Samstag, 21. Mai 2005, 14 Uhr 47, Karl-Liebknecht Stadion Potsdam Babelsberg. Es ist drückend schwül. Abpfiff in der im Volksmund liebevoll "Karli" genannten Arena.
3: 1 steht auf der handbetriebenen Anzeigetafel. Die Fußballerinnen des 1. FFC Turbine Potsdam gehen als Siegerinnen vom Feld, der "UEFA Woman´s Cup" gehört den "Turbienen" - sie sind jetzt die beste Vereinsmannschaft in Europa. Bei den Männern entspräche dies einem Sieg in der Championsleague und damit einem stetigen und satten Zufluss von Geldströmen.
15 Uhr 05: "Kapitänin" Ariane Hingst reißt die bislang zum vierten Mal vergebene Trophäe hoch: ein wellenförmiges Etwas mit einer Kugel am Ende, 40 Zentimeter hoch, 8, 5 Kilogramm schwer. Die fünf Wellenlinien am Pokal sollen langes, wehendes Haar symbolisieren. Die Symbolik überrascht - tragen doch Fußballerinnen die Haare meist eher kurz. Überhaupt, die Preise: Passend zum Geschlecht bekamen Spielerinnen für den EM Titel 1989 jeweils ein Kaffeeservice geschenkt; 1991 Münzen im Wert von je 2500 DM; für den Titel 1995 waren es immerhin schon 6000 DM pro Spielerin - es scheint bergauf zu gehen.
Ein Lohn der Mühe für Turbines Spielerinnen ist die Berichterstattung am Tag nach dem Finale. Bild am Sonntag schreibt: "Frauen Power!" (in roten Lettern!) Die Lokalpresse überschlägt sich. Natürlich sind die Frauen auf der Titelseite der Potsdamer Neuesten Nachrichten abgebildet. In die Liste der Gratulanten trägt sich auch Bundeskanzler Schröder ein.
Hoffentlich bleibt es nicht bei Festtagsreden. Vom 5. bis 19. Juni findet in England die Frauen Europameisterschaft statt - hier könnte der DFB ein Zeichen setzen; und zwar mit einer angemessenen Prämie für den Gewinn des Titels. Das Nationalteam der Frauen existiert seit 1982! Seitdem wurden die Frauen dreimal Fußballeuropameister (die Männermannschaft, übrigens, in ihrer weitaus längeren Geschichte, errang den Titel nur zweimal), 2003 gar Weltmeister.
Es lohnt sich, gerade in dem Moment des allgemeinen Schulterklopfens noch einmal einen Blick auf die Geschichte des Frauenfußballs zu werfen: 1955 untersagte der DFB die Bildung von "Damenfußballmannschaften". Die Begründung entsprach dem damaligen Zeitgeist; im Kampf um den Ball "verschwinde die weibliche Anmut", "Körper und Seele erlitten unweigerlich Schaden" und das "Zurschaustellen des Körpers verletze Schicklichkeit und Anstand."
1970 hob der DFB das Verbot auf und ließ den Spielbetrieb für Frauen zu; allerdings mit modifizierten Regelungen; 1995 schließlich änderte sich die Sprachregelung - aus "Damenfußball" wurde, immerhin, "Frauenfußball".
In den achziger Jahren entwickelte sich der Frauenfußball in Ost- und Westdeutschland unterschiedlich. Im Osten kämpften die Sportlerinnen dafür, bei internationalen Begegnungen auch gegen westeuropäische Teams antreten zu können; im Westen kämpften sie sich weiter an den alten Abziehbildern ab.
Aktuell werden die Leistungen der Frauen in Nationalteam und Bundesliga anerkannt, nur die finanziellen Gegenleistungen bleiben noch überwiegend aus. Die Spielerinnen der Bundesligateams sollen professionelle Leistungen abliefern - ihre Bedingungen sind aber nicht danach. Die Bundesligaspielerinnen sind "hauptberuflich" Schülerinnen, Studentinnen, Azubis, Berufstätige oder Bundeswehrangehörige. Mit dem Fußball kann kaum eine ihren Lebensunterhalt verdienen. Im Fußballdeutsch heißen sie "Vertrags-Amateurinnen".
Als Turbine im Februar die spektakuläre Verpflichtung der ersten brasilianischen Spielerin in der Bundesliga, Cristiane Sousa Silva, Nationalspielerin ihres Landes, bekannt gab, berichtete die Presse über die Konditionen: Cristiane verdient 1.500 Euro im Monat, Wohnung und Auto stellt der Verein. Damit zählt sie zu den Topverdienerinnen der Liga. Für das Salär würde bei den Männern nicht mal der Zeugwart eines Zweitligaclubs antreten.
Auch die Nachwuchsförderung ist ein heikles Thema. Bei den Jugendmannschaften spielen die Mädchen bis zum zwölften Lebensjahr meistens bei den Jungen mit - eigene Teams gibt es nicht. Manches Talent gibt hier schon auf; andere beißen sich durch und suchen sich die wenigen Vereine in der Republik mit Jugendarbeit, wie Turbine Potsdam, aus.
Immerhin: der DFB startete die Mädchenkampagne www.ich-spiele-fußball.de; er wirbt auf Plakaten für die Sportart. Nur - wer soll die Mädchen trainieren? In den Vereinen fehlt es an Übungsleiterinnen und Leitern und, noch elementarer, am Geld sie angemessen zu vergüten. "Die Jüngsten brauchen die besten Trainer" - so Sabine Seidel, Jugendtrainerin beim 1. FFC Turbine Potsdam. Auf Dauer werden die guten Ergebnisse ausbleiben, wenn sich die Bedingungen an der Basis nicht verändern.
In jedem Fall aber war das Finale im "Karli" ein großes Ereignis. Der Trainer des 1. FFC Turbine Potsdam, Bernd Schröder, selbst früher Torwart beim DDR Oberligisten 1. FC Lok Leipzig, seit 34 Jahren ein beherzter Kämpfer für den Frauenfußball, rief am Samstag Abend vom Potsdamer Rathausbalkon die Losung aus: "Das war auch ein Sieg für den Osten!" Was bleibt? Der Wunsch, dass FIFA Präsident Sepp Blatters Prophezeihung eintritt und die "Die Zukunft des Fußballs" wirklich "weiblich" ist? Welche Weiblichkeit und welche Sportart ist hier gemeint?
Bernd Schröder hat da seine eigene Philosophie: "Frauenfußball ist eine eigene Sportart". Und er hat Recht. Jedes Frauenspiel beweist das.
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