Meine FreitagsPause (1): Zwischenbilanz

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Hermann Hesses Gedicht „Stufen“ bürste ich gerne gegen den Strich mit der Frage: Wenn ich die erste Stufe kenne, wozu dann noch die lange Treppe ganz hinaufgehen? Wie es weitergeht, weiß ich doch schon.

Nach sechs Wochen intensiven Testens ist mir jedenfalls klar, was man als FreitagsBlogger erreichen kann, und was nicht. Mit ein wenig Fleiß durfte ich in diesen sechs Wochen z.B. mit einem Zitat bei den „best of“ in der Printausgabe stehen, war mal ganz oben auf der Rankingliste der Meistkommentierten, mein Nickname stand in vier Blogbeiträgen und etlichen Kommentaren anderer Communitymitglieder, ich konnte kleine Minitrends in Gang setzen und elf Abonnenten werben, zwei davon aus der Redaktion. Immerhin.

Was ich nicht erreicht habe, sind Sternchen plus Beförderung, was angeblich hier so ähnlich wie beim Bund irgendwie zusammenhängen soll. Das will aber nichts heißen. Es scheint nämlich, dass nur wenige User anderen überhaupt positive Bewertungen geben wollen. Klickt man bei Freitag.de auf „Beste Wertung“, dann ist auf allen Zeitebenen (7 Tage, Monat, Bisher) chris97 mit „Das Versagen des Freitag“ einsamer Spitzenreiter. Der hat immerhin ganze drei Bewertungen gekriegt hat – wenn auch nur mit einem Stern.

http://earthgoo.de/Beste_Wertung.jpg
Die "Beste Wertung" hat "Bisher" der Beitrag "Das Versagen des Freitag"

Was ich außerdem nicht erreicht habe, ist eine auf Dauer spannende Diskussion zu entfachen. Für mich heißt das, dass ich in der Diskussion erkennen kann, ob ich verstanden wurde oder nicht und dass Widerspruch mit handfesten Argumenten untermauert wird. Das kam zwar vor, z.T. sogar mit Hinweisen auf aufschlussreiche Literatur oder Links. Aber oft genug redeten wir konsequent aneinander vorbei. Und die Quote derer, die gemeinsam um ein Verständnis der Realtität ringen wollen, schien zunehmend abzunehmen gegenüber jenen, die sich die Welt widewide-wie-es-mir-gefällt machen möchten um das dann als ihre freie Meinung zu verbreiten.

Letzteres gilt leider auch für das Konzept der Redaktion. Chefkritiker Chris und Cem(b) sind sich einig: „In einer Wochenzeitung kann man keine Tagesaktualität haben. Eher Meinung und Hintergrundberichte. Kommentare, Glossen und Essays.“ Selbst wenn das zutrifft, kommt mir im Freitag die Textsorte Hintergrundbericht zu kurz. Bei den anderen - Kommentar, Glosse und Essay – habe ich immer den Verdacht, man will sich ein gutes Thema nicht mit zuviel Recherche versauen.

Andere Wochenmagazine oder –zeitungen stellen regelmäßig unter Beweis, dass es auch anders geht. Aus zweien davon konnte ich deshalb gelegentlich Informationen wiedergeben, die im Kontrast zu den im Freitag vertretenen Behauptungen standen. Nach sechs Wochen ist aber klar, dass der Freitag in diese Konkurrenz nicht hinein will, und ich muss aufhören, die irreführenden Stilblüten der verdächtigen Textsorten zu zerpflücken, als hätten sie den Anspruch, die wirkliche Welt zu beschreiben und zu deuten. Der Namensbeitrag über die „Mitleidindustrie“ von Götz Eisenberg bewegte sich z.B. formal an der Grenze zwischen Spekulation und Desinformation – verteidigt hat das bisher niemand, nicht mal der Autor selbst.

