Wenn in den USA das Wort »Liberaler« als Schimpfwort benutzt wird, ist das keine Beleidigung von sich wechselseitig dem Spektrum anpassender politischer Personen, sondern ein Angriff auf die amerikanische Linke. Liberale (=Demokraten) stehen dort in konservativen Kreisen im Verdacht, mit ihrem Gedankengut die amerikanische Kultur und insbesondere die Medien zu infiltrieren, was beinahe einem Versuch der Aushöhlung der Fundamente der Nation gleichkommt. Eine von rechter Seite gestartete Kampagne bemüht sich deshalb schon seit 50 Jahren, diese angeblichen Unterwanderung aufzudecken, was auch in jüngster Zeit wieder seinen Ausdruck fand. Neben den Bestsellern von Bernard Goldberg und Ann Coulter, die beide stark linke Tendenzen in den Medien ausmachen, äußerte sich gerade erst vergangene Woche George W. Bush frustriert über den liberalen press corps, der zu viel Skepsis über den derzeitigen Kriegsverlauf verbreite.
In liberalen Kreisen - und im europäischen Ausland - herrscht der gegensätzliche Eindruck. Hier wird seit dem 11. September ein kräftiger Rechtsruck der amerikanischen Presse notiert. Aus lauter Angst, unpatriotisch zu erscheinen, werde zunehmend eine kritische Berichterstattung zugunsten eines regierungstreuen Pro-War-Kurs aufgegeben, klagen die Linken. Spätestens seit Kriegsbeginn seien die amerikanischen Massenmedien mit den Zielen und Wünschen der Bush-Administration gleichgeschaltet worden und betreiben pure Propaganda. Beide Sichtweisen halten sich hartnäckig. Wie kommt es zu dieser unterschiedlichen Wahrnehmung medialer Tendenzen? Handelt es sich dabei um einen einfachen Konflikt von Fremd- und Selbstbetrachtung?
Keineswegs, behauptet der (liberale) Autor Eric Alterman. Die Annahme, dass die amerikanischen Liberalen zu viel Einfluss auf die News hätten und die Medien politisch eher links der Mitte beheimatet seien, erklärt er zum Mythos, ja, sogar zur Lüge. In seinem eben erschienenen Buch What liberal Media? belegt Alterman, dass die networks, die wichtigsten thinktanks, das populäre talk radio und die wöchentlichen Magazine von Konservativen dominiert werden. Er streitet dabei nicht ab, dass die Medien traditionell zu einer gewissen links-liberalen Richtung neigen. Der Beruf per se verpflichte den Journalisten zu einer skeptischen und konfrontierenden Haltung - sie fordern das Establishment da heraus, wo die Konservativen es bewahrt wissen wollen.
Es seien aber weniger die einzelnen Journalisten, die den Kurs des Mediums bestimmen. In den letzten 20 Jahren hat sich die amerikanische Medienlandschaft dahingehend verändert, dass immer mehr Medien in den Besitz immer weniger Hände gelangten. Durch die Konzentration der News unter dem Dach riesiger Konzerne haben sie den Status unabhängiger Organe verloren: Es sind nun die Personen in den Führungsetagen der corporate media, die über die Qualität und Umfang der Nachrichten bestimmen. Manager richten ihr Handeln nach anderen Gesichtspunkten aus als Redakteure; an die Stelle von ideologischen Interessen - oder Idealen - tritt das Interesse der Gewinnmaximierung. Diese Bereitschaft der Medienkonzerne, sich in den Inhalten vom Blick auf den eigenen Profit lenken zu lassen, machen sich wiederum die Konservativen zu Nutze. Mit Hilfe einer stabilen Infrastruktur und genügend finanzieller Ressourcen können sie es sich erlauben, die Presse zu instrumentalisieren und damit ausreichend Raum für ihren Lobbyismus zu schaffen.
