Neues vom Kirchentag: Freier Eintritt für Hartz-IV-Empfänger

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Wie die Hamburger Kultursenatorin und Präsidentin des Deutschen Ev. Kirchentages Karin Freiin von Welck soeben auf der heutigen Pressekonfernz bekannt gab, haben ab sofort einkommensschwache Kirchentagsbesucherinnen und -besucher freien Eintritt, wenn sie entsprechende Nachweise mitbringen - vorzulegen im Bremer Kirchentagsbüro gleich hinter dem Bahnhof. Und das nicht, weil es an Besuchern mangeln würde: Schon gestern, am Abend der Begegnung, seien geschätzte 300.000 Besucher in die Innenstadt geströmt. Schon bei den drei Eröffnungsgottesdiensten seien 84.000 Teilnehmer gezählt worden, 5.000 mehr als vor zwei Jahren in Köln, und die Bar-Kollekte haben mit 90.000 Euro - trotz Krise - sogar fast doppelt soviel erbracht wie in der Euphorie des Aufschwungjahres 2007.

Zum 60. Geburtstag hat das Kirchentagspräsidium unter dem Titel "Fest des Glaubens, Forum der Welt" einen dokumentarischen Rückblick auf die große Zeit der Bewegung herausgegeben, aus dem Tilman Jens bereits einen Film gemacht hat, der gestern Abend in der ARD zu sehen war. Der Sohn des bekannten Tübinger Rhetorik-Professors und Autor vieler, auch kirchenkritischer Fernsehbeiträge erinnerte bei der Präsentation an die Höhepunkte der Bewegung, die er fast von Anfang an mitverfolgt hatte: Die Einflussnahmen der Adenauer-Adminsitration in den 50ern, mit dem Ziel, Niemöller möglichst zu verhindern und konservativen Theologen dort ein stärkeres Forum zu verschaffen, den letzten gesamtdeutschen Kirchentag vor dem Mauerbauauf dem Boden der DDR 1954 in Leipzig und den Eklat um den dort erklärten Verzicht Klaus von Bismarcks auf seine Ländereien im heutigen Polen, an den Auszug vom Stuttgarter Killesberg zum Baden-Würrtembergischen Landtag 1969 und die Sondersendung der ARD "Rebellion in Suttgart" mit Emil Obermann als besorgtem Redakteur im Studio, an die lila Tücher, die 1983 in Hannover die Kirchentagsbesucher in der Friedensfrage etwa 50 zu 50 teilten, an die sieben regionalen Kirchentage desselben Jahres in der DDR mit derselben Thematik, bis hin zu jenem in Wittenberg, wo ein Schmied, der später ausreisen wollte und von den eigenen Freunden dafür drangsaliert wurde, aus einem Schwert eine Pflugschar schmiedete.

Nach 1990 sei es stärker spirituell geworden, so Tilman Jens, denn das große Ziel der Evangelischen Christen in Deutschland, die Einheit (auch die ihrer Kirche), war erreicht worden. Er bedaure das sehr, denn an Themen würde es nicht mangeln. Zwei davon, die Karin von Welck sofort benannte, unsere Verantwortung in der Weltwirtschaftskrise und unsere Verantwortung im interreligiösen Dialog, bildenin Bremen sogar einen thematischen Schwerpunkt. Doch Tilman Jens läge daran, dass Kirchentagsteilnehmer nicht nur wieder lernen, in solchen Fragen Forderungen zu stellen, sondern auch wieder aktiv ungehorsam zu sein.

Doch Kirchentagsgeneralsekretärin Ellen Ueberschär wirdersprach: Heute werde gar kein Gehorsam mehr verlangt. Die CO2-Belastung z.B. erzeugten wir vielmehr selbst, indem wir mit dem Auto oder dem Flugzeug in den Urlaub fahren oder flögen.

Über Fragen wie diese kann und wird bis zum Schlussgottesdienst am kommenden Sonntag von heute an in Bremen im Zeichen der Versöhnung heftig diskutiert und gestritten werden.

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Geschrieben von

ChristianBerlin

Theologe (Pastor) und Journalist, Berlin. Mitglied im Journalistenverband Berlin-Brandenburg (JVBB) und im Pfarrverein-EKBO. Singt im Straßenchor.

ChristianBerlin

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