Kirchentag: Das materielle Rückgrat der himmlischen Veranstaltung

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http://earthgoo.de/pfarrverein/images/bodmann.jpgGeschäftsführer Hartwig Bodmann, hier bei der Pressekonferenz, ist der Mann fürs Grobe, etwa wenn es um handfeste Zahlen geht. Im Detail genau hatte er die aber nicht sofort parat. Wo das Geld herkommt und wo es hinfließt, interessiert beim Kirchentag normalerweise niemanden. (Foto: Kathrin Erbe)

Wenn vom Kirchentag die Rede ist, geht es um "Kerzenlicht und Kapitalismuskritik" (Petra Gerster), um das Gespräch mit Startheologen oder Spitzenpolitikern, um neue Wege in Kirche, Ökumene und Gesellschaft oder den interreligiösen Dialog. Kaum jemand fragt, wo dafür das Geld herkommt und wohin es dann geht.

Entsprechend schlecht war Geschäftsführer Hartwig Bodmann auf diese Fragebei bei der heutigen Pressekonferenz vorbereitet. Parat hatte er immerhin die geplanten Einnahmen: Von den 14,2 Mio Euro Gesamthaushalt kämen 8,9 Mio aus Zuschüssen von Staat und Kirchen: Der Bund gebe 0,4 Mio, Stadt und Land Bremen 7,5 und die Bremische Evangelische Kirche eine. Die restlichen 5,3 Mio müssten aus Teilnehmerbeiträgen, Sponsorengeldern, Spenden und dem sog. Merchandising zusammenkommen.

Als größten Sponsor nannte er - stellvertreten für viele andere - den VW-Konzern, der die gesamte Fahrbereitschaft stelle. Der größte Teil der selbst zu erwirtschaftenden Einnahmen komme jedoch aus Teilnehmerbeiträgen (3,3 Mio).

Die kämen wie geplant. Bisher seien fast 100.000 Dauerteilnehmer registriert, aber nicht alle würden 89 Euro bezahlen. Mehr als die Hälfte seien Mitwirkende, für die nur 24 Euro anfielen, und für Jugendliche, Praktikanten oder Studierende gebe es ein "Jugendticket" für 49 Euro. Einkommenschwache haben freien Eintritt (wie bereits berichtet). Das Durchschnittsalter der Teilnehmenden liege in Bremen bei 37,7 Jahren (in Köln vor 2 Jahren waren es exakt 38).

Wie Bodmanns Stellvertreter Volker Knöll später ergänzte , wird für jeden Kirchentag ein eigener Trägerverein gegründet. Der jetzige heiße "32. DEKT 2009 e.V.", eingetragen beim Amtsgericht in Bremen. Gründungsmitglieder seien Personen des öffentlichen Lebens, Finanzfachleute aus der Diakonie und zwei im Organisieren geübte Theologen.

Um öffentliche Zuschüsse zu bekommen, gelten für den Trägerverein dieselben Bedingungen wie für andere gemeinnützige Projekte: Den Behörden muss ein Haushalt vorgelegt werden, der auch eigene Mittel oder Einnahmen ausweist.

Auch die Ausgaben müssen vorab detailliert geplant und aufgeschlüsselt werden. Beim Kirchentag sind dies vor allem Reisekosten für die ehrenamtlichen Planungs-Gremien im Vorfeld (1,3 Mio), Mieten für Verantaltungsorte wie das Messegelände (5 Mio), Fremdkosten für den Aufbau von Zelten, Beschallung, Wasserversorgung o.ä. (4,7 Mio), Druck von Programmheften, Plaketen und Inserate (1,3 Mio), Personal, Büroräume, Fahrzeuge (4,9 Mio). In der Summe wieder die 14,2 Mio, die auch auf der Einnahmenseite erwartet werden.

Die immensen Zuschüsse zu den Einnahmen gibt die öffentliche Hand übrigens auch aus egoistischen Gründen: Der Kirchentag ist ein Wirtschaftsfaktor. Studien aus Hamburg (1995) und Leipzig (1995) belegen, dass eine größere Summe wieder hereinkommt, als man gibt, und zwar in Form von regionalwirtschaftlichen Effekten während der Veranstaltung und touristischer Akzelerationseffekte danach: Die überwiegende Zahl der Kirchentagsteilnehmer besucht die gastgebende Stadt zum ersten Mal, hat aber ein Kirchentag keine Zeit, sich alle Sehenswürdigkeiten anzusehen. Ein großer Teil kommt nach ca. einem Jahr zurück, um das nachzuholen. Insgesamt wird in Bremen mit Effekten von 10-12 Mio gerechnet. Eine Studie darüber ist für den August vorgesehen.

[Anm.: Dieser Beitrag wurde um 17:30 nach Anfruf von Volker Knöll bearbeitet und am 25.05. nachbebildert]

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Bis Samstag erschienen im meinem Blog unregelmäßig Berichte vom Kirchentag, die mit diesem Schlagwort versehen sind. Berichte anderer Freitag-Blogger/Publizisten und weitere Berichte aus meiner Feder können ggf. durch Klick auf dieses Schlagwort (unter dem Titel) aufgerufen werden.

Bisher erschienen:

Neues vom Kirchentag: Freier Eintritt für Hartz-IV-Empfänger

Von gemalten und echten Soldaten. Perspektiven einer Kanzlerin

Bundesweite Volksentscheide? Steinmeier und Münte unterschreiben

Kirchenasyl: Wenn ein Grundrecht verschwindet

Hartz IV: Geld zurück für Kirchentagsbesucher

Sven Giegold: Wenn nicht jetzt, wann dann?

Schorlemmer will Ökumenischen Kirchentag boykottieren

Priorisierung und Rationierung oder "Medizin bei knappen Kassen"

Die Hoffnung verteidigen, nicht die Unerlässlichkeit des Christentums

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Geschrieben von

ChristianBerlin

Theologe (Pastor) und Journalist, Berlin. Mitglied im Journalistenverband Berlin-Brandenburg (JVBB) und im Pfarrverein-EKBO. Singt im Straßenchor.

ChristianBerlin

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