CSD soll christlicher Feiertag werden

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In immer mehr Städten finden Gottesdienste zum Christopher Street Day (CSD) statt, die – trotz des päpstlichen Verbotes – auch ökumenisch sein können. „Gott bewahre die Kirche vor den Lesben und Schwulen“ kritisieren das die einen, „Gott bewahre die Lesben und Schwulen vor der Kirche“, die anderen.

Wie früher schon in Köln oder Stuttgart und im letzten Jahr erstmals in Mannheim feierten Christinnen und Christen mit lesbisch-schwulen Geschwistern in diesem Jahr auch in der Bundeshauptstadt einen CSD-Gottesdienst, in dem sogar Berlins katholischer Bürgermeister Klaus Wowereit in der Ev. Kirche St. Marien eine Predigt hielt.

Eingeführt hat die neue hauptstädtische Tradition Bertold Höcker, der gleichgeschlechtlich orientierte Superintendent von Berlin Stadtmitte –ähnlich, wie er sie zuvor schon als Citypfarrer in Köln begründet hatte. Mitte der 90er Jahre hatte er sich in Kiel als Pastor zur Anstellung auf der Kanzel geoutet und damit eine Bekenntnisdiskussion in seinem Kirchenvorstand ausgelöst, die normalerweise zur Versagung der Übernahme in den Pfarrdienst führt. Nicht aber in Nordelbien. Dort fiel er stattdessen die Leiter nach oben und wurde Oberkirchenrat für Theologie und Öffentlichkeitsarbeit. In dieser Funktion verfasste er eine Ausarbeitung über „Auswirkungen des Lebenspartnerschaftsgesetzes auf die Kirche“, die lange Zeit als wegweisend galt. Das in diesem Jahr in der EKD in Kraft getretene Pfarrdienstgesetz der Evangelischen Kirche in Deutschland (PfDG.EKD) sieht für Pfarrerinnen und Pfarrer erstmals die Möglichkeit vor, ganz offiziell mit einem gleichgeschlechtlichen Partner zusammenzuleben, lässt aber den autonomen Landeskirchen die Möglichkeit, dies in Ausführungsgesetzen wieder auszuschließen.

Genau darüber wird jetzt in einem heißen Herbst in den Landessynoden aller Gliedkirchen der EKD entschieden und in den Landeskirchen mit starken evangelikalen Gruppierungen wohl auch gestritten werden. Aus dieser Richtung kam auch prompt Kritik an Höckers Berliner Neuerung: „Die mittlerweile zur babylonischen Hure mutierte evangelische Kirche feiert zu ‚Ehren‘ des CSD einen Gottesdienst (!), auf dem Wowereit auch noch eine Predigt halten wird! Weiter kann man sich von Gottes Wort kaum noch entfernen“, heißt es dazu auf einer Website vom rechten Rand des religiösen Spektrums.

Selbst wenn die Begründung, die dort folgt, theologisch nicht zutrifft: Der Vorwurf könnte dennoch stimmen. Die Sache ist nämlich ähnlich problematisch wie das deutsche 20. Juli- oder Holocaust-Gedenken, bei dem wir uns immer auf der Seite der Widerstandkämpfer und Opfer verorten. Wäre die Kirche 1969 oder wenigstens in den Jahren danach in der Christopher Street Seit an Seit mit den Schwulen dabei gewesen, hätte sie jetzt auch das Recht mitzufeiern. Stattdessen scheint sie hier einfach nur auf den inzwischen fahrenden Zug einer säkularen Bewegung aufspringen zu wollen.

„Der Christopher-Street-Day erinnert an den ersten Widerstand schwuler Männer gegen Repressalien der Polizei in Amerika. Damit reiht er sich in eine Fülle wichtiger Gedenktage ein, die in Berlin begangen werden. Wir wollen an möglichst vielen dieser Termine unsere Deutung von Wirklichkeit in Gottesdiensten der Berliner Öffentlichkeit anbieten“, heißt es dazu auf der Website der Marienkirche. Es wird also demnächst eine Reihe neuer kirchlicher Feiertage geben – an deren zelebriertem Ursprung die Kirche allerdings nicht den geringsten Anteil haben muss.

Am selben Wochenende vollzog schon mal Kurienkardinal Walter Kasper in Lübeck die Seligsprechung von drei der vier „Lübecker Märtyrer“ in einem ökumenischen Gottesdienst, wobei er in einem ehrenden Gedenken auch an den vierten erinnerte, den evangelischen Pastor Karl Friedrich Stellbrink. Mit keinem einzigen Wort der Selbstkritik oder Reue erwähnte dabei Kaspers protestantischer Bischofskollege Gerd Ullrich in seiner Predigt den Umstand, dass die Evangelische Kirche Stellbrinks Verurteilung durch die Nationalsozialisten seinerzeit nur zum Anlass nahm, um diesen Märtyrer aus dem kirchlichen Dienst auszuschließen.

Weh euch! Denn ihrbautdenProphetenGrabmäler; eure Väter aber haben sie getötet,“ hatte einst der Gründer der Kirche gesagt – und dann ein ähnliches Schicksal genommen. Wenn überhaupt, sollten christliche Gedenktage deshalb vor allem eins sein: Selbstkritisch und bußfertig.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

ChristianBerlin

Theologe (Pastor) und Journalist, Berlin. Mitglied im Journalistenverband Berlin-Brandenburg (JVBB) und im Pfarrverein-EKBO. Singt im Straßenchor.

ChristianBerlin

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