Regenbogen ohne Leuchtkraft

Neue Linke Zu viele Häuptlinge, zu wenig Indianer

Italien bewegt sich nicht! Politische Veränderungen dauern ewig oder kommen gar nicht zustande! Nicht selten sind das Vorwürfe, denen sich italienische Politiker gegenüber sehen. Im Augenblick jedoch ist mit solchen Verdikten die Parteienlandschaft des Landes höchst unzureichend beschrieben - Erschütterungen sind ihr wahrlich nicht fremd. Zum Epizentrum wurde im Oktober 2007 die Fusion der Demokratischen Linken (DS) mit linken Christdemokraten zur Demokratischen Partei (PD). Alles, was links davon blieb, sah sich zum Handeln gedrängt, auch wenn die Lust am Zusammenschluss bei den Parteien Rifondazione Comunista (PRC), Comunisti Italiani (PdCI) und Verdi (Grüne) mit der von der PD abgespaltenen linkssozialdemokratischen Sinistra Democratica (SD) nicht unbedingt zum notorischen Reflex führte.

Parteienbündnis statt Bündnispartei

Aber die Weigerung der Demokraten unter Walter Veltroni, bei der anstehenden Parlamentswahl einem Anti-Berlusconi-Bündnis näher zu treten, zwang dazu, auf die Fusion in der Mitte mit einer Vereinigung am linken Rand zu reagieren. Leicht fiel dieser Schritt keineswegs - zu sehr sind die vier genannten Parteien mit der eigenen Tradition und Identität verwachsen. Schwebte der Sinistra Democratica eine moderne Linkspartei vor, die auf mittlere Sicht den vakanten Platz einer italienischen Sozialdemokratie beanspruchen und früher oder später auch der Sozialistischen Internationalen (SI) beitreten kann, war diese Vorstellung besonders den Comunisti Italiani fremd, die an Hammer und Sichel als Markenzeichen festhielten und eher linke Kaderpartei bleiben als Volkspartei werden wollten. Autoritäre Führungsstrukturen stießen wiederum die mehr basisdemokratisch veranlagten Grünen ab. Die mochten sich weder mit Hammer und Sichel als Symbol einer Linksallianz noch mit dem Namen Cosa Rossa anfreunden - sie bestanden auf dem Regenbogen als neuem Markenzeichen und setzten sich durch: La Sinistra l´Arcobaleno, die Linke des Regensbogens, heißt nun die Neuschöpfung und hat eher den Charakter eines Parteienbündnisses als einer Bündnispartei.

Die linke Unlust an Verschmelzung und Fusion wurde auch dadurch geschürt, dass es zu viele Häuptlinge und zu wenig Indianer gab und gibt, sprich: die Honoratioren ungern die Macht und den verfügbaren Platz in den Medien teilen. Fausto Bertinotti, langjähriger Vorsitzender von Rifondazione Comunista, ist zwar Spitzenkandidat des Regenbogens, aber nicht länger der einzige linke Politiker von Statur und Gewicht. Auch wenn Fabio Mussi, der blasse Vorstand der Sinistra Democratica, ihm kaum das Wasser reichen kann, haben die Linkssozialisten doch einige hochversierte Leute in ihren Reihen. Nicht zuletzt Achille Occhetto, Ex-Generalsekretär des legendären PCI, der einst größten kommunistischen Partei Westeuropas.

Viel Leuchtkraft freilich vermag der Arcobaleno bisher nicht zu entfalten, dafür stehen Programm und Liste zu sehr im Geruch eines additiven Unternehmens, bei dem jeder Partner streng nach Proporz Personal und Positionen platziert. Nach letzten Umfragen rangiert die Linksallianz überaus klar hinter Walter Veltronis Demokraten. Obwohl dessen Partei die meisten Minister in der nicht zuletzt wegen ihrer unsozialen Politik gescheiterten Prodi-Regierung stellte, ist es ihrem Spitzenkandidaten gelungen, sich mit der DP als neue und erneuernde Kraft zu empfehlen - dank einer radikalen Verjüngung der Kandidaten für Senat und Abgeordnetenkammer. Das Programm liest sich so, als wollte Veltroni von der Mitte aus die linke Konkurrenz klein halten - sozialdemokratischer würden sich derzeit weder SPD noch Labour Party äußern. Arbeitsmarkt- und soziale Forderungen dominieren, besonders die nach mehr weiblicher Erwerbsarbeit.

Kein neuer Olivenbaum

Das Thema Gleichstellung genießt auch beim Arcobaleno Priorität, der zugleich die einzige Formation ist, die sich einem konsequenten Laizismus verschrieben hat, was angesichts des massiven Einflusses, den der Vatikan auf die italienische Politik nimmt und der starken (links-)katholischen Elemente in der PD, Beachtung verdient. Ansonsten ähneln sich die Programme, vom Kampf gegen die prekären Arbeitsverhältnisse, über den Mindestlohn bis hin zur Unterstützung des Südens und der Förderung von Bildung und Universitäten finden sich viele Gemeinsamkeiten. Joker des Arcobaleno-Programms ist die Wiedereinführung der berühmten Scala Mobile, der automatischen Anpassung von Gehältern und Renten an die Inflationsrate. Da sich dieser Mechanismus in der Vergangenheit als Inflationsmotor erwiesen hatte, war er in den neunziger Jahren im Konsens mit allen Gewerkschaften kassiert worden. Dass die Allianz des Regenbogens hier zur Reform der Reform schreiten kann, steht indes nicht zu erwarten - man ist laut Umfragen weit davon entfernt ein geschätztes Potenzial von 15 Prozent auch nur annährend auszuschöpfen und steht bei mageren acht Prozent, weniger als Rifondazione Comunista, Comunisti Italiani und Grüne bei den Wahlen vom April 2006 in der Addition (s. links) erreichten. Die Prognose zeigt, wie skeptisch die Stammwähler offenbar mit der Fusion umgehen.

Christina Ujma ist freie Autorin und berichtet für verschiedene deutsche Blätter aus Italien.

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