Das hat Ruprecht Polenz natürlich nicht gesagt. Statt dessen sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses heute Abend in der ARD-Sendung "hart aber fair" wörtlich:
- "Wir haben jetzt wieder gehört, dass die Staatsanwaltschaft nach diesem Vorfall bei den Tanklastzügen ein Ermittlungsverfahren einleitet. Das ist nach Recht und Gesetz in Deutschland so, aber es ist natürlich auch so, dass die Eröffnung eines solchen Ermittlungsverfahrens im allgemeinen in der allgemeinen Beurteilung schon fast wie eine Verurteilung aussieht. Und ich würde mir wünschen, dass wir mal gemeinsam darüber nachdenken, wie wir hier zu einer anderen Regelung kommen, damit deutsche Soldaten, vor deren Leistung ich höchsten Respekt hab, genauso wie der von deutschen Polizisten von den Wiederaufbauhelfern in Afghanistan, dass die nicht balancieren müssen zwischen Angst um das eigene Leben, Gefahr, der sie sich ausgesetzt sehen, und der Staatsanwaltschaft in Potsdam."
Nur: Kann mir jemand den Unterschied zwischen beidem erklären?
Kommentare 24
Ich hatte gerade angefangen, mich zu wundern und zu fragen, warum von dir so lange nichts mehr zu hören gewesen ist. Aber jetzt bist du ja wieder an Bord.
LG
Titta
Schön, dass Du mal an mich gedacht hast :)
Ich komme zurück aber mehr getrieben, als gezogen, weil mich das Thema so erschüttert und ich nicht weiß, wohin mit meinem Unmut. Hier, dachte ich, werde ich ihn am leichtesten los. Und bestimmt versteht ihn hier auch irgendwer - wo sonst, wenn nicht hier?
LG Christian
Das Beste wäre doch, allen teutschen Soldaten, die am Hindukusch und bald sonstwo noch D. verteidigen, wie den "es geht nicht um Parteien"-Abgeordneten des Bundestages die allgemeine Immunität zu verleihen.
So ist der Vorschlag von Herrn Polenz wohl auch gemeint. Anders kann ich ihn nicht verstehen.
Nur dass die Immunität von Abgeordneten, sobald Staatsanwälte ermitteln, regelmäßig von ihren Kollegen aufgehoben wird (wie jünst beim einzigen Piraten im Parlament). Selbst davor sollen Soldaten und deren Kommandeure offenbar jetzt geschützt werden.
In dem Zusammenhang:
gestern, äh, vorgestern war doch die Einweihung von diesem Bundeswehrdenkmal oder wie immer das heißt. Die Berichterstattung dazu fand ich schrecklich, nur auf der Gefühlsebene daherreitend von wg. den armen Angehörigen, die nun endlich einen Ort für ihre Trauer haben. Nix dagegen. Aber in einer Armee lernt man nun mal das Töten, auch wenn man es Verteidigung von Recht und Freiheit nennt.
Verteidigen kann man diese Werte auch durch zivilien Ungehorsam. Und zwar viel effektiver. Aber das stelle man sich mal vor, ein Volk, das sich in zivilem Ungehorsam übt. Wo kämen wir denn da hin?
War das nicht das, weshalb die USA sich nicht dem Weltgerichtshof unterstellen wollen? Oder verwechsel ich da was?
echt? die fahren dann alle nach berlin und trauern da rum? sollten se mal tun... dann hat der jeweilige verteidigungsminister immer wieder und aufs neue einen schönen anblick und .. viel wichtiger, einen stets wachsenden mob vor der haustür.^^
mfg
mh
@Titta
[Zitat]Verteidigen kann man diese Werte auch durch zivilien Ungehorsam. Und zwar viel effektiver[/Zitatende]
Kennst Du dafür überzeugende historische Beispiele?
