Wie man aufmüpfigen Migranten den Mund stopft

AfD gegen ADD Deutschlands erste Migrantenpartei nach "DENK"-Vorbild droht zu scheitern: Erst kein Konto, dann Namensverbot durch die AfD. Doch ein fb-Eintrag könnte die Wende bringen.

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„Was spricht juristisch dagegen sich Politisch zu äusern oder Partei zu gründen , erst dan ist Integration Vollständig !“, fragte Mesut Demiray, 2. Stellvertretender Vorsitzender im Beirat für Migration und Integration und Fußballer bei Vatan Spor in Hamm/Sieg, am 10. Juni in einer Online-Diskussion über die gerade von dem deutsch-türkischen Unternehmer Remzi Aru angekündigte Gründung einer deutschen Migrantenpartei nach dem Vorbild der holländischen DENK-Bewegung.

Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten. „Mesut,der Krug geht so lange zum Brunnen ,bis er bricht.Euch fehlt es an nichts ,und das in einem fremden Land.Ich gebe Euch einen gutgemeinten Rat ,übertreibt es nicht ! Das soll keine Drohung sein ,aber eine sehr ernstgemeinte Warnung.Wenns den Deutschen reicht dann……. aber das hatten wir schon,nur Heute sind die Züge schneller !“, klärte Josef Herry Seeler, seines Zeichens HSV- und AfD-Fan, das integrationsoptimistische Integrationsbeiratsmitglied sogleich auf.

Mit seiner Parteigründung wollte Remzi Aru laut dem Bericht des ebenfalls eher migrationskritischen Berliner Journals „Herabsetzungen, denen vor allem Türken und türkische Einwanderer in Deutschland ausgesetzt sind“, begegnen.

Dass es wegen Parteigründung an den rechten Rändern zu rassistischen Anfeindungen kommen würde, war Teil des Plans. Womit Remzis sich später so nennende „Allianz Deutscher Demokraten – ADD“ allerdings nicht gerechnet hatte, waren die Möglichkeiten, einer Partei die politische Arbeit durch rechtlich zulässige Schikanen unmöglich zu machen.

Nach dem Grundgesetz ist für Parteienverbote das Bundesverfassungsgericht zuständig. Doch auch Banken können, wenn sie sich einig sind einer Partei kein Konto zu geben, sie faktisch verbieten. Ein halbes Jahr und mehrere Gerichtsverfahren sollte es dauern, bis vor 3 Wochen die Postbank einlenkte und der Migrantenpartei schließlich doch ein Konto gab.

Zuvor hatte die ADD nach eigenen Angaben bei 200 Geldinstituten Absagen bekommen und drei von Filialeitern bereits eröffnete Konten wurden nach Anweisung von ganz oben wieder geschlossen, bereits eingezahlte Beiträge aber nicht an die Konteninhaber ausbezahlt, sondern an Mitglieder und Zuwender zurücküberwiesen.

Eine so bedingte Handlungsunfähigkeit in der Starphase bedeutet größtmöglichen Schaden. Von den ursprünglich nach Ankündigung des Gründers vielfältigen Interessengruppen aus unterschiedlichen Herkunftsländer blieben so wieder einmal nur die seit Erdogans Verkörperung eines neuen osmanischen Selbstbewusstseins immer aufmüpfiger werdenden Türken übrig. Denn die Partei konnte aufgrund der strengen Parteienfinanzierungsvorschriften nicht vorwärts und nicht rückwärts und die nicht unerheblichen Kosten für eine bundesweite Gründung von 16 Landesverbänden ohne ein Konto zu haben einfach nicht zusammenbekommen.

Kaum ist dieses Problem nunmehr gelöst, hat die ADD schon mit dem nächsten zu kämpfen: Die AfD ließ ihr im einstweiligen Verfügungsverfahren vor dem Landgericht Köln kurzerhand ihr Namenskürzel verbieten. Grund: Verwechslungsgefahr.

Bei der mündlichen Verhandlung am gestrigen Dienstag begründete der Vorsitzende Richter seine Entscheidung mit der Verwechselbarkeit der beiden Namenskürzel, die sich nach § 4 des Parteiengesetzes deutlich unterscheiden müssen. Der ADD half dagegen weder der Hinweis, dass auch andere Parteinahmen sich manchmal nur in einem Buchstaben unterscheiden, weil in aller Regel nur „D“ für „demokratsich“ oder „Deutschland“ und „P“ für Partei genutzt würden, noch die spöttische Rückfrage, ob die AfD ihren Wählern nicht einmal zutraue, „f“ und „D“ phonetische oder vom Aussehen der Buchstaben her unterscheiden zu können.

Eine andere Frage, die in der Verhandlung heiß diskutiert wurde, war die der Zulässigkeit des Eilantrages. Zwei in der Öffentlichkeit relativ unbekannte Mitarbeitende der AfD hatten an Eides Statt versichert, bei der AfD allein für Anträge zum Verbot der Nutzung ähnlicher Namen zuständig zu sein und in dieser Eigenschaft erstmal Anfang 2017 von der Existenz der ADD erfahren zu haben, womit der Eilantrag der für die Zulässigkeit maßgeblichen Monatsfrist nach Bekanntwerden der Rechtsverletzung gestellt worden sei.

Die ADD bestritt das mit Hilfe des Nachweises, dass u.a der Rheinland-Pfälzische Landesverbandsvorsitzende Junge und Mitglieder anderer Landesverbände sich bereits im vergangenen Jahr zur ADD öffentlich geäußert hatten. Außerdem hätten anerkannte Leitmedien wie der Focus oder der Berliner Tagesspiegel über die ADD bereits 2016 über die ADD berichtet, sodass aufgrund einer informationellen Holschuld im Rahmen der Betätigung als politische Partei auf den Zeitpunkt der Veröffentlichung abzustellen wäre.

Dem Widersprach das Gericht zumindest insoweit, als dass das Wissen und die öffentlichen Äußerungen von Landesverbandsvorsitzenden dem Bundesvorstand juristisch nicht zugerechnet werden könne. Vielmehr komme es für die Zulässigkeit des Eilantrags auf den Zeitpunkt der Kenntnisnahme durch Mitglieder des Bundesvorstandes an, wo das Gericht aber zumindest Indizien verlangte, dass diese Kenntnis erlangt haben müssten, dann könne auch diesen eine Eidesstattliche Versicherung abverlangt werden. Solange es darauf aber keine Hinweise gebe, reiche die Eidesstattliche Versicherung der beiden Mitarbeitenden aus um davon auszugehen, dass auch der Bundesvorstand keine Kenntnis hatte.

Das Gericht hat die Verkündung seiner Entscheidung auf den 4. April terminiert, kurz bevor der Landeswahlleiter in Nordrhein-Westfalen bekannt gibt, welche Parteien er für die Landtagswahl am 14. Mai zulässt. Remzi Aru rechnet nach diesen Hinweisen des Richters mit dem Schlimmsten. Aus ADD-Sicht "droht auch noch, aufgrund des Gerichtsverfahrens, die Teilnahme an den NRW Landtagswahlen zu scheitern."

Bis zur Verkündung ist aber für beide Seiten noch weiterer Vortrag möglich. Und der könnte die Auffassung des Gerichtes noch einmal verändern.

Was nämlich weder die AfD, noch die ADD bislang bemerkt haben, ist, dass sich auf der Facebook-Seite von Dr. Frauke Petry ein Eintrag vom 21. November 2016 finden lässt, in dem es bereits zu diesem Zeitpunkt um die Namensähnlichkeit der ADD geht und um die Frage, ob man dagegen juristisch vorgehen kann.

Frauke Petrys Facebook-Followerin Sigurd Brecht teilt dort auf deren Seite einen Artikel von der (monentan infolge des Namensverbots abgeschalteten) Website der ADD mit der Überschrift „Die zweite gekündigte Bankverbindung der ADD und die deutsche Justiz“ und leitet dies ein mit der Frage: „Es gibt eine Partei, die dem Namen nach sehr ähnlich ist. Kann das nicht durch das Parteiengesetzt (Name) untersagt werden?“

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Zwar antwortete dort am Folgetag nur die Frauke Petrys Facebook-Followerin Heidel Geisel kurz und knapp mit "Nein". Doch kann ein facebook-Seiten-Inhaber erfolgreich vor Gericht bestreiten, gewusst zu haben, was auf seine Seite geteilt wird - und das an Eides Statt? Oder konnten das bereits die beiden Mitarbeiten an Eides Statt mit Sicherheit für Frauke Petry ausschließen? Oder muss sich die Parteichefin - Eid hin, Eid her - den Inhalt der Hauptposts auf ihrer Facbookseite als Wissen zurechnen lassen? Auch diese im Falle erneuten Vortrags vom Gericht zu beantwortende Rechtsfrage 2.0 bleibt spannend - von den politischen Folgen der Antwort ganz zu schweigen.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

ChristianBerlin

Theologe (Pastor) und Journalist, Berlin. Mitglied im Journalistenverband Berlin-Brandenburg (JVBB) und im Pfarrverein-EKBO. Singt im Straßenchor.

ChristianBerlin

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