Vichy zum Après-Fussball

Sportplatz Keine Mutter, kein Vater muss sich fürderhin fürchten, wenn die eigene Tochter sich für den rauen Männersport Fußball interessiert oder gar selbst ...

Keine Mutter, kein Vater muss sich fürderhin fürchten, wenn die eigene Tochter sich für den rauen Männersport Fußball interessiert oder gar selbst spielen will. Denn Frauenfußball ist eine saubere Sache, die Akteurinnen sind unglaublich weiblich, charmant, attraktiv und zu 100 Prozent heterosexuell. Nach einem hart umkämpften Match baden die Mädchen und jungen Frauen in Pflegeprodukten von Vichy und treffen abends ihren netten Freund.

Dieses Bild vermittelt die neue Sportpublikation Frauenfußballmagazin, kurz: FF-Magazin. Seit dem 16. Februar ist das Heft auf dem Markt. 20.000 Stück wurden gedruckt, der Einzelheftpreis liegt bei zwei Euro, erscheinen soll es im Turnus von zwei Monaten. Am Kiosk und in den Stadien der Frauenbundesliga sucht Frau das Magazin allerdings vergebens, denn bislang wird FFM nur über Abonnements vertrieben. Chefredakteurin Monika Koch-Emsermann ist eine Fachfrau. Von 1970-1992 war sie Trainerin und Managerin des FSV Frankfurt, des bislang erfolgreichsten Vereins im Frauenfußball. Viele Spielerinnen, auch aus der Nationalmannschaft, kennt sie privat. Zum Start des FF-Magazins kündigte Koch-Emsermann an, die Zeitschrift solle eine Mischung aus Kicker und Gala werden, die Zielgruppe seien Mädchen und Frauen zwischen 14 und 30 Jahren. Männer für Frauenfußball zu interessieren, hält man offensichtlich von vornherein für ausgeschlossen.

In der Summe ergibt das Gala-Kicker-Junge-Frauen-Konzept leider eine sehr brave und biedere Postille. Den bislang vorliegenden zwei Ausgaben jedenfalls fehlt jeglicher Pep, vergeblich sucht man gut geschriebene Texte oder außergewöhnliche Perspektiven. Sicher, beide Ausgaben bringen viele Informationen zur Bundesliga, Nationalmannschaft, dem internationalen Frauenfußball und der Nachwuchsarbeit, die man sonst in dieser Dichte vergeblich sucht.

Doch das Schiff gerät insbesondere immer dann in schwere Wasser, wenn es das sportliche Leitthema verlässt. Möchte die Leserin in einem Sportmagazin wirklich über Vichy Pflegeprodukte, Ernährungstipps und edles Shopping in Dubai informiert werden? Oder weibliche Fußballstars mit Tier posieren sehen? FFM Nummer eins bringt in der Heftmitte ein Poster von Nia Künzer, Nationalspielerin und Schützin des Golden Goal im WM Endspiel: Nia zusammen mit einem süßen Hund. Im follow up findet sich die Mannschaftskollegin und Weltmeisterin Kerstin Stegemann mit einem Pferd im Schnee stehend.

Das Frauenfußballmagazin wirkt wie eine blumige Mischung aus Mädchen, Bravo und Brigitte - etwas mehr Kicker täte da gut. Wirklich peinlich ist die "Hip und Flop" Seite am Heftende: Hip sind lange Haare, Flop Jungen-Klamotten für Mädchen. Klare message: Mädchen, die sich jungenhaft anziehen, sind mega-out, aha!

Der Frauenfußball soll also ein mädchenhaft-charmantes Image bekommen. Weg von den "Mannweibern" und "Lesben" hin zu grazilen Gestalten auf dem Spielfeld und beim Après-Fußball. Schließlich traut man sich nicht, wirklich neue Absatzmärkte zu erschließen, sondern fischt in den alten, wohlbekannten Gewässern der Frauenmagazine. Zwischen den Zeilen und ganz direkt wird die Botschaft ausgesendet: Fußballerinnen können weiblich-attraktiv und sportlich erfolgreich sein. Selbst der Kaiser, Franz Beckenbauer äußert sich zu dieser "Gretchenfrage". Im Interview mit FFM antwortet er auf die heikle Frage: "Attraktive Frauen und Fußball, passt das zusammen?" ganz souverän: "Warum denn nicht? Genau so gut wie attraktive Männer und Fußball!"

Ist das die defensive Reaktion auf die Schmähungen männlicher Fußballstars? Wohl kaum. Die Zeiten, in denen es an der Tagesordnung war, den Frauenfußball zu verunglimpfen und als zutiefst "unweiblich" zu bezeichnen (siehe weiland Paul Breitner und Karl-Heinz Rummenigge) sind endgültig vorbei. Spätestens mit dem Gewinn des Weltmeistertitels im Oktober 2003 ist Frauenfußball in der veröffentlichten Meinung positiv besetzt. Muss es ein schamhaft gehütetes Geheimnis sein, dass viele lesbische Frauen erfolgreich Fußball spielen? In der Bundesliga und in der Nationalmannschaft? Der Spiegel hat genau darüber berichtet und an Hand eines Beispiels kritisch deren Diskriminierung innerhalb des DFB beleuchtet. Sicher, die sexuelle Orientierung der Spielerinnen muss nicht im Zentrum der Berichterstattung stehen, aber es wirkt schon albern und dick aufgetragen, wenn das "girlie-image" verkauft werden soll, schon die Fotos daneben strafen diese Berichte Lügen.

Fazit: Es bleibt zu hoffen, dass sich das Magazin weiterentwickelt. Der Markt dafür ist da. Fußballinteressierte Frauen in Deutschland haben ein Magazin verdient, das auch Erwachsene anspricht. Eine Auswahl gibt es nicht. Das FF-Magazin ist allein auf weiter Flur.


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