Wohin mit einem arbeitslosen Bischof?

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Durch die Fusion der evangelischen Kirchen von Thüringen und Provinzsachsen wird übermorgen der Magdeburger Bischof Axel Noack vorzeitig verabschiedet. Ein satirischer Nachruf von ChristianBerlin.

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Axel Noack unterstützte ProReli mit einem Video-Statement, das bei YouTube allerdings nur einen Kommentar bekam - von einer Christin, die seine Argumentation beschämend fand. Übermorgen, am 7. Juni, wird er verabschiedet.

Nicht nur seine Mutter ist um ihn besorgt. Auch als ehemaliger Provinzsächsischer Pfarrer macht man sich seinetwegen Gedanken. Jedenfalls, wenn man heute Silke Jankos Artikel in der Magdeburger Volksstimme gelesen hat: Vom Revolutionär zum Bischof: Jetzt liebäugelt er mit einem Parteieintritt

Welche Partei, um Gottes Willen, kann er da nur gemeint haben? Oder ist das völlig egal, wollen für ihn alle dasselbe? Hat er durchschaut, dass unser Mehrparteiensystem nur ein Mummenschanz ist, mit dem wir lediglich die Diktatur der sogenannten Sachzwänge verschleiern? Oder wartet er jetzt auf das beste Angebot?

Gegenüber der Linken hat der ehemalige Revolutionär schon abgewunken, noch bevor sie ihn gefragt hat. In die will er einfach nicht. Ebenso wenig wie in die FDP. Dabei hatte er doch, wie man jetzt erfährt, als Student der Kirchlichen Hochschule Naumburg einst ein Bild von „Ché“ über seinem Bett hängen. Deswegen war er „der große Revolutionär“ und nicht etwa wegen herausragender Verdienste um die friedliche oder protestantische Protestbewegung. Wenn er allerdings, wie man ebenfalls erfährt, über deren glorreiche Zeit und den damit eingeläuteten Untergang des SED-Staates an der Martin-Luther-Universität in Halle-Wittenberg unterrichten soll, könnte seine Mitgliedschaft in der SED-Nachfolgepartei den Glanz dieser Epoche etwas schmälern. Wenigstens beim Dozieren über sie kann man sich heute noch darin sonnen. Die Dissidenten von einst sind dagegen längst von den Widersprüchen der neuen Verhältnisse überschattet worden.

Wäre der zweite Teil der Schlagzeile genau so wenig ernst gemeint wie der erste, man könnte beruhigt sein. Doch es ist keine Ironie. Immerhin war er als Bischof mehrfach zum Polittalk bei Sabine Christiansen eingeladen. Schon deshalb könnte er denken, er hätte anderen politisch etwas zu sagen. Allerdings hat dort kaum jemand seine Bälle aufgegriffen. Auch nicht seinen Vorschlag, wieder mehr „man“ statt „ich“ zu sagen, also etwa:„das macht man nicht“ statt: „das akzeptiere ich nicht“.

Als politisches Aushängeschild scheint er aber brauchbar zu sein. Seit 2004 ist er zum Beispiel Schirmherr DemokratieANstiftung. Allerdings ist die noch immer in der Aufbauphase, wo sie vor allem Geld und Unterstützer sammelt und noch keine Ressourcen hat, um auch Projekte zu fördern. Was das eigene Haus, die Kirche, betrifft, vertritt der Demokratie-Anstifter zudem die gegenteilige Auffassung: „In der Kirche ist der Ruf nach Demokratie fehl am Platze, auch wenn er zuweilen sehr populär ist“. Einer der abgeschmetterten Projektanträge an die Stiftung richtete sich denn auch gegen undemokratische Zustände in der Kirche ihres Schirmherren. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Aber es macht klar, warum er sich bei der FDP keine großen Chancen auszurechnen braucht. In Sachen Bürgerrechte ist selbst die Hauptpartei der Neoliberalen nach wie vor unerbittlich – wenn sie sich nicht gerade in einer Koalition befindet.

Aufs Arbeitsamt, wie seine Mutter befürchtet, muss der 59jährige aber nicht. Auch wenn er andere Pfarrerinnen und Pfarrer teilweise erfolgreich dorthin geschickt hat. Betriebsbedingte Kündigungen wird es diesmal, bei der anstehenden Zusammenlegung der Kirchenämter von Eisenach und Magdeburg und deren Umzug nach Erfurt, nicht geben. Aber es gab sie schon in seiner Kirche. Und wie man erfährt, sind selbst im Kirchenamt auch nur für „fast alle“ Mitarbeiter Lösungen gefunden worden. Solche Gerechtigkeitslücken könnten für den Bischof zum Boomerang werden, wenn er sich bei marktwirtschaftlich, aber sozial ausgerichteten Parteien wie der SPD, den Grünen oder der immer noch mit einem starken Arbeitnehmerflügel belasteten CDU um Aufnahme bewirbt.

Genau besehen scheint ihn also keine Partei wirklich wollen zu können. Und das, obwohl die Parteien alle, genau wie die Gewerkschaften, nach seiner Berechnung doppelt so viele Mitglieder verloren haben wie die Kirchen – sodass sein Beitritt für sie die einmalige Chance beinhalten könnte, mal zu erfahren, wie sie ihren Mitgliederschwund wenigstens halbieren könnten.

Für die Kirche, die in Jahrhunderten denkt, mag er nur ein kleiner Verlust sein, für die Politik könnte er ein großer werden.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

ChristianBerlin

Theologe (Pastor) und Journalist, Berlin. Mitglied im Journalistenverband Berlin-Brandenburg (JVBB) und im Pfarrverein-EKBO. Singt im Straßenchor.

ChristianBerlin

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