Ich meine, damit ziviler Ungehorsam den gewünschten Effekt erreichen kann, muss es günstige Voraussetzungen geben. Diese Voraussetzungen haben 1920 und 1989 in Deutschland halbwegs gepasst. Aber nicht 1953, 1956 in Ungarn, 1968 in Prag, 1981 in Polen oder 1989 in China. In Persien sieht es durchwachsen aus. Und bei den Taliban bin ich mir sicher, dass sie alles auslöschen, was sich ihnen zivil ungehorsam in den Weg stellt. Das haben sie jedenfalls vor dem Einmarsch so gehandhabt, nicht anders als die Nazis bei uns oder in den besetzten Gebieten.
Trotzdem stimme ich Dir zu.
Vielleicht treffen sich an dem Denkmal ein paar Mütter und bilden so eine Organisation wie in Russland.
Aber ist dieses Denkmal eigentlich frei zugänglich oder muss man sich einen Termin zum trauern holen?
@Titta
Insgesamt gibt es fünf Möglichkeiten, gegen Kriegsverbrecher vorzugehen:
- (landeseigene) Zivilgerichtsbarkeit
- (landeseigene) Militärgerichtsbarkeit
- drittstaatliche (z.B. gegnerische) Militärgerichtsbarkeit
- drittstaatliche (dto.) Zivilgerichtsbarkeit
- eine internationale Gerichtsbarkeit
Für alle fünf Varianten gibt es Beispiele.
Die USA weigern sich, ihre Soldaten und Kommandierenden irgendeiner Gerichtsbarkeit zu unterwerfen, die nicht ihre eigene ist, machten aber - selbst unter G.W. Bush - von der eigenen Gerichtsbarkeit Gebrauch (z.B. bekam Lindy England 3 Jahre wegen Beteiligung an Folterungen und Demütigungen in Abu Ghraib).
Herr Polenz scheint dagegen umgekehrt die Zuständigkeit deutscher Zivilgerichte abschaffen zu wollen. Den internationalen Gerichtshof stellt er in seiner Zuständigkeit für deutsche Soldaten (noch) nicht in Frage. "Noch", sage ich bewusst. Was deutsche Politiker sagen werden, wenn Klein oder andere dort angeklagt würden (wenn das in Deutschland nämlich nicht mehr geht, wäre das eine denkbare Konsequenz), ist noch nicht raus.
Ich werde nachher gleich mal nachsehen, wenn ich auf dem Weg zu meiner dayly soap bin.
@ Christian: "Die Taliban" sind nur eine kleine Rag-Tag-Gang, die werden größer geredet als sie wirklich sind. Der Widerstand der afghanischen Bevölkerung ist flächendeckend und das hat bekannte Gründe, aber es sind doch nicht alles Taliban. Wie das Beispiel Dafur/Chad die Relativität des UNO- Konzepts von "Responsibility to Protect" zeigt werden Kriege nach wirtschaftlichen Interessen entschieden. Jedenfalls ist es für mich genauso hinterhältig als Pilot in der Wüste von Nevada zu sitzen von dort aus eine Drohne zu fliegen mit der ich meine "Hellfire"-Raketen auf Zivilisten abschieße wie ein Kamekaze-Selbstmord-Attentäter. Und genau das ist der Grund warum der Widerstand gegen die ISAF in Afghanistan täglich zunimmt. So, und das bringt uns zu dem Schluss das diejenigen die diesen Einsatz(e) erlauben zur Verantwortung gezogen werden müssen, NICHT der dort, aus welchen Gründen auch immer, die Befehle ausführt.
Pardon, ich wollte sagen: Gegen mutmaßliche Kriegsverbrecher. Die Unschuldsvermutung muss selbstverständlich auch für sie gelten - jedenfalls solange der Rechtsstaat nicht zu den Kriegsopfern gehört.
Sorry, falsch lokalisiert. Der letzte Post gehört unter den nächsten Kommentar.
