Der Spot(t) mit dem „ABC-Schützen“

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Geschmacklos geht die Welt zu Grunde. Nicht einmal eineWoche nach Winnenden sendete gestern RTL einen Werbespot mit einem makabren Wortspielwitz über Schoolshooter. Anders kann dessen Ausstrahlung zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht intrepetiert werden.*
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Die Tatwaffe von Winnenden: Eines der meistgesendeten Motive dieser Tage

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Für Laien zum Verwechseln ähnlich: Das Anfangsbild des Werbespots

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Dann die Frage, was bei der Aufklärung hilft. Der ABC-Schütze ist es nicht.

Um den Spaßfaktor zu steigern, operieren Gewinnspiel-Spots hin und wieder an der Grenze zwischen albern und makaber. Für den Fall aber, dass daraus Ernst wird, scheint keine Spaß-Bremse eingebaut zu sein. Deren Fehlen deutet darauf hin, dass seriöse Programmmacher ihr Augenmerk nur mit Widerwillen auf diese Art Telespiele richten können.

Eigentlich findet hier verbotenes privatesGlücksspiel statt. Doch das Verbot wird in einem raffinierten Rechtsprechungskonsens umgangen. Der Schlüsselbegriff heißt „Postkartenäquivalent“. Ein klassisches Unwort. Der Begriff stellt argumentativ auf die Höhe des Spieleinsatzes von ca. 50 Eurocent ab. Doch bei dem vermeintlichen „Äquivalent“ werden gravierende Unterschiede übersehen.

Während früher bei Fernsehverlosungen der Einsatz über die Bundespost letztlich vom Staat einkassiert (und damit sozialisiert) wurde, profitieren die Sendervon jedem Einsatz über Mehrwertdienst-Rufnummern unmittelbar. Entsprechend sorgen sie dafür, dass es nicht bei Anruf einem pro Spiel und Teilnehmer bleibt. Das Argument, man habe schon früher mehrere Postkarten schicken können, um seine Gewinnchance zu steigern, übersieht die neue Qualität. Die entsteht durch die sofortige Gewissheit bei jedem Anruf, ob man gewonnen hat oder nicht. Man weiß somit, dass man gezwungen ist, nachzulegen, wenn man bis zum Ende im Spiel bleiben will. Unerfahrene jungeMenschen ab 18 können so schnell ihren Handy-Vertrag zerschießen und sich im schlimmsten Fall einen harten Schufa-Eintrag einhandeln, der ihnen später bei der Wohnungssuche noch Probleme bereiten wird. Denn im Unterschied zur Postkarte kann man hier sogar Geld einsetzen, das man gar nicht hat und auch niemals erübrigen kann. Das ist tückischer als ein Münzspielautomat und kann Folgelasten nach sich ziehen, die dann wieder sozialisiert werden müssen, während die Gewinne bei den Sendern verbleiben.

Angesichts zahlreicher Tricks, mit denen die Zuschauer von Animateuren in speziellen Spielsendungen über den Zeitpunkt des Spielendes gezielt getäuscht werden, wirken die kurzen Einblendungen in der RTL-Primetime bei Dr. House und Monk schon fast wieder seriös - obwohl auch sie es nicht sind.

Dem Sender wurde dieser Beitrag um 13:30 Uhr mit Bitte um eine kurzfristige Stellungnahme angekündigt. In seiner Antwort entschuldigte sich RTL Redakteur Ralf Fenge für den entstandenen Eindruck:

"Das von Ihnen genannte Gewinnspiel hat am gestrigen Krimi-Dienstag im Abendprogramm stattgefunden. In der Regel beziehen sich Aktionen wie diese aufdas Programm-Genre, in dem sie stattfinden, gestern waren es die Krimiserien. So wurde als Alternative zur Buchstabenkombination der DNS-Analayse als einer Antwortmöglichkeit die Alternative ABC-Schütze angeboten. Somit ist das Dienstags-Programm der Bezug, nicht jedoch aktuelle Ereignisse. Sollte das von Ihnen anders wahrgenommen worden sein, tut uns dies leid."

Wenn das ehrlich gemeint ist, könnte der Sender in Zukunft in diesem Bereich auf aktuelle Ereignisse mit angemessenerem Sensibel reagieren, um naheliegenden, aber ungewollten Assoziationen vorzubeugen.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

ChristianBerlin

Theologe (Pastor) und Journalist, Berlin. Mitglied im Journalistenverband Berlin-Brandenburg (JVBB) und im Pfarrverein-EKBO. Singt im Straßenchor.

ChristianBerlin

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