kann. Der Abfall des Bleistiftspitzers, der so gern Avantgarde sein möchte.
Aus jeder kleinen Idee macht Piotr Uklanski gleich ein neues Medium, ein Genre oder eine Weltanschauung. Für jemanden, der schon auf der Biennale in Venedig, im Moma in New York und im Museum Ludwig vertreten war, hat er bemerkenswert wenig zu sagen. Aber vielleicht ist das eben so im Kunstbetrieb: man muß sich nur als Grenzgänger zwischen Populärkultur und Hermetik inszenieren, geschickt eine nachgemachte, historisierende Daguerrotypie mit Pop-Art-Fotos koppeln, alles Selbstportraits natürlich, ein paar "Blue Works" als die neue blaue Periode verkaufen, schon hat man Rumor gemacht, und es klingelt die Kasse.
Wenn man Uklanski irgendwo einordnen sollte, so würde ich die Minimal Art wählen. Oder Konzeptkunst. Ein paar Bilder erinnern an die Sonnen von Otto Piene. Vielleicht ist er aber einfach nur ein guter Verkäufer seiner selbst, der für eine Performance schon mal einen Stuntman engagiert und dann in Brand setzt ("The Full Burn") oder der den nackten Hintern seiner Kuratorin fotografiert, bis in die Poren. Allein der Name des Models sichert Aufmerksamkeit.
In Basel hat der 36-jährige Uklanski allerdings die Möglichkeit vertan, einem quasi unbefleckten Raum seinen Stempel aufzudrücken. Im umfangreichen Katalogbuch sieht man durchaus, daß er fotografieren kann, daß er in Landschaften abstrakte Muster findet und schöne Lichtspiele, aber der rätselhafte Basler Parcours kulminiert leider in einem Raum, der mit zwei an die Wand gestellten, dunklen, pupillenartig runden Mahagoni-Tischen den Eindruck des Schielens hervorrufen will.
Der noch nicht schielende Besucher aber begibt sich dankend in die blendend weißen Hallen des Architekturmuseums gleich daneben. Dort kann man sich bei den Sounds diverser Klanginstallationen erholen, die den Straßenbahnlärm von draußen aufgreifen und computertechnisch verfremden. Ach ja, und dann hat Piotr Uklanski doch noch etwas sehr Schönes getan: der riesige, völlig abgedunkelte Oberlichtsaal der Kunsthalle wird von ihm mit zufallsgesteuerten Stroboskop-Blitzen bespielt. Das ist nicht das versprochene Lichtgewitter, sondern, viel besser, nur ein dezentes Zucken; und man ist mit sich allein, im Dunkel. Endlich.
Kunsthalle Basel, Piotr Uklanski, bis 22.August. Kein Katalog. Ein Künstlerbuch erschien im Verlag Hatje Cantz. www.kunsthallebasel.ch
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