Danke für den Kommentar hier - und Deine ergänzende Begrüßung für Sabine W. an anderer Stelle. ;)
Das erste Deiner Argumente kam auch gestern in der zitierten Sendung - der moralische Vergleich zwischen dem anonymen Töten durch Knopfdruck aus dem Flugzeug heraus und dem Selbstmordattentat - und zwar von Jürgen Todenhöfer.
Die Konsequenz, die Du daraus ziehen möchtest, kenne ich aus der Diskussion um die Mauerschützen. Aus meiner Sicht führt es in die absurde Konsequenz der Kollektivschuld. Denn die Politiker handeln im Auftrag ihrer Wähler. Du hast am Ende niemanden mehr, den Du greifen kannst: Der Führer begeht Selbstmord, Honecker wird krank und Mielcke dreht durch - und alle anderen sagen dann: "Ich war's nicht, die warn's".
Ich meine, jeder sollte damit rechnen müssen, für sein Tun verantwortlich gemacht zu werden. Wer sich "unten" etwas selbst entschieden hat und sich nicht auf einen Befehlsnotstand berufen kann, muss seinen Teil der Verantwortung genauso tragen, wie diejenigen "da oben", die, kaum an die Macht gelangt, ihrem ethischen Sensibel den Rücken kehren. Und das zugunsten eines blinden Zweckoptimismus, der ihnen die Realität vielleicht gekonnt verschleiern hilft, aber nicht, sie zu bewältigen.
@CB: So sehe ich das auch.
Jeder sollte für sein Handeln auch Verantwortung tragen, ABER: Inwiefern wissen diejenigen, die die Befehle ausführen überhaupt, was wirklich vor sich gut? Wenn ihnen Informationen vorenthalten werden, ist das schon wieder etwas komplizierter.
Ruprecht Polenz, CDU, kommt aus Münster, dem schönen beschaulichen Oberzentrum Westfalens, und manchmal sehe ich ihn nach dem Einkauf auf dem Markt am Domplatz auf der Terasse des Marktcafés sitzen, friedlich lesend, schauend auf den mächtigen St. Paulus Dom. Man glaubt dann gar nicht, daß man sich für kath. Äußerungen aus dieser schönen Stadt schämen müßte, weil: man selbst denkt ja nicht in solcher Sippschaftsverantwortung und nationalen Kategorien, die im Rest der Welt verteidigt werden sollten. Aber seine C-Deppen haben schon wieder den OB gestellt, wegen depperter Wähler.
Wohin, wohin, wo Sinn?
@Mondstadt
Man sagt, in jedem Krieg stirbt die Wahrheit als erstes. Bekannt ist aus dem 2. Weltkrieg vor allem die "Partisanen-Lüge". In den Gemeinden, wo vorübergehend Außenstellen von Konzentrationslagern errichtet wurden, wurde der Bevölkerung erzählt, die Gefangenen seien Partisanen, die deutsche Soldaten im Ausland hinterrücks überfallen hätten. Mit derselben Lüge wurden am Schluss 17/18jährige SS-Rekruten dazu gebracht, die Zivilbevölkerung z.B. in unzähligen Gegenden Norditaliens auszulöschen.
Was mich jetzt so erschreckt hat, ist, dass das Wort "Partisanen" in Afghanistan nur durch den Begriff "Taliban" ersetzt werden muss, und dieselbe realitätsverfälschende Rechtfertigung fürs Zivilistentöten funktioniert offenbar immer noch.
Bei solchen Desinformationslagen beginnt die persönliche Verantwortung der Desinformierten da, wo sie etwas merken oder zumindest etwas hätten merken müssen.
Keine Angst, Rainer, ich nehme Dich nicht für alles, was aus Münster kommt, in die Mithaft - und hoffe, dass Du mich nicht für jede Äußerung meiner Mitchristen drankriegst.
