Ein evangelischer Krimi

9/11 Wohin in Berlin am 11. September? Es gab mehrere Gedenkveranstaltungen zu den Ereignissen vor zehn Jahren, die die Welt in Orient und Okzident geteilt haben

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Wohin in Berlin am 11. September? Es gab mehrere Gedenkveranstaltungen zu den Ereignissen vor zehn Jahren, die die Welt in Orient und Okzident geteilt haben. Doch weder dem Senat, noch den beiden großen Kirchen wollte die Überwindung dieser Spaltung gelingen. Die Vorsitzenden der großen Islamverbände schlugen deren Einladung aus; wieder einmal.

Dabei hatte alles so hoffnungsvoll angefangen. Schon vor einem Jahr sah sich die Evangelische Kirche als größte Religionsgemeinschaft Berlins in der Pflicht, für den 11. September eine gemeinsame Veranstaltung mit anderen Kirchen und Religionen auf den Weg zu bringen. Bischof Dröge beauftragte den Berliner Generalsuperintendenten Ralf Meister. Der griff auf die Kompetenz seiner dialogerfahrenen Pfarrerin Dr. Gerdi Nützel zurück, damals Referentin am interkonfessionellen Ökumenisch-Missionarischen Institut. Sie lieferte Ideen und Kontakte. Sie wusste, wie man andere Religionen ansprechen muss, damit sie mitmachen.

Gemeinsam plante man ein Friedensfest von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang am Brandenburger Tor: Juden, Christen, Muslime, Bahais, Hindus und Buddhisten sollten zusammen erzählen, singen und beten. Als Höhepunkt sollten nach einer Schweigeminute blau gekleidete Menschen vor dem Tor eine Friedenstaube bilden.

Die Repräsentanten der Islamischen Religion legten Wert darauf, dass aller Opfer von 9/11 gedacht wird, auch jener von Krieg und Terror in den Folgejahren. Das war interreligiös mehrheitsfähig. Sogar die American Church war dafür, deren Vormittagsgottesdienst von jüdischen, christlichen und muslimischen Geistlichen gemeinsam zelebriert wurde – in Anwesenheit des Bundespräsidenten. Dennoch gab es in der Evangelischen Kirche die Sorge, ein erweitertes Gedenken könnte die offizielle Gleichung des 11. September: Amerikaner=Opfer/Muslime=Täter – zahlenmäßig auf den Kopf stellen. Auch der Senat hatte Probleme. Innensenator Körting konnte sich anfangs eine Veranstaltung am Brandenburger Tor nicht ohne Bockwurst- und Getränkestände vorstellen, was keinen würdigen Rahmen abgegeben hätte. Ihm wäre der Dom lieber gewesen – ohne dies den Religionen vorschreiben zu wollen.

Es folgte ein Verwirrspiel ohne Ende, ein typisch evangelischer Kirchenkrimi. Am Brandenburger Tor schied die Evangelische Kirche als Träger zuerst aus, später stieg sie wieder ein, bevor sie im Sommer wieder ausstieg. Ersatzweise wurden die Vertreter der anderen Religionen kurzfristig zur offiziellen Gedenkfeier ins Rote Rathaus eingeladen und zum ökumenischen Gottesdienst nach St. Hedwig. Sogar eine institutionelle Beteiligung wurde ihnen angeboten, aber keine Ausweitung des Gedenkens. Für die Vorsitzenden der beiden Islamverbände war deshalb klar, dass sie beide Einladungen selbst als Privatperson absagen, dafür aber das gemeinsame Friedensfest durchführen wollten.

Die „Religionen auf dem Weg des Friedens“ taten es ohne ihre Institutionen und wurden mit strahlendem Wetter belohnt. Sogar Erhart Körting kam im „Nein! Eleven“-T-Shirt. Er war auf der richtigen Veranstaltung.

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Dieser Beitrag ist eine gekürzte Fassung von "Auf der richtigen Veranstaltung" und Teil einer Reihe zu Problemen im interreligiösen Dialog. Bisher erschienen:

Der interreligiöse Dialog - unverzichtbar, aber unmöglich?

"Dass eine Religion sich über die andere erhebt, ist unerträglich"

Das Bild zeigt interreligiöse Band des von Körting geförderten JUGA Projekts (jung-gläubig-aktiv) bei der Song-Premiere von "Sweet Coexistence" auf dem Friedensfest am 11.09.2011. (Foto: Hans Martin Fleischer)

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Geschrieben von

ChristianBerlin

Theologe (Pastor) und Journalist, Berlin. Mitglied im Journalistenverband Berlin-Brandenburg (JVBB) und im Pfarrverein-EKBO. Singt im Straßenchor.

ChristianBerlin

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