"Verpasste Chance". Neuer Hauptstadt-Bischof bedauert Kermani-Streit

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http://earthgoo.de/pfarrverein/Markus.jpg Bei der ersten Pressekonferenz nach seiner Wahl zum Bischof der Ev. Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz bedauerte der Koblenzer Superintendent Dr. Markus Dröge gestern das Vorgehen seiner rheinisch-hessischen Amtsgeschwister Peter Steinacker und Karl Kardinal Lehmann gegen den prominenten Islam-Wissenschaftler und Schriftsteller Navid Kermani. Kermanis umstrittenen Artikel in der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ) habe er zwar nicht gelesen, die Berichte darüber hätten aber seinen Eindruck bestärkt, dass da von der muslimischen Seite ein Gesprächsangebot gemacht worden sei, das auf der christlichen nicht verstanden wurde. "Kermanis Botschaft war doch, dass er durch das Gemälde von Reni mit dem Kreuz etwas anfangen kann." Das sei ein Angebot zu einem vertieften interreligiösen Dialog gewesen. Zwar wachse der vor allem vor Ort und "von unten", doch Gespräche auf der theologischen Ebene, etwa über die gemeinsame Abraham-Tradition, seien nach Dröges Erfahrung für diesen Verständigungsprozess sehr hilfreich.

Navid Kermani hatte am 14. März in einer Bildbetrachtung beschrieben, wie seine ererbten, aufgeklärt-muslimischen Ressentiments gegen das christliche Zentralsymbol durch Guido Renis Gemälde "Kreuzigung" hinfällig wurden und sich neue Perspektiven auf das Christusgeschehen für ihn eröffneten - wenn auch nicht deckungsgleich mit den christlichen Dogmen. Der katholische Mainzer Erzbischof Kardinal Lehmann und Kirchenpräsident Peter Steinacker aus der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) hatten Recherchen der NZZ zufolge darauf wie Muslime auf Mohammed-Karrikaturen reagiert und Kermani "fundamentale und unversöhnliche Angriffe auf das Kreuz" und "schockierende religiösen Intoleranz" vorgeworfen, wodurch sich Hessens Ministerpräsident Roland Koch schließlich gezwungen sah, Kermani den Hessischen Kulturpreis 2009 wieder abzuerkennen, der ihm für "respektvollen und toleranten Umgang zwischen den Glaubensgemeinschaften" zusammen mit Steinacker, Lehmann und Salomon Korn von der jüdischen Gemeinde in Frankfurt hätte verliehen werden sollen (Der Freitag berichtete).

Auch Dröges Amtsvorgänger Wolfgang Huber, der bis zur Einführung seines Berliner Nachfolgers im Herbst noch den Ratsvorsitz in der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) behält, hatte sich zu diesem Vorgang ungwohnt zurückhaltend geäußert. Er sei nicht in der Lage diesen Vorgang aus dem Stegreif zu bewerten, obwohl er sich intensiv damit befasst habe, so Huber gestern im Gespräch mit dem Autor. Ein weiteres Indiz, dass der neuerliche Alleingang Steinackers bei seinen evangelischen Amtsgeschwistern nicht auf einhelligen Beifall stößt. Schon die von Steinacker und der EKHN maßgeblich mitinitierte und geförderte "Bibel für das neue Jahrtausend" war in der EKD auf ein geteiltes Echo gestroffen und schließlich sogar von deren Rat als ungeeignet zur Verwendung in der Verkündigung bewertet worden.

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Geschrieben von

ChristianBerlin

Theologe (Pastor) und Journalist, Berlin. Mitglied im Journalistenverband Berlin-Brandenburg (JVBB) und im Pfarrverein-EKBO. Singt im Straßenchor.

ChristianBerlin

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