Nein, ein richtiger Menschenzüchter ist er natürlich nicht, nur einer, der gerne vom "Züchten" redet. Der Philosoph Peter Sloterdijk, der sich in Elmau "Regeln für den Menschenpark" wünschte, aber keine angeben konnte, hat nachgelegt. Im Karlsruher "Zentrum für Kunst und Medientechnologie" hatte ihm sein Nachbar im Geiste, der Kunsttheoretiker und ZKM-Direktor Peter Weibel, eine hochkarätige Podiumsdiskussion ausgerichtet. Der Gegner war höflich, denn er kam aus Frankreich: Alain Finkielkraut mahnte zur Vorsicht, erinnerte an das Scheitern "sozialer Konstruktions-Phantasien" (er meinte den Kommunismus) und fragte, warum ausgerechnet die biologische Konstruktion denn besser gelingen solle. Sloterdijk gab sich moderat, nahm in der üblichen Wolkigkeit Plato, Heidegger und Nietzsche für sich in Anspruch und blieb am Ende unerbittlich: "die Menschheit" werde sich nicht von ihren "Optimierungsprogrammen" abbringen lassen, und er halte das auch "weder für möglich noch für wünschenswert". Der Abend hatte mit einem Paukenschlag begonnen: ZKM-Direktor Weibel erwies sich in seiner Eröffnung als harter Befürworter der Biotechnologie. Wenn man die Grundbausteine des Körpers lesen könne, dürfe man dieses Wissen auch aktiv nutzen, sagte Weibel forsch - dies sei nicht ein Verlust des Humanen, sondern das Humane werde so erst "erobert". Zur Veranschaulichung dieser neuen Humanität projizierte Weibel Bilder seltsam verwachsener, fragmentierter Schwurbelwesen über die Köpfe des Podiums - Dias aus der von ihm kuratierten Kunst-Ausstellung "Der anagramatische Körper". Niemand schien sich daran besonders zu stören, die Parallelisierung künstlerischer und biologischer Techniken wurde nicht weiter diskutiert, und Peter Sloterdijk zog dieselbe Nummer gleich nochmal ab. Weil der Mensch (als "gescheitertes Tier") die eigenen Gene, Elemente isolieren könne, sei man an einem philosophischen Endpunkt angekommen, an dem man Geschichte in Biologie fortschreiben könne.
Was die Biologie wirklich kann, ist derzeit ziemlich unklar. Der Klon, über den so ausdauernd debattiert wurde, liegt offenbar in weiter Ferne. Wichtiger wäre vielleicht die Frage gewesen, ob man in die embryonale Keimbahn eingreifen darf oder nicht. Solche Kleinigkeiten lässt Sloterdijk außen vor. Er hält sich lieber an Heidegger und den "Schreibstift als Paradigma", das "die Welt der sagbaren Dinge weiterschreiben, nicht vergewaltigen" solle; er will zeigen, "was Gentechnik in einem guten Sinne sein könnte, ohne Missbrauchsverdacht". Der Wahn, die Welt nur noch als Text und nicht mehr als Körper zu verstehen, schlägt bei Sloterdijk seltsame Kapriolen. Ohne Zögern stellt er die "Eigenschaftsplanung einer humanistischen Elite", also Erziehung, auf eine Ebene mit biologischen Techniken, redet von den "genetischen Archiven", in die man hinabsteigen müsse, und landet beim puren Kitsch, wenn er sich bei den Frauen anbiedert, in denen eine "Ovulations-Spieluhr" ticke, in die der Mann hineinwolle, aber nicht könne.
Das gehörte dann schon zum unterhaltsamen Teil, als der Schriftsteller Michel Houellebecq die Tristesse heutiger Sexualität beschwor und die älteren Herren auf dem Podium eifrig nickten. Houellebecq übernahm freundlich den Part des Zynikers und Pausenclowns, sprach ironisch von seiner Hoffnung, die Sexualität "zu mehreren" werde verschwinden; Weibel, der nichts verstanden hatte, assistierte mit seiner Vision vom "reinen" Sex, befreit vom Reproduktionszwang, und Sloterdijk führte den selbstbefreierischen Nietzsche als Alternative zum "Orgasmus-Narren" des 20. Jahrhunderts ins Feld, es war ergreifend.
Während Sloterdijk dann plötzlich doch "Eros" und "das Zeugen im Schönen" wollte, mehr "Heterophilie", prophezeite Houellebecq düster den Klon, der kommen werde, der Markt werde das regeln. Man muss diesen Abend auch als deutsch-französische Begegnung lesen: es war kein Zufall, dass Alain Finkielkraut ausgerechnet mit Hannah Arendt gegen Rektor Heidegger argumentierte. Und es war kein Zufall, dass der Kulturskeptiker Houellebecq Sloterdijks aufdringliche Avancen zurückwies und "Moral" ins Spiel brachte. In Elmau hatte Sloterdijk noch von "Selektion" und "optionaler Geburt" geredet; inzwischen ist er vorsichtiger. Nach welchen Kriterien selektiert und optimiert werden soll, wer an den Schalthebeln steht, ob 60jährige Frauen Kinder kriegen sollen und ob man Super-Organe züchten soll - das sind simple Fragen. Zu simpel für Peter Sloterdijk.
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