Das weiße Boot wiegt sich sanft auf einer mit Damenbinden, Kondomen und Müll gespickten braunen Brühe. Hinter der Oberbaumbrücke mit den hübschen russischen Ziertürmchen versinkt die Sonne orangefarben in der glitzernden Spree. Die Gäste des Eastern Comfort Hostelsschiffs genießen das Hauptstadtpanorama bei einem Drink auf Deck. Wenn man sich die Nase zuhält und nicht aufs Wasser schaut ist die Szenerie perfekt.
Edgar Schmidt von Groeling, Besitzer der Berliner Hostelschiffe Eastern Comfort und Western Comfort schimpft: „Riechen Sie das? Die Berliner Wasserbetriebe pumpen Fäkalien in unseren Fluss“. Sechzehn Jahre lang lebte der gelernte Architekt und Vater von zwei Kindern auf Hausbooten in Berliner Gewässern. Seit 2005 betreibt er die beiden Hostelschiffe zwischen Oberbaumbrücke und Eastside Gallery. Und ebenso lange ärgert er sich über den Dreck in der Spree. Immer wenn es stark regnet, macht sich ein übler Geruch um seine Boote herum breit. In der betonierten Berliner Innenstadt landet der Regen vor allem in der Kanalisation - aber wenn die an ihre Grenzen kommt, läuft das Abwasser in die Spree. Klärwerke vertragen nur eine bestimmte Wassermenge – der Rest wird dann ungefiltert in den Fluss abgeleitet.
Schmidt von Groeling hat angefangen sich zu wehren, wenn auch zunächst nur auf der Facebook-Seite des Wasserhostels. Er veröffentlicht Videos der Abwasser-Einlaufstelle, postet Fotos von Dreck am Ufer. „Die Abwassermenge, die jährlich in die Berliner Gewässer eingeleitet wird, entspricht einer Schlange gefüllter Tankwagen von Berlin bis nach Gibraltar“, kommentiert Ralf Steeg von der Firma Luritec die Fotos.
Steeg hat versucht eine Lösung für das stinkende Problem zu finden. In der Nähe des Friedrichshainer Osthafens baute er 2011 ein unterirdisches Abwasserrückhaltebecken unter den Fluss. Bei starkem Regen fängt es Wasser auf, welches die Kanalisation nicht mehr aufnehmen kann. So wird verhindert, dass es ungefiltert in die Spree fließt. Sind die Kanalrohre wieder frei, wird das schmutzige Wasser zurückgepumpt. Um mit den Abwassermengen der Berliner Mischkanalisation fertig zu werden, bräuchte es mehr von solchen Tankanlagen. Der Erfinder hatte ursprünglich geplant 14 Anlagen zwischen Elsenbrücke und Mühlendammschleuse anzubringen. Doch das wäre teuer und platzeinnehmend. Ralf Steegs Tankanlage ist so groß wie ein U-Bahn-Schacht. 1,5 Millionen Euro hat sie gekostet, für die Entwicklung kamen zwei Millionen Euro vom Bundesforschungsministerium.
Um sich seinen Traum zu verwirklichen, hat Schmidt von Groeling einiges auf sich genommen. Fünf Jahre kämpfte er mit Behörden und Banken um Genehmigungen und Kredite. Um das Boot über Flüsse und Kanäle von Wilhelmshaven nach Berlin zu bringen, musste der Weltenbummler das gesamte obere Deck abmontieren und auf einem zweiten Boot transportieren. Das alles hat er geschafft, doch für den Kampf um sauberes Spreewasser fehlt ihm die Kraft. „Für dieses Problem wird es niemals eine Lobby geben, denn nur die Leute die auf Booten oder direkt an der Spree wohnen bekommen etwas davon mit“.
Drei britische Gäste des Hostels spielen eine Runde Beachvolleyball am Spreeufer. „Ich hätte nichts gegen eine Abkühlung bei der Hitze“, sagt einer. „Aber einladend ist diese Brühe nicht.“ Seine Freunde stimmen ihm zu. „Jeder weiß doch, dass man nicht in Flüssen baden geht. Wer weiß was da alles drin schwimmt“.
Dieser Beitrag erschien zuerst auf meinem Blog: http://christinazurnedden.com/
Kommentare 11
Früher gab es weniger Abwasser... da durfte es noch versickern. Wenn der Berliner meint, er müsse sich duschhaft und sein Umfeld versiegeln, könnte er ein Großkonzern "Abwasser" gründen... und würde die Masse an Wohlstandsfeuchte trotzdem nicht bewältigen können. Da hilft auch kein Schiff...
Die Berliner Wasserbetriebe pumpen Fäkalien in unseren Fluss.
Eher nicht. Das ist bei Mischwasser-Kanalisationen nach starken Niederschlägen nun mal so, Regenüberlaufbecken können nur das Schlimmste verhindern.
Die Herren Schiffseigner könnten ja mal ein paar Milliarden für eine getrennte Erfassung von Schmutz- und Regenwasser spendieren ...
Wenn du deine Botschaft im Buchstabensalat versteckst, glaubt die doch niemand; hast du nicht ein paar appetitliche Bildchen?
