Wenige Tage vor der UN-Klimakonferenz in Durban wächst die Verzagtheit. Der Kampf gegen den Klimawandel droht verloren zu werden. Vergangenes Jahr hat der weltweite Ausstoß an Kohlendioxid mit 33,5 Milliarden Tonnen einen neuen Höchststand erreicht. Und der Rekord geht nur zum Teil auf das Wirtschaftswachstum zurück. Zusätzlich hat die Energieeffizienz abgenommen. Die Weltwirtschaft wurde im Jahr 2010 also noch dreckiger als eh schon.
Ohne einen baldigen Kurswechsel steuert die Erde auf eine Erwärmung um sechs Grad oder mehr zu, wie die Internationale Energieagentur IEA in ihrem aktuellen Jahresbericht schreibt. Als gerade noch erträglich gelten zwei Grad. Die IEA hat auch ausgerechnet, wie viel Zeit zum Handeln für dieses Zwei-Grad-Ziel noch bleibt: fünf Jahre. Denn bis 2017 werden so viele neue Kraftwerke, Fabriken und Gebäude errichtet, dass das noch vorhandene CO2-Budget dann komplett ausgeschöpft ist (siehe Grafik).
Es ist also höchste Zeit für einen Durchbruch bei den Klimaverhandlungen, die nächste Woche in Südafrika beginnen. Denn weiteres Zuwarten ist nicht nur eine Gefahr für das Klimasystem, sondern auch teuer. Die IEA drückt es so aus: „Für jeden Dollar, den wir nicht vor 2020 in saubere Energien investieren, müssen wir 4,30 Dollar nach 2020 investieren, um die gestiegenen CO2-Emissionen zu kompensieren.“
Dennoch deutet derzeit nichts auf einen Durchbruch in Durban hin. Im Zentrum der Verhandlungen steht einmal mehr die Fortführung des Kyoto-Protokolls, das nur bis Ende 2012 läuft. In diesem Abkommen, aus dem sich die USA verabschiedet haben, verpflichteten sich die Industrieländer 1997 zu einer Reduktion ihrer CO2-Emissionen um insgesamt 5,2 Prozent. Entwicklungsländer sind vom Protokoll nicht erfasst. Die Idee war, dass die Industriestaaten wegen ihrer riesigen Emissionen seit der industriellen Revolution auch beim Kampf gegen den Klimawandel voranschreiten müssen.
Auf Europa kommt es an
Doch wird schon seit Jahren über ein umfassenderes Abkommen geredet, das auch die beiden größten CO2-Produzenten USA und China einschließt. Japan, Russland und Kanada lehnen eine Verlängerung des nur für die alten Industrieländer gültigen Protokolls ab. Europa (mit der Schweiz und Norwegen) sowie Australien und Neuseeland würden einer Verlängerung zustimmen, verlangen dafür aber einen politischen Preis: Im Gegenzug sollen die anderen großen Länder – insbesondere die USA, China und Indien – sich darauf verpflichten, schnell das längst angestrebte weltweite Abkommen auszuhandeln. Norwegen und Australien haben hierzu einen detaillierten Plan vorgelegt. Das Kyoto-Protokoll würde verlängert und spätestens bis 2015 durch ein weltweites Protokoll ersetzt .
Dieser Plan hat zwei Vorteile: Zum einen bleiben die Kyoto-Mechanismen wie der internationale Emissionshandel erhalten; und zum anderen kann der für 2014 geplante nächste Sachstandsbericht des Weltklimarats IPCC als Grundlage für die Verhandlungen dienen. Wie dieser Bericht ausfallen wird, deutet die IEA allerdings schon jetzt an: Der Klimawandel kommt schneller und heftiger als erwartet und die Gegenmaßnahmen greifen nicht.
Dennoch ist bei Weitem nicht sicher, dass der australisch-norwegische Plan in Durban angenommen wird. Denn die Klimaverhandlungen mit ihrer Front zwischen Industrie- und Entwicklungsländern bilden noch immer die Welt zur Zeit des Erdgipfels in Rio de Janeiro im Jahr 1992 ab, wie der ehemalige Chef der UN Klimaverhandlungen Yvo de Boer im britischen Magazin Environmental Finance festgestellt hat: „Aus politischer Sicht müssen wir anerkennen, dass sich die Welt seit 1992 geändert hat. Man kann die Welt nicht mehr in zwei Gruppen unterteilen – die reichen Länder mit Reduktionsverpflichtungen und die Länder, die sich noch entwickeln und daher keine Reduktionsverpflichtungen haben. Wir brauchen ein umfassendes Abkommen für alle Staaten.“ Doch um dieses Ziel zu erreichen, müssen zwei Hürden überwunden werden: Zum einen müssen die USA entscheiden, ob sie überhaupt bei einem internationalen Klimavertrag mitmachen wollen. Und zum anderen dürfen sich die Entwicklungsländer nicht länger hinter der „Klimaschuld“ der Industriestaaten verstecken. Außerdem müssen sie anerkennen, dass es Unterschiede zwischen Entwicklungsländern gibt: Eine Regelung, die für Simbabwe sinnvoll ist, muss nicht automatisch auch für Singapur und Saudi Arabien Anwendung finden. Aber ob es gelingen kann, diese beiden Hürden zu überwinden, ist für de Boer zumindest fraglich: „Es gibt eine Reihe von Ländern, die noch nicht ganz so weit sind, unter anderem die USA und Indien. Daher werden es schwierige Verhandlungen.“
Die Unterscheidung zwischen Industrie- und Entwicklungsländern ist aber nicht nur hinsichtlich der Reduktionsverpflichtungen überholt, sondern auch mit Blick auf den zweiten großen Knackpunkt in Durban: Geld. „In einer Welt, in der Europa mit der Bettelschale nach China geht und um Billionen für einen Bail-out bittet, ist die Idee absurd, dass die Unterscheidung zwischen ‚reich‘ und ‚arm‘ aus dem Jahr 1992 beibehalten werden sollte“, sagt Mark Lynas, Autor und Berater der Regierung der Malediven.
