Was macht der Bruder bei Broder?

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Der Kettensägenmann des deutschen Journalismus hat den früheren Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland zum Glück nicht in seine Einzelteile zerlegt. Henryk M. Broder konnte sich im Fall von Wolfgang Huber auf die Vorarbeit von anderen stützen und brauchte nur am Ende seines gestrigen Blogbeitrags zur „Achse des Guten“ auf achgut.com in einem ceterum censo auf den Blog seines Kollegen Thomas von der Osten Sacken zu verlinken, der dort fragt, ob man Leuten wie Huber in Teheran was in den Tee getan hat.

Passiert ist Folgendes: Der ehemalige Ratsvorsitzende der EKD war bis vorletzten Donnerstag im Iran unterwegs, um in ferner Zukunft ein interreligiöses Forum unter Beteiligung dieses Gottesstaates auf Schloss Hardenberg vorzubereiten. Dazu führte er Dialoge, hielt Vorlesungen und gewährte dem bei Regimegegnern nicht ohne Grund verhassten Sender Irib ein Interview. Letzteres gab als erstes Oliver M. Piechas den Anstoß zu seinem polemischen Blogbeitrag „Ein Bischof zu Besuch bei Freunden“, den er wie später Thomas von der Osten Sacken auf der Seite des Internationalen Komitees gegen die Unterdrückung des iranischen Volkes (freeirannow.wordpress.com) veröffentlichte. Beide Autoren stört, dass Huber damit die Forderungen des Komitees verletzt, das vom iranischen Volk vergeblich abgewählte Gewaltregime nicht anzuerkennen.

Auf den ersten Blick ist es ein Leichtes, solche Kritik zu entkräften und umzudrehen. Broder, der sich den beiden anschließt, tut das in einem Blogbeitrag mit dem Titel „Obama, tu was“, indem er gegen einen Folterstaat, den er so nennt, an den Präsidenten eines anderen Folterstaates appelliert, ohne diesen so zu nennen. Und Piechas Vorwurf, der frühere Bischof habe zu den Menschenrechten im Iran im Interview geschwiegen, geht an den Fakten vorbei. Tatsächlich hat Wolfgang Huber das Thema „Religionsfreiheit“ ins Zentrum seiner Interviewäußerung gestellt und damit die Axt an die Wurzel aller iranischen Menschenrechtsverletzungen gelegt.

In der Zielsetzung deckt sich sein Vorstoß mit der zentralen Forderung des Komitees,die Islamische Republik zu einer säkularen zu entwickeln. Der Unterschied liegt in der Strategie: Die Publizisten wollen das durch Ausgrenzung des Regimes erreichen, während Huber auf Wandel durch Annäherung setzt. Dass der vormals eher islamkritische und integrationsskeptische Bischof jetzt an den interreligiösen Dialog glaubt ihn ausgerechnet mit einer (vermeintlichen) Theokratie beginnen will, mag überraschen, entspricht aber exakt christlicher Logik: Im Rahmen einer arbeitsteiligen Doppelstrategie (guter Bulle - böser Bulle) könnte der Versuch, Wandel durch Annäherung zu erreichen, eine mögliche, wenn nicht sogar die bestmögliche Rolle christlicher Theologie und Theologen sein.

Skeptisch macht allerdings, dass mein Amtsbruder im Ruhestand diesen Weg nicht ging, als er noch Ratsvorsitzender der EKD war. Seine neue Vision eines interreligiösen Dialoges nahm er erst als Kuratoriumsmitglied der Stiftung Schloss Neuhardenberg in Angriff, die dem Sparkassen- und Giroverband gehört. Letzterer hat neben dem Bischof auch Landesvater Matthias Platzeck, Staatsminister Bernd Neumann sowie Seine Exzellenz Mohammed Bagher Korramshad, den stellvertretenden Außenminister der Islamischen Republik Iran, ins Kuratorium berufen. Nicht auszuschließen also, dass hier das Angenehme mit dem Nützlichen verbunden werden soll und es bei diesem interreligiösen Dialog auch um handfeste Wirtschaftsinteressen geht.

Dieser Verdacht erhärtet sich an einer unscheinbaren Stelle des Interviews. Wenn Wolfgang Huber seine Hoffnungen auf den Akademikerstand und die junge Generation im Land setzt, bringt er unüberhörbar versteckt seine Sympathie mit den Trägern der dortigen Hoffnung auf Veränderung zum Ausdruck, von denen im vergangenen Jahr die Grüne Revolution ausging. Allerdings sind viele der damals politisch aktiven Studierenden inzwischen zwangsexmatrikuliert und/oder verhaftet und Professoren, die sie nicht denunzieren wollten, wurden kurzerhand ausgetauscht. Die Freiheit, das unmissverständlich mit anzusprechen, hätte sich Huber früher, als er noch Bischof war, nicht nehmen lassen. Nun sagt der Broder, was der Bruder verschweigt.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

ChristianBerlin

Theologe (Pastor) und Journalist, Berlin. Mitglied im Journalistenverband Berlin-Brandenburg (JVBB) und im Pfarrverein-EKBO. Singt im Straßenchor.

ChristianBerlin

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden