Das Frollein muß endlich in Rente

Imagekritik Der Herr Ober sucht sein weibliches Pendant, seit das Frollein ausgedient hat. Die Deutsche Knigge-Gesellschaft bittet um zeitgemäße Vorschläge

Ein kurzer Blick in die Dramengeschichte lehrt: Von Goethes Gretchen bis hin zu Strindbergs Fröken Julie ist das Fräulein keine selbstbestimmte Kreatur. Es kann sich wohl die Anrede verbitten oder gegen die Rolle rebellieren, am Ende wird es doch zum Kollateralschaden eigennützigen männlichen Handelns. Kein Wunder also, dass der Begriff seit den Siebzigern sukzessive abgeschafft wurde: Aus dem Mädchen wird seit Anfang der Neunziger nahtlos eine Frau. Die Deutsche Knigge-Gesellschaft will jetzt die letzte Verwendungsform, die sich ins 21. Jahrhundert gerettet hat, abservieren und sucht zu „Herr Ober!“ ein weibliches Pendant.

850 Vorschläge sind bislang eingegangen, die zehn besten werden am 31. Mai zur Abstimmung veröffentlicht. Obligatorische Fehltritte wie „Saftschubse“ und „Kaffeeschleuder“ wurden dezent aussortiert, zu den Favoriten zählen das dem Esperanto entnommene „Servicia“ und Abkürzungen wie „Refafra“ für Restaurantfachfrau.

Klingt nicht überzeugend? Vielleicht aus einem einfachen Grund: Denn das eigentlich Perverse ist doch nicht nur die Anrede, sondern die Situation, in der man sie benutzt. Verhalten sich alle der Etikette gemäß, dann hat die Servierfachkraft ihre Gäste im Blick und ein einfaches Handzeichen reicht aus. Umgekehrt übt ein höflicher Gast sich in Geduld. Sollte es ihm um eine persönlichere Form der Kontaktaufnahme gehen: Da war Hinterherrufen noch nie die beste Idee. Streichen Sie das ­„Frollein“ also bitte umgehend aus dem Wortschatz – und zwar ersatzlos.

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Geschrieben von

Christine Käppeler

Ressortleiterin „Kultur“

Christine Käppeler leitet seit 2018 das Kulturressort des „Freitag“, davor schrieb sie als Redakteurin vor allem über Kunst und die damit verbundenen ästhetischen und politischen Debatten. Sie hat Germanistik, Amerikanistik, Theaterwissenschaften und Journalismus in Mainz und Hamburg studiert und nebenbei als Autorin für „Spex. Das Magazin für Popkultur“ gearbeitet.

Christine Käppeler

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