"OpenReichstag“ - Wie das ZDF CNN toppen will

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"Bloße VideoBlogs sind inzwischen OldSchool." Tobias Moorstedt analysiert die "Wahl im Netz" für das ZDF-vlog elektrischer-reporter.de . Der neue Rückkanal "OpenReichstag" ist eine Konsequenz solcher Erkenntnisse.

„Politiker fragen, Bürger antworten.“ Die Umkehrung von Reinhard Appels legedendärem Sendekonzept der 70er und frühen 80er ist nur einer von mehren Ansätzen, wie das ZDF mit seinem neuen YouTube-Kanal „OpenReichstag“ den diesjährigen Wahlkampf demokratisieren und vor allem die große Zielgruppe der Jungwähler politisch interessieren will.

Diese Altersschicht kann heute nicht mehr über klassische Sendeformate erreicht werden. 60 Prozent von ihnen bezieht aktuelle Informationen primär aus dem Internet. Ihr soziales Zuhause sind kleine oder große Communities wie StudiVZ, SchülerVZ oder YouTube. Die öffentlich-rechtlichen Programmmacher wissen das seit langem – und ziehen die Konsequenz: „Wir gehen hin, wo sie sind, weil wir nicht warten wollen, bis sie zu uns kommen“, ist für ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender der folgerichtige und einzige Weg, dem Programmauftrag auch bei dieser Zielgruppe gerecht zu werden.

Zu keinem Zeitpunkt kann deren Kommunikationsbedürfnis im Mitmachweb besser entsprochen werden, als im Wahlkampf. Denn in dieser kurzen Periode suchen auch Politiker die Nähe zum Volk und das Gespräch mit jedermann.

Auf dem neuen Kanal mit der Adresse youtube.com/openreichstag sind deshalb ab sofort alle wahlbezogenen Beiträge des Senders wie Nachrichten, Dokumentationen oder Spots rund um die Uhr verfügbar - zum Ansehen, Kommentieren oder Kritisieren, per Textbeitrag oder Videoantwort. Zusätzlich sollen Fernsehzuschauer und Kanalbesucher mit Call-to-Action-Videos zum Upload selbstproduzierter Clips animiert werden. Im Call-to-Action-Format konfrontieren entweder „intelligente Kollegen“ wie Claus Kleber, Markus Kavka oder Katrin Bauernfeind oder eben Politiker höchstselbst die Betrachter mit Fragen, in denen es um die Zukunft unseres Landes geht. „Hallo, ich bin Jürgen Trittin, und ich würde gerne von euch wissen: Was sollen wir mit den 4.500 Tonnen hochgiftigen Atommüll machen, die wir in Deutschland haben?“, lautet etwa die Politikerfrage beim offiziellen Start am kommenden Sonntag.

Aus den damit provozierten Uploads will die Redaktion einzelne auswählen, die sie in politische Sendungen einbaut. So werden dort Politikerinnen und Politiker mit der Stimme des Volkes konfrontiert. Die Journalisten wiederum haben sich selbst zu den Bürgerfragen und -themen kundig gemacht und passen auf, dass die Politiker beim Antworten oder Erwidern auch ehrlich bleiben.

Schon deshalb wird es beim ZDF anders zugehen als bei CNN im US-Wahlkampf 2008, wo immerhin 73 von 8000 YouTube-Videos mit Bürgerfragen an die Kandidaten live eingespielt wurden, aber keine Rückfragen möglich waren. „So etwas gehört für mich nicht in den lebendigen Teil unserer Gesellschaft“, kritisiert Nikolaus Brender den in Deutschland ungewohnten, übergroßen Respekt seiner amerikanischen Kollegen vor Politikern.

Auf der Plattform kann sich parallel dazu ein Dialog unter den Usern und natürlich auch mit den Politikern entspinnen. Die müssen nicht auf die nächste Sendung warten, um antworten zu dürfen. Wer das direkte Gespräch mit dem Wähler sucht, kann Statements jederzeit uploaden - vorausgesetzt, er oder sie kann als Politiker mit so komplizierten Geräten wie Videokameras oder Computern umgehen.

Für Google ist diese Zusammenarbeit mit dem ZDF, bei der von keiner Seite Geld zur anderen fließt, „das größte Projekt, das wir weltweit jemals gemacht haben“, wie Unternehmenssprecher Kay Oberbeck auf der heutigen Pressekonferenz im ZDF-Hauptstadtstudio betonte. „Wir freuen uns, dass das ZDF so kreativ ist. Es übetrifft CNN von der Vielfalt her.“ Für die ZDF-Hauptredaktion Neue Medien ist die Kooperation dagegen nur eine von mehreren im Superwahljahr 2009. Weitere junge Zuschauer sollen über Netz-Communities wie StudiVZ, SchülerVZ oder MeinVZ.api gewonnen werden. Letzteres ist ein Erstwählerforum, das auch von der „Zeit“ und dem Tagesspiegel wird. Beide, das ZDF wie Google, sind übrigens für weitere Partnerschaften prinzipiell offen.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

ChristianBerlin

Theologe (Pastor) und Journalist, Berlin. Mitglied im Journalistenverband Berlin-Brandenburg (JVBB) und im Pfarrverein-EKBO. Singt im Straßenchor.

ChristianBerlin

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