Deutsche Medienwunder (4): Der Bundespräsident und die Pressefreiheit

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Nach einem Initialbeitrag in der gestrigen F.A.S. berichten heute mehrere Zeitungen über einen unglaublichen Anfriff auf die Pressefreiheit. Wulff soll Journalisten gedroht haben heißt es in der Berliner Zeitung. Und laut SZ drohte der Bundespräsident sogar mit Strafanzeige. Die angeblich auf dem Anrufbeantworter von Kai Diekmann gespeicherten Emotionsausbrüche des Staatsoberhauptes werden von allen diesen Medien mit der Kreditaffäre des Präsidenten in Zusammenhang gebracht und als ein Versuch bewertet, deren Enthüllung durch Einschüchterung des BILD-Chefs zu unterbinden.

Die brisante Story könnte aber auf einem Trugschluss basieren. Die F.A.S., auf die sich die SZ beruft, benennt als Streitgegenstand nur "eine 'unglaubliche' Geschichte", an der ein Bild-Journalist "seit Monaten" recherchiert habe. In der SZ wird daraus "diese 'unglaubliche' Geschichte".

Dass es dabei um den noch unveröffentlichten Bericht über die Kreditaffäre ging, ist keineswegs zwingend. Mehrere Zeitungen berichteten vor zwei Wochen nämlich, dass BILD seit langem an einer ganz anderen Story über die Wulffs recherchiere.

"Wenn Wulff nicht bald folge, so wurde in Berlin gemunkelt, könne das Blatt mit einer Geschichte über das frühere Leben Bettina Wulffs aufwarten. Angeblich verfügt die Redaktion über Informationen, die bisher auf Weisung von ganz oben nicht gedruckt werden dürfen", schrieb die Berliner Zeitung am 16. Dezember über eine geplante BILD-Veröffentlichung.

Diese schwebende Drohung würde Wulffs impulsive Reaktion gut erklären, ebenso seine Äußerung, "für ihn und seine Frau sei der 'Rubikon' überschritten." Jeder würde einen Ehemann verstehen, der deswegen Journalisten droht.

Sicher ist das natürlich nicht. Am nächsten Tag wurde der erste Bericht über die Kredit-Affäre veröffentlicht. Solange aber niemand weiß, was Wulff vorher über den Inhalt wusste, können wir auch nicht sicher sein, ob er mit dieser Veröffentlichung oder jener anderen rechnete.

Ein Indiz für das eine oder das andere könnte seine Reaktion nach der Veröffentlichung sein. Tobte er schlimmer als zuvor, machte er gar die Drohung wahr, oder war er im Gegenteil erleichtert? Nach SZ-Informationen "hat Wulff noch einmal Kontakt zu Diekmann aufgenommen, den Anruf bedauert - und dieser die Sache dann für erledigt erklärt." Wenn das stimmt, kam es wohl weniger ehrverletzend, als er dies befürchtet hatte - zumindest sah es für das Staatsoberhaupt zunächst so aus.

Sicher wissen wir aber nur, dass wir nichts wissen, oder jedenfalls nicht genug. Und solange sollten wir mehr auch nicht behaupten. Mit einer Ausnahme: Kai Diekmann. BILD weiß wieder mal am meisten - jedenfalls in dieser Sache. Von dort kommt aber nur beredtes Schweigen.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

ChristianBerlin

Theologe (Pastor) und Journalist, Berlin. Mitglied im Journalistenverband Berlin-Brandenburg (JVBB) und im Pfarrverein-EKBO. Singt im Straßenchor.

ChristianBerlin

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