Bei der UN-Klimakonferenz in Kopenhagen vor zwei Jahren haben die Industrieländer versprochen, für die Jahre 2010 bis 2012 insgesamt 30 Milliarden Dollar und ab 2020 jedes Jahr 100 Milliarden Dollar für den Kampf gegen den Klimawandel zur Verfügung zu stellen. Dazu soll in Durban ein Fonds geschaffen werden, der das Geld verwaltet. Doch während sich die Länder weitgehend einig sind, wie dieser Fonds aussehen soll, ist völlig unklar, wie das zugesagte Geld aufgetrieben wird. Nicht zuletzt wegen der Finanz-, Wirtschafts- und Schuldenkrise haben die „reichen“ Länder kaum Manövriermasse in ihren Staatshaushalten. Und neue Steuern, etwa auf Schiffsdiesel und Flugbenzin, lehnen viele Entwicklungsländer, aber auch die USA vehement ab. Dies gilt umso mehr, da Ende nächsten Jahres in den USA Präsidentschaftswahlen anstehen.
Koalition der Willigen
Vor dem Hintergrund, dass sich die USA weigern könnten, bis 2015 ein weltweites Abkommen auszuhandeln und auch Finanzzusagen ablehnen könnten, macht ein angeblicher „Plan C“ die Runde. Hier würde die EU eine „Koalition der Willigen“ schmieden, bestehend aus den verbleibenden Kyoto-Ländern und den Entwicklungsländern. Jo Leinen, Chef des Umweltausschusses im Europaparlament, sagte dem Portal Euractiv: „Die Klimakonferenz in Kopenhagen im Jahr 2009 ist meines Erachtens gescheitert, weil sich die EU zu sehr darauf konzentriert hat, Amerika mit an Bord zu holen. Am Schluss haben wir dies nicht geschafft, aber wir haben dafür die Allianz der Entwicklungsländer G77 und China verloren und hatten schließlich gar nichts.“
Wenn es den europäischen Diplomaten daher gelingt, diesen Fehler zu vermeiden, könnte Durban so enden wie die Klimaverhandlungen in Bali im Jahr 2007. Schon damals ging es darum, einen Fahrplan für ein weltweites Abkommen festzulegen. Am Ende waren sich auf Bali alle einig – mit Ausnahme der USA. „Wenn ihr nicht führen könnt, dann geht aus dem Weg“, schleuderte damals der Vertreter von Papua Neuguinea der Supermacht entgegen. Und die USA gaben nach.
Ein fast aussichtsloses Unterfangen
Beim Erdgipfel in Rio begann 1992 der internationale Kampf gegen die Erderwärmung mit der Klimarahmenkonvention (UNFCCC). Sie gilt weltweit, ist aber wenig verbindlich. Das Kyoto-Protokoll von 1997, das Industrieländer erstmals zur Verringerung ihrer Treibhausgase verpflichtet, tragen die USA nicht mit. 2007 wurde deshalb auf Bali vereinbart, ein neues, alle Länder umfassendes Vertragssystem zu erarbeiten. Das scheiterte jedoch in Kopenhagen 2009.
Seither gibt es kaum Fortschritte für ein umfassendes Abkommen. Wissenschaftler halten eine Halbierung der weltweiten Emissionen bis 2050 für nötig. Die Industrieländer müssten demnach schon bis 2020 um 25 bis 40 Prozent unter den Klimagasausstoß von 1990 kommen. Emissionsminderung ist aber nur ein Punkt der Verhandlungen. Für Entwicklungsländer sind der Schutz vor den
Folgen des Klimawandels und
tt
Christian Mihatsch schreibt von Bangkok aus über Themen wie Klimawandel und Welthandel
Was ist Ihre Meinung?
Kommentare einblendenDiskutieren Sie mit.