Nicht ohne unsere Muslime!

PEGIDA-Gespräche Diverse Zeitungen thematisieren auch heute die neue Gesprächsbereitschaft einer Regierungspartei mit der PEGIDA - und verharmlosen beides. Ein verärgerter Kommentar

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Wenn PEGIDA PEGJUDA hieße, wäre die Sache eindeutig - neonazistisch. Gegen die Judaisierung des Abendlandes sind in Deutschland schon einmal Patrioten marschiert, die Wendeverlierer der Weimarer Republik. Deren Probleme hatten zwar nichts mit Juden zu tun, doch eine Bewegung, die genau das unterstellte, bot ihrem Unmut die beste Plattform, ihn im Schutz der Masse auszuleben und sich aus der gefühlten Ohnmacht durch die Bedrohung ihrer vermeintlichen Verursacher zu befreien. Diese Ventilfunktion verleiht einem Mythos besondere Glaubwürdigkeit, wenn es ihm gelingt, die Verantwortung für die eigene Schwäche nicht bei Stärkeren, sondern bei Schwächeren zu verorten. Die lassen sich am ehesten wirksam bedrohen.

PEGIDA ist die Wiederkehr genau dieser Dynamik aus dem Gruselkabinett des Menschenmöglichen. Nur dass deren Mythologie jetzt, nachdem es hier kaum noch Juden gibt, eine vermeintliche „Islamisierung“ als Hauptursache aller Probleme des Abendlandes ausmerzen will. Hinter dieser Kausaltheorie verbirgt sich als Konsequenz die Entsolidarisierung mit einer leicht identifizierbaren Bevölkerungsgruppe, deren reale und gefühlte Probleme sich von denen der Marschierenden kaum unterscheiden, denen man aber vereint entgegenhält: „Wir sind nicht überflüssig – ihr seid es. Wir sind das Volk, nicht ihr.“

Was PEGIDA zu PEGIDA macht, ist neonazistisch, nicht anders seinerzeit als bei PEGJUDA. Vereinzelte Hakenkreuze und „Sieg Heil“-Rufe, rechtsradikal vorbelastete Organisatoren, volksverhetzende Bilder und Zitate bei facebook oder das goebbelssche Unwort „Lügenpresse“ sind nicht störendes Beiwerk oder Akzidenz von KÖGIDA, LEGiDA oder PEGIDA, sondern Ausfluss der Substanz dieser Bewegung.

Wer unter einem bereits in der Selbstbezeichnung neonazistischen Banner mitläuft, ist Neonazi, auch als Mitläufer. Deshalb ist es falsch, wenn die Politik eine moralische Trennlinie zwischen Organistatoren und Mitläufern zu ziehen zu können glaubt. Die auf der Straße erlebbaren verängstigenden Hasstiraden der einen sind für Menschen mit anderer Hautfarbe so schlimm wie die Facebook-Sprüche der anderen.

Es kann deshalb nur einen Ansatz geben, um mit PEGIDA zu reden: Wenn die Politik oder die Landeszentrale für politische Bildung dies tun will, weil auch sie Teil unseres Volkes sind, muss sie vorab klarstellen, dass sie das Volk nicht alleine sind. Die von ihnen Ausgegrenzten müssen mit dabei sein, sonst kein Gespräch. Mit PEGIDA reden ja, aber nicht ohne unsere Muslime! Erst dann hätte man einen wirklich „runden“ Tisch, auf den von allen Seiten dann die Probleme kommen könnten, die es in diesem Kontext gibt. So könnte politische Einbildung durch politische Bildung ersetzt werden.

Über diese Schwelle sollten PEGIDA-Anhänger oder –Organisatoren gehen müssen. Wer das nicht möchte, ist kein ausgegrenztes Opfer, sondern Ausgrenzer. Aber würden jene mitmachen, die hier aufgrund einer verdächtigen Hautfarbe von PEGIDA-Anhängern primär diskriminiert werden - Muslime, Aleviten oder orientalische Christen? Haben sie dazu nicht nur die nötige Wut, sondern auch den erforderlichen Mut? Das Risiko, wenn es am runden Tisch statt zur Befriedung zur Eskalation kommt, ist für sie als vermeintlich schon am Aussehen identifizierbare Bevölkerungsgruppe deutlich höher als für die vermeintlich allenfalls am Dialekt erkennbaren PEGIDA-Anhänger. Was fehlt, um den notwendigen Mut nicht zum Übermut werden zu lassen, ist eine nicht-bevormundende Rückendeckung durch Politiker oder christliche Kirchen, die einer eigenständigen Stimme Gehört verschafft, weil nur sie Dinge überzeugend wieder zurechtrücken könnte, wenn etwas schief läuft. Vernünftig scheint für die PEGIDA-Diskriminierten deshalb eine scheinbar riskoärmere Bewältigungsstrategie zu sein: Füße still halten, intern eine Meinung haben, sie aber nicht öffentlich machen. Und montags besser zu Hause bleiben.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

ChristianBerlin

Theologe (Pastor) und Journalist, Berlin. Mitglied im Journalistenverband Berlin-Brandenburg (JVBB) und im Pfarrverein-EKBO. Singt im Straßenchor.

ChristianBerlin

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