Kein Spenderorgan für behindertes Kind

Lebensunwertes Leben Die Bundesärztekammer hat an einer Entscheidung mitgewirkt, derzufolge ein Kind wegen einer Gehirnschädigung vom Empfang von Spenderorganen ausgeschlossen wurde.

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Das berichtet heute die SZ unter Berufung auf den Juristen Hans Lilie von der Ständigen Kommission Organtransplantation bei der Bundesärztekammer (BÄK).

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Mahnwache gestern vor der Uniklinik in Gießen

Laut SZ hat der Ausschluss des 21 Monate alten Muhammet D. vom Empfang eines Spenderorgans eine heftige Debatte ausgelöst.

Lilie betonte dem Bericht zufolge, dass es sich um eine Einzelfallentscheidung handelt: "Eine Organschädigung kann, muss aber nicht der Listung entgegenstehen." Dagegen verteidigte der Leiter der Ethikkommission der Deutschen Transplantationsgesellschaft, Richard Viebahn, laut SZ die Einzelfallentscheidung mit allgemeinen Grundsätzen: „So traurig es im Einzelfall ist: Wir müssen konsequent sein. Man muss immer bedenken: Organe sind extrem selten. Wenn Muhammet dieses Herz bekommt, wird ein anderes Kind keines bekommen."

„Mein Sohn hat genauso ein Recht zu leben wie andere Kinder“, wird dagegen der Vater des betroffenen Kindes zitiert. Dass eine Transplantation langfristig Erfolg hätte, wird nach den Recherchen der SZ von niemandem in Abrede gestellt. Eine Behinderung aber dürfe kein Kriterium für den Ausschluss sein, soll Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, als Kritik geäußert haben.

"Ein Leben mit Behinderung ist in die ganze Bandbreite der Ebenbildlichkeit Gottes eingeschlossen. Staat, Gesellschaft und Kirche sind verpflichtet, Gleichberechtigung zu verwirklichen und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ausnahmslos allen Menschen zu ermöglichen. ... Eine ... Selektion zwischen lebenswertem und nichtlebenswertem Leben ist damit nicht vereinbar", hatte die Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in ihrer Stellungnahme zur Präimplantatsdiagnostik 2011 gesagt. Doch vor Redaktionsschluss scheint die SZ niemanden in Hannover erreicht zu haben, der in einer einfachen Leseübung diese Worte wiederholt hätte. Eine kirchliche Stimme fehlt bislang auffallend.

Der Recherche lag offenbar eine Pressemitteilung des Universitätsklinikums Gießen und Marburg (UKGM) vom Donnerstag zugrunde, die gestern Abend auch im Börsenportal 4-traders.com als adhoc news eingestellt und dort über Nacht bereits 23 Mal kommentiert wurde. Ginge es nach der Empörung der Kommentatoren, befände sich die Aktie der Rhönklinikum AG im freien Sinkflug.

Seit Mitte Juli hatten bereits mehrere türkischeZeitungen über die ethisch fragwürdige Entscheidung der deutschen Ärzteschaft berichtet. Seit mit Mitte Juli wächst die facebookseite des Jungen, für dessen Operation die türkische Pop-Sängern Gülben Ergens Geld gesammelt hatte, rasant an um über 1000 neue Follower pro Tag. Seit gestern finden auch Mahnwachen vor der Klinik statt, ein internationaler Protest, mit Transparenten, bedruckten T-shirts und Gebeten, konfessions-, religions- und weltanschauungsübergreifend und - inşallah, so Gott will - auch friedlich. Egal mit welchem Gottes- oder Humanitätsbegriff: Hier geht es um die Frage nach dem Wert menschlichen Lebens jenseits seiner Verwertbarkeit.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

ChristianBerlin

Theologe (Pastor) und Journalist, Berlin. Mitglied im Journalistenverband Berlin-Brandenburg (JVBB) und im Pfarrverein-EKBO. Singt im Straßenchor.

ChristianBerlin

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