Mich wundert schon lange, daß wegen der zunehmenden Diabeteserkrankungen noch niemand auf die Idee gekommen ist, Zucker aus Seiche zu recyclen. (BIO SWEET FOR TWO - organisch bewährt) Da liese sich doch bestimmt ein Zweitschiffchen am Starnberger See von finanzieren.
Um das Boot über Flüsse und Kanäle von Wilhelmshaven nach Berlin zu bringen, musste der Weltenbummler das gesamte obere Deck abmontieren und auf einem zweiten Boot transportieren. Das alles hat er geschafft, doch für den Kampf um sauberes Spreewasser fehlt ihm die Kraft. „Für dieses Problem wird es niemals eine Lobby geben, denn nur die Leute die auf Booten oder direkt an der Spree wohnen bekommen etwas davon mit“.
Ich fühle mit Ihnen, aber die Anzahl der Lobbyisten ist nun einmal begrenzt;(.
Die wäre generell sinnvoll aus Umweltschutzgründen, Nicht?
Ich sehe das nicht so. Abwässer werden nicht umsonst in D geklärt. Die Leute mögen es nicht, wenn man ihre Flüsse zur Abfallentsorgung benutzt. Das Zeug landet ja letztlich auch im Meer. Ich denke das Bewusstsein dafür ist da. Was fehlt ist die Aufklärung über die Praxis.
Ich höre z.B. zum ersten Mal davon, dass ungeklärtes Abwasser in die Flüsse gelangt, wenn es regnet. Eine Sauerei sondergleichen.
Dann mach doch, wenn du unbedingt ein zweites Schiff brauchst.
Darf es jetzt auch noch. Ich kenne persönlich einen Fall (nicht in Berlin, sondern in Sachsen) wo der Stadt der Anschluß an die Kanalisation zu teuer war.
Die einfache Sickergrube (seit Jahrzehnten benutzt) durfte es aber auch nicht mehr sein, die Hausbesitzer mussten einen eigenen Klärbehälter bauen, denn nur noch die geklärte Flüssigkeit darf versickern. Finde ich prinzipiell auch in Ordnung, wenn auch ein Armutszeugnis für eine Stadt, wenn 50m Anschlußweg ausreichen, sich aus der zentralen Entsorgung zu verabschieden.
Das Problem in Berlin scheint der Mischbetrieb zu sein. Regenwasser und Abwasser gehören einfach nicht zusammen. Ansonsten ist die Entsorgung ein reines (lösbares) Ingenieursproblem.
Sinnvoll ja, aber nicht vordringlich. Man denke einmal an die strukturelle Unterfinanzierung der Städte, z. B. gerade die Pleite von Gera. Die organischen Rückstände sind rasch fortgespült, weil ja auch der Fluss nach starken Niederschlägen mehr Wasser führt. Was bleibt, ist ein ästhetisches Problem, etwa wenn der stolze Schiffseigner sich wochenlang die am Ufer hängengebliebenen Klopapier-Reste anschauen muss.
Meinungsstark sollte nur sein, wer auch faktenstark ist. Ja, bei starken Wolkenbrüchen läuft an manchen Stellen der Kanalisation stark verdünntes Abwasser in die Spree über. So wurden Mischwasserkanalisationen Ende des 19. Jahrhunderts in allen großen Städten Europas konstruiert um zu sichern, dass auf den Straßen niemals Land unter ist. Die Folgen im Gewässer sind nicht schön und deshalb investieren wir – das Land Berlin und die Berliner Wasserbetriebe – Hunderte Millionen in Speicherprojekte, die das verhindern. Und dieses Bauprogramm für unterirdische Becken, Röhren, Wehren, Schwellen und Drosseln sucht in Europa seinesgleichen. London etwa hat bisher gar keine Speicher und fängt jetzt erst an. Die Berliner Anlagen in der Innenstadt fassen zusammen heute schon 235.000 Kubikmeter, was der Wassermenge in 94 olympischen Schwimmbecken entspricht. Weitere 80.000 sind in Planung. Sichtbar ist allein der im Osthafen schwimmende Speicher „Spree 2011“, mit 470 Kubikmetern.
Über all das kann man – Recherche oder wenigstens googeln vorausgesetzt – viel erfahren. Nicht nur auf unseren Webseiten, sondern auch bei nahezu allen Berliner Medien, die über das Problem und seine Lösungswege am 3. und 4. August ziemlich breit berichtet haben. So könnte man auch erfahren, dass in dem großen Bauprogramm eine Anlage in der Rudolfstraße vor der Fertigstellung steht, die die Spree an der Oberbaumbrücke vor Überläufen schützt. Oder das 2014 eine andere Anlage unter der Warschauer Straße installiert worden ist. Oder, oder, oder. Aber manchmal zerstört Recherche ja die schönste Story.
http://www.morgenpost.de/berlin/article205533525/Wie-Berlin-die-Wasserqualitaet-der-Spree-verbessern-will.html
http://www.tagesspiegel.de/berlin/wasserqualitaet-in-berlin-die-spree-braucht-eine-frischzellenkur/12141242.html
http://www.rbb-online.de/politik/beitrag/2015/08/abwasser-soll-seltener-ungeklaert-in-berliner-gewaesser.html
http://www.deutschlandfunk.de/berlin-haeufiger-starkregen-sorgt-fuer-schlechtes-wasser-in.697.de.html?dram:article_id=329984