Charme einer Dose Haarspray

Kunst Als „Klimakiller“ wurde das Museum des 20. Jahrhunderts bezeichnet – noch bevor es überhaupt gebaut wird
Ausgabe 14/2021
Modell für das geplante Museum des 20. Jahrhunderts. Voraussichtliche Kosten: etwa 350 Millionen Euro
Modell für das geplante Museum des 20. Jahrhunderts. Voraussichtliche Kosten: etwa 350 Millionen Euro

Foto: John MacDougall/AFP

Ein Kunstmuseum kann es sich nicht leisten, den Charme einer Dose Haarspray mit FCKW zu versprühen. Dieses Schicksal aber droht dem Museum des 20. Jahrhunderts in Berlin, bevor es überhaupt gebaut wird. Als „Klimakiller“ hat es der Konservierungswissenschaftler Stefan Simon vergangene Woche in der Zeit bezeichnet, nachdem die aktualisierten Pläne vorgestellt worden waren. Das ist vor allem brisant, weil Simon Direktor des Rathgen-Forschungslabors der Staatlichen Museen zu Berlin ist, die zur Stiftung Preußischer Kulturbesitz gehören, die ihrerseits Bauherrin des neuen Kunstmuseums ist, das nach den Entwürfen von Herzog & de Meuron zwischen Neuer Nationalgalerie und Philharmonie entstehen soll. Simon schreibt auf Nachfrage, er habe seither keine Signale empfangen, dass das „desaströse Konzept“ überarbeitet werde. Zuvor hatte schon der Bundesrechnungshof die aufwendige Klimatisierung angeprangert, die die Architektur erforderlich macht – weil Klimakiller im 21. Jahrhundert Kostenfresser sind.

Nun ist auch dem Charme der Architektur selbst bisher nicht jede*r erlegen – der Name „Scheune“ hat sich durchgesetzt – und dass der Neubau den aktuellsten Hochrechnungen zufolge statt 200 Millionen 353 kosten soll, erscheint in Zeiten von Kulturnothilfen nicht zeitgemäß. Andererseits: Welches Großprojekt sprengt nicht den Kostenrahmen und war nicht das Verhältnis der Hamburger zur Elbphilharmonie schnell ein anderes, als sie erst mal stand? Bei einem Museumsneubau den CO2-Ausstoß einfach zu ignorieren, ist aber ein Problem, das schlecht altert. Und es ist besonders frappant, weil Museen weltweit gerade bewusst an der Verbesserung ihrer Klimabilanz im Bestand arbeiten (der Freitag 12/2021). Museen können es sich nicht leisten, von gestern zu sein – egal, ob sie Kunst des 21. Jahrhunderts, des 20. oder des 5. vor Christus zeigen. Um Matthias Mühling, den Direktor des Münchner Lenbachhauses zu zitieren, mit dem ich neulich über dessen Treibhausgas-Emissionen sprach: Ihr Geschäft ist die Ewigkeit. Dieses Geschäft kann man nur glaubwürdig betreiben, wenn der Rahmen stimmt. Beim Thema Klimaschutz gilt das ganz besonders, wenn man die Zielgruppe erreichen will, die das 20. Jahrhundert nur aus Erzählungen kennt.

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Geschrieben von

Christine Käppeler

Ressortleiterin „Kultur“

Christine Käppeler leitet seit 2018 das Kulturressort des „Freitag“, davor schrieb sie als Redakteurin vor allem über Kunst und die damit verbundenen ästhetischen und politischen Debatten. Sie hat Germanistik, Amerikanistik, Theaterwissenschaften und Journalismus in Mainz und Hamburg studiert und nebenbei als Autorin für „Spex. Das Magazin für Popkultur“ gearbeitet.

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