Angesichts der neuen Besitzverhältnisse zitiert Alterman den ehemaligen Time-Redakteur Harold Evans, der schwierige Zeiten für die Zukunft der Medien News sieht. »Das Problem, vor dem viele Medienorganisationen heute stehen, ist nicht die Frage, wie sie im Geschäft bleiben, sondern wie sie weiterhin Journalismus betreiben können.«
Dass die Massenmedien (Alterman meint in diesem Fall vor allem Fernsehsender wie Fox, CNN und ABC) einen so großen Erfolg mit ihrer konservativen Schwarz-Weiß-Entertainment-News haben, ist aber nicht nur Resultat der corporate media oder des allgemeinen patriotischen Rechtsdrehs in Amerika. Bekanntermaßen orientiert sich ein mediales Angebot auch immer an einem vorhandenen Markt, das heißt es gibt ein Publikum, das auf diese Art und Weise informiert werden will. Laut dem Politologen Robert Entman haben sich Medien und Zuschauer in einem Catch 22 Verhältnis aufeinander zubewegt: »Um zu aufgeklärten Bürgern zu werden, bräuchten die Amerikaner einen hochqualifizierten, unabhängigen Journalismus (...). Da die meisten Bürger sich aber wenig um die Belange ihrer Regierung kümmern, suchen sie gar nicht nach qualifizierten politischen Reportagen und Analysen. So können es sich die meisten Nachrichtensender auch nicht leisten, das anzubieten, und weil sie es nicht tun, haben die meisten Amerikaner keinen wirklichen Zugang zu den notwendigen Informationen.«
Gerade in Zeiten von Chaos und Ängsten sehnt sich ein großer Teil des Publikums nach einfachen Antworten, nach klaren Botschaften. Links-Liberale bieten diese »Dienstleistung« naturgemäß seltener an, der Versuch objektive Diversität und Fairness walten zu lassen, lässt sie unkonkreter und desorientierter erscheinen. Konservative haben da ein leichtes Spiel, wo die Bevölkerung nie gelernt hat, aus widersprüchlichen Nachrichten informierte Entscheidungen zu treffen - und darin liegt eine Gefahr für die Demokratie. Alterman sieht die Problematik aber weniger im amerikanischem Bildungssystem begründet, als in der andauernden Kampagne der Konservativen gegen liberale Kräfte. Mit der bewussten Aufrechterhaltung des Mythos werde nämlich einiges erreicht: Die Fehler der Konservativen werden wegerklärt. Im breiten Publikum wird für Sympathie geworben. Und wichtiger noch: vorsichtig darauf bedacht, jeden Anschein von linker Liberalität zu vermeiden, nehmen sich viele Journalisten so weit zurück, dass sie sogar Republikaner gegenüber Demokraten in günstigerem Licht erscheinen lassen.
Als bestes Fallbeispiel dafür nennt Alterman die letzten Präsidentschaftswahlen. Schon im frühen Vorfeld stürzte sich der konservative Teil der Presse auf Clinton und seine privaten Skandale. Während die Massenmedien in ihrer Anti-Demokraten Haltung weit nach rechts über den Rand kippten, schossen sie weiterhin auf die Liberalen ein, sie würden eben zu liberal berichten. Davon eingeschüchtert, scheute die liberale Presse davor zurück, Bush zu kritisieren, zögerte aber nicht, gleichzeitig hemmungslos auf den auch in ihren Kreisen unbeliebten Kandidaten Al Gore einzuschlagen. Am Ende sah die gesamte Presse mehr oder weniger weg, als es um das Wahldebakel in Florida ging: kein »investigativer Journalismus« weit und breit; Bushs Verbindungen zu Fox News, dem Supreme Court und den Regierungskreisen eben jenes Staates Florida - das alles wurde weitgehend kommentarlos hingenommen und toleriert.
Angesichts des entstanden Schadens sieht Alterman die Lösung darin, in einer offenen Diskussion dem liberal bashing der Konservativen mit der Entlarvung des Mythos als Lüge einen Ausgleich zu setzen. Das Problem daran mag allerdings sein, dass er das Ganze mehr als Kampf zwischen Presseeliten denn als komplexe Gesamtdynamik einer sich verändernden Gesellschaft betrachtet. Er geht wenig auf die sich geformten Bedürfnisse des Publikums ein, für ihn beginnt ausreichend Demokratie, wenn die liberale Berichterstattung die konservative übersteigt. Sein Buch ist daher vielleicht weniger ein Appell zur Wiederherstellung eines glaubwürdigeren Journalismus, als vielmehr eine Warnung an die »Liberalen«, nicht auch noch die nächsten Wahlen zu vermasseln.
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