Was jeden weiteren Kommentar überflüssig macht, ist deshalb die Tatsache, dass wir Blogger von der Redaktion sowie nicht ernst genommen werden – und von deren Autoren erst recht nicht. J.A. und das Team, das die Blogosphäre betreut, sind da eine erfreuliche Ausnahme, aber mehr auch nicht.

Am deutlichsten wurde mir das an einem eher untypischen Beispiel. Dem Autor Uli Heyden hatte ich sozusagen „Liebesgrüße nach Moskau“ geschickt - mitsamt der Kritik, dass ich gern mehr Hintergründe zur aktuellen Anklage gegen Chodorkowskij gekannt hätte. Auf die Kritik ist Uli eingegangen, die Grüße hat er schlicht ignoriert. Dabei bin ich vor vier Jahrzehnten für ihn durchs Feuer gegangen und wäre fast von der Schule geflogen.

Von Uli hatte ich 1971 als 14jähriger gelernt, dass die Bourgoisie uns mit ihrem Sprichwort „lieber tot als rot“ das genaue Gegenteil suggerieren will: dass rot zu sein so schlimm ist, dass allenfalls der Tod noch schlimmer sein könnte. Erst Hannes, unser Direktor, machte uns deutlich, dass es bei tot und rot um keine Alternative geht, sondern für ihn beides dasselbe bedeutet. Er profezeite uns, dass mindestens einer seinen Hut nehmen muss, entweder er oder wir – nur für den Fall, dass wir ernst meinten, was in unseren Flugblättern stand. Hier mag einer der Gründe liegen, dass sich unsere Wege dann trennten, aber keineswegs im Streit.

Natürlich weiß ich, dass Uli meine Grüße nicht zuordnen konnte. Aber warum fragt er dann nicht nach – wie es normal wäre? Ich kann mir das nur damit erklären, dass wir Blogger eben nicht normale Menschen sind, sondern irgendetwas, was man als Autor besser nicht für voll nimmt.

Das alles kann einem Blogger egal sein, solange wenigstens sein Follower-System funktioniert. Ab dem 4. März ging es sogar mal – allerdings nur für kurze Zeit. Inzwischen hat sich herausgestellt, dass wieder Abonnenten keine Benachrichtigung bekommen haben. Man selbst merkt das gar nicht, außer wenn sich andere beschweren.

Noch im Februar hatte ich meinerseits vier Blogs abonniert. Da kam ebenfalls nie eine Mail, was allerdings nicht am System lag. Hier geschah etwas anderes, noch Seltsameres. Da gefielen mir – einem manchmal vielleicht überkritischen Leser – die Beiträge von drei Journalistenkollegen so gut, dass ich deren Blogs abonniere, und wenn das Benachrichtigungssystem endlich funktioniert, sind die inzwischen verstummt.

EtienneRheindahlen (Journalist): Vom 07.02. bis zum 03.03. sieben Beiträge und 31 Kommentare. Danach: Schweigen.
hneu (Journalist): Vom 31.01. bis zum 09.02. drei Beiträge und 14 Kommentare. Danach: Ruhe.
cms (Journalist): Vom 14.02. bis zum 26.02: vier Beiträge und 34 Kommentare. Danach: Nichts mehr.

Kann das Zufall sein, oder ist das repräsentativ – und welche Dunkelziffer abgewanderter interessanter Schreiber verbirgt sich ggf. dahinter? Womit waren sie ggf. so unzufrieden, dass sie das nicht einmal ihren Followern verraten haben?

Die Antwort auf die erste Frage kann nur vom Freitag kommen (eine Recherche von außen wäre zwar machbar, aber sehr aufwändig), die auf die zweite nur von verstummten Bloggern.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

ChristianBerlin

Theologe (Pastor) und Journalist, Berlin. Mitglied im Journalistenverband Berlin-Brandenburg (JVBB) und im Pfarrverein-EKBO. Singt im Straßenchor.

ChristianBerlin

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden