WIR MÜSSEN REDEN

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Lieber JA, liebe Redaktion, liebe Community-Leitung, lieber Mit-Blogger/innen und –Autor/inn/en,

am kommenden Dienstag kommen einigen von weit her nach Berlin, um am Rande des Freitag-Salon mal ein paar Fragen zu stellen und Dinge anzusprechen, die immer mal wieder gesagt oder noch nie besprochen wurden, die aber so oder so seit geraumer Zeit, wie sie sind, in der Community bei einzelnen oder bei vielen Bloggerinnen oder Bloggern für Unmut und Frust sorgen.

Im Moment scheint tatsächlich weniger los zu sein in der Community als noch vor ein paar Monaten. Das kann man relativ objektiv an den Charts ablesen – die absoluten Kommentarzahlen, Stillstand oder Bewegung sind ein sicheres Indiz für viel oder wenig Beteiligung und Resonanz. Ein ebenfalls sicherer Indikator Zugriffszahlen auf einzelne Blogs, aber die hält Der Freitag von den Autorinnen un Bloggern streng geheim.

Womit wir schon beim ersten Punkt wären, der mich von Anfang an gestört hat. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass die Redaktion diese Zahlen auch vor sich selbst geheim hält. Möglich wärs ja – um sich nicht unnötig zu frustrieren, wenn’s schlecht läuft, z.B.. Wenn da die Redaktion aber ein Herrschaftswissen für sich behält, das die Blogger mindestens genauso anginge, stimmt der Mythos nicht, dass wir „auf Augenhöhe“ sind. Das mag ein geradezu kommunistisches Ideal einer egalitären Community aus Bloggern, Autoren und Redakteurinnen, dasDer Freitag aber von Anfang an verkündet hat, mit dem er anfangs einige anderswo schon erfolgreiche bekannte Qualitätsblogger für sein Vorhaben gewinnen konnte und für das er zwischendurch auch den Leads Award 2010 als „bestes Online Magazin“ als Vorschusslorbeer bekam.

Will er damit weiter haussieren, muss analysiert werden, ob und warum die Welle des Erfolges sich momentan rückwärts bewegt und das sollte gemeinsam erfolgen, mit den Betroffenen. Schließlich ist die Resonanz der Lohn der Bloggerinnen und Blogger, für Geld machen sie’s jedenfalls nicht.

Eine wachsende Zahl von momentan Unzufriedenen hat deshalb beschlossen, das diesjährige Salon-Motto „beherrscht euch“ mit „WIR MÜSSEN REDEN“ zu übersetzen . Zunächst wollen wir alle anderen Communtiy-Mitglieder am heutigen 11.11.11,11:11 zu einem offenen Brainstorming in mehreren Blogs einladen, die unter dem Tag „wirmüssenreden“ zu finden sind. Verlag und Redaktion dürfen sich gerne beteiligen.

Am Dienstag, dem 15. November um 18:30 Uhr wollen wir das Gespräch mit JA und mit euch im richtigen Leben fortsetzen und laden alle Interessierten aus Community, Verlag und Redaktion zu einem „Gespräch auf Augenhöhe“ vor und nach dem Freitag-Salon in die Kantine des Gorki-Theaters ein. Mehrere uns werden dazu von weit her dazu nach Berlin kommen. Natürlich sind wir gespannt, wer sonst noch kommt und wer außer JA aus der Redaktion den Weg über den Hegelplatz ins Gorki findet.

Mein eigener Beitrag zur Frustforschung, die am Anfang der Analyse stehen sollte, würde bei dem schon erwähnten Herrschaftswissen beginnen und bei der Frage enden: Wieso willst Du das wissen? Die wie auf Bestellung dazu sicher kommen wird, die ich aber nicht vornweg schon beantworte. Mit etwas Nachdenken kommt man da auch schnell von selbst drauf.

Zwischen diesen beiden Frustfaktoren rangieren bei mir solche frustrierenden Erfahrungen und Ängste wie die, dass die Redaktion sich aus meinen Beiträgen bedienen kann, ohne die sonst übliche Spielregel einzuhalten, da „nach Recherchen des …“ hinzuzufügen, wenn die Fakten, die eine News ausmachen, jemand anderes zuerst herausgefunden und veröffentlicht hat. Wäre mein Text in der Zeit oder sonst wo erschienen, die Redaktion hätte das sicher eingehalten. Hier ist es ja „nur“ ein Blog, so wie ich „nur“ ein Blogger bin. Sowas dämpft meinen Ehrgeiz, im Blog-Format auch journalistisch punkten zu wollen und damit Den Freitag auch in diesem Teil zu einer relevanten Informationsquelle mit aufwerten zu wollen.

Ein weiterer Punkt, der mich zumindest manchmal ratlos macht, sind die Klagen über interessante BlogBeiträge, die trotzdem unbeachtet bleiben, weil sie nicht über die Wahrnehmungsschwelle kommen. Obwohl mich das selten betrifft, höre ich das leider oft und finde es auch manchmal bestätigt. Man schaut – auch ich selbst natürlich – zuerst in die Charts der fünf gerade meistkommentierten, nach dem Motto: Wer hat, dem wird gegeben. Außerdem guckt man noch bei „neue Blogs“ (wo etwa, wenn viel los ist, nicht allzu lange steht), dann in die Top Blogs“ (wo die Beiträge manchmal immerhin ein paar Stunden drin sind). Die Top Blogs sind das Sprungbrett zum Erfolg, und um die Frage, wer da warum mit welchem Beitrag reinkommt, rankten sich hier schon einige Diskussionen. Die Frage ist: Wie sollen die Community-Leiter das entscheiden – nach sozial-gerechten Gesichtspunkten (wie Frauen- oder Migrantinnen-Quoten) oder nach inhaltlich-journalistischen? Und wenn letzteres eines Rolle spielt: Können die das überhaupt, wenn sie selbst eigentlich von Haus aus keine Journalisten oder Redakteure sind? Deren wichtigste Maxime heißt ja: (Wir machen die Zeitung) „für den Leser“, das ist leicht zu verstehen, aber es ist nicht immer leicht zu umzusetzen, was das jeweils gerade heißt.

Eine weitere erschreckende Sache ist das Kräfteverhältnis in den Diskussionen, das durch ein nicht immer glückliches Community-Management-Regime und die m.E. AGB-widrige Ermöglichung von konkurrierenden Regimen schon so negativ beeinflusst wurde, dass einige ehemals Fleißige hier nicht mehr Schreiben und kommentieren wollen – übrigens vorwiegend Frauen. Eine hat mir klar gesagt: Das Regime sei „phallogozentristisch“, sie ziehe jetzt die Konsequenz.Shit happens – aber man muss daraus lernen, wenn sowas passiert, vor allem, wenn Bloggerinnen mit 4-stelliger Kommentierleistung betroffen sind, die hier seit langem zum festen Inventar gehören.

Kritisch beleuchten würde ich noch mal die Sache mit den Parallelregimen, denn das hatten wir so nicht vereinbart. Dass Community-Leitung jederzeit und ohne Begründung Kommentare löschen kann, ist vereinbart worden in den AGB. Dass andere Blogger das ebenfalls können, wenn ihnen die Kommentare unter ihren Blogs „in eine falsche Richtung laufen“, sieht hier nicht jeder als ebenfalls in Ordnung an. Einfach den BlogBeitrag kopieren, ihn löschen und ihn dann unter derselben Überschrift wiedereinstellen – dann verschwinden alle Kommentare und die Diskussion kann wieder bei Null beginnen. Wer was darunterschreibt, was dem Autor nicht passt, muss damit rechnen, dass ihn erneut die Strafe des Sisyphos erwartet, da verliert man die Lust, sich kritisch zu äußern. Und die konstruktiven ärgern sich erst recht, dass sie mit bestraft werden. Ein solches Regime sollte deshalb technisch gar nicht ermöglicht werden, wenn es nicht ausdrücklich auch in den AGB erlaubt wird, so dass man weiß, was einen erwartet. Sowas ist ohne Beispiel und so weder in der Blogosphäre noch bei den Zeitungen in deren Netzcommunities möglich.

Das wären die vier Haupt-Frustquellen, die ich im Moment auf dem Radarschirm hätte. Andere sehen sicher anderes, und ich bin sehr gespannt, deren Blogs dazu zu lesen. Und ebenso, wer außer JA dazu am Dienstag oder hier in den Blogs etwas zu sagen hat, was vielleicht zu einer Verbesserung führen könnte.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

ChristianBerlin

Theologe (Pastor) und Journalist, Berlin. Mitglied im Journalistenverband Berlin-Brandenburg (JVBB) und im Pfarrverein-EKBO. Singt im Straßenchor.

ChristianBerlin

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