Vielleicht sollten wir Herrn Polenz die Chance geben, seine Äußerung hier richtig zu stellen, vielleicht verstehe ich sie ja falsch, ich hoffe das insgeheim immer noch. Ich werde ihm mal über seine Webseite eine Notiz oder eine Mail schreiben, dass er wenigstens Bescheid weiß, dass er hier kritisiert wurde. Wenn er den Mut hat, stellt er sich der Diskussion. Wenn nicht, kannst Du ihn ja noch mal beim Einkaufen ansprechen.
Wieso eigentlich "wieder"?
Das ist eine doppelte Anspielung.
Wen das an den diesjährigen Wahlslogan einer bestimmten Partei erinnert, könnte auf die Idee kommen, dass ich hier Kritik an einem bestimmten Oppositionspolitiker mitbeimischen wollte, weil er sich rückgratlos hinter die Regierung gestellt hat, statt sie zu stellen, wie es seine Aufgabe gewesen wäre. Ganz Unrecht hätte er damit nicht...
"Wen das an den diesjährigen Wahlslogan einer bestimmten Partei erinnert"
...daher die Übelkeit. Ich hatte mir schon Sorgen gemacht. Aber dann hab ich nur zuviel Westerwelle gegessen.
Die zweite Anspielung ist sehr viel ernster. Bis 1945 galt de jure im Deutschen Militär noch das Militärstrafgesetzbuch von 1872.
Eigentlich hätte desse § 47 deshalb verhindern müssen, dass Kriegsverbrechen sich lohnen. Der bestimmte:
[Zitat MStGB § 37]Wird durch die Ausführung eines Befehls in Dienstsachen ein Strafgesetz verletzt, so ist dafür der befehlende Vorgesetze allein verantwortlich. Es trifft jedoch den gehorchenden Untergebenen die Strafe des Theilnehmers:
1) wenn er den ihm ertheilten Befehl überschritten hat, oder
2) wenn ihm bekannt gewesen, daß der Befehl des Vorgesetzten eine Handlung betraf, welche ein bürgerliches oder militärisches Verbrechen oder Vergehen bezweckte.[/Zitatende]
Mit anderen Worten: Der § 47 des deutschen Militärstrafge setzbuches schränkte die Gehorsamspflicht auf rechtmäßige Befehle ein, so dass Kriegsverbrechen nicht unter Befehlsnotstand begangen werden konnten.
Dies war jedenfalls die Auffassung der Nürnberger Richter. Die Rechtsabteilung des Oberkommandos der Wehrmacht vertrat allerdings - ähnlich wie z.T. die Verteidigung - die Auffassung, dass Führerbefehle seit spätestens 1942 Gesetzesrang hätten und selbst Strafgesetze außer Kraft setzen.
Mit diesem Rechtskonstrukt sollten deutsche Soldaten damals überzeugt werden, dass sie den Strafbestimmungen des allgemeinen Zivilrechts entzogen sein - eine Logik, die die Hemmschwelle zur Teilnahme an Kriegsverbrechen sehr wahrscheinlich gesenkt hat. - In der Verbindung dieser scheinbaren strafrechtlichen Immunität mit Anreizen wie Heldenauszeichnungen konnte der Eindruck entstehen, dass sich Kriegsverbrechen tatsächlich lohnen. Das alles ist lange bekannt.
Neu - aber nicht wirklich neu - ist jetzt der Versuch, die strafrechtliche Behinderung unserer Soldaten im Ernstfall "wieder" zu senken. Die Verbindung mit kursierenden Ehrennamen für Oberst Klein ("Held von Kundus") lässt mich das nichts Gutes ahnen.
Es scheint ehernes Gesetz zu sein, dass sich Geschichte zwar nie exakt wiederholt, aber immer mal wieder in neuem Gewande.
Oder ist diese Analogie völlig abwegig? Ich hoffe ja immer noch, dass ich Herrn Polenz nur missverstanden habe.