„Chanel“ steht auf dem T-Shirt, das sich unter dem Brustbein in Stofffransen auflöst, das C ist allerdings dem Logo der Sportmarke Champion nachempfunden und auch die Erdbeeren verströmen keinen Pariser Chic. Das Model trägt dazu eine goldene Trainingsjacke und eine geschlitzte Anzughose mit tropischem Blumenmuster. Sein Outfit ist Teil der Kinshasa Collection, die Genese dieser Kollektion ist ähnlich transnational und hybrid wie die Labels, Stoffe und Schnitte, die auf dem Laufsteg zu sehen sind. Und auch die Modenschau im Berliner Haus der Kulturen der Welt ist nicht einfach nur eine Kleiderpräsentation. Am Laufsteg steht die Filmemacherin Jana Keuchel, eingegurtet in ihr Equipment, und dreht für das letzte Kapitel der Webserie Kinshasa Collection, die nach vier Folgen im Kongo und im chinesischen Guangzhou in Berlin enden soll.
Die Webserie, das muss man vorab vielleicht erklären, ist in Teilen auch eine Persiflage auf sich selbst: Sie handelt von einer deutschen Dokumentarfilmregisseurin, ihrer Kamerafrau und ihrem Toningenieur, die sich vorgenommen haben, die kongolesische Hauptstadt Kinshasa als aufstrebende Modemetropole zu porträtieren. Dorothee Wenner, Jana Keuchel und Pascal Capitolin wollen ein anderes Afrika zeigen und sind sich gleichzeitig bewusst, wie klischeehaft dieses Vorhaben ist.
Das „Kizobazoba“-Prinzip
Also beginnt die erste Folge mit einem fiktiven Pitch in Berlin. Das Motto der Ausschreibung lautet „Mit Afrika auf Augenhöhe“, die Projektmappe ziert ein Foto, auf dem schwarze und weiße Hände sich zu einem Kreis anfassen. „Mode als Aufhänger, das gefällt uns sehr gut. Die Creative Industries, das ist genau unsere Linie. Und das im Kongo, im Herzen der Finsternis. Das ist was Neues, prima“, findet der Auftraggeber (tatsächlicher Förderer des Projekts ist das Goethe-Institut). Das Team ist in der Endrunde – vorausgesetzt, es fliegt auf eigene Kosten nach Kinshasa, um einen ansprechenden Trailer zu produzieren.
Die Suche nach dem imaginierten anderen Afrika erweist sich im Kongo jedoch als schwierig. Eine Kontaktperson führt sie zu einer Modenschau, die unbrauchbar ist: Aufgerüschte Polyesterträume lassen sich in Europa nicht als afrikanische Avantgarde verkaufen. Die Botschaft ist deutlich: Fortschrittlich ist Afrika aus europäischer Sicht nur, wenn es mit europäischen Normen kompatibel ist. Ob der Streit, der folgt, authentisch ist oder bewusst inszeniert, bleibt wie an vielen Stellen der Webserie unklar. Die Story entwickelt sich jedenfalls so, dass die Berliner in einem letzten Versuch durch stockdunkle Gassen in ein enges Atelier geführt werden, wo junge Designer Maßanzüge und Streetwear schneidern, in die sie traditionelle Pagne-Stoffe einarbeiten. „Kizobazoba“ nennt sich dieses Prinzip, das zum Leitmotiv der Serie wird. Die Übersetzung „Patchwork“ lehnen die Designer ab: „Das ist euer Ausdruck.“
Das dritte Element des Kizobazoba lernen sie durch Djo Shongo kennen, eine menschliche Pop-up-Boutique. Shongo trägt Markenklamotten, die Leute sprechen ihn an oder sehen ihn auf Instagram und bestellen bei ihm direkt. Die Markenware wiederum kommt aus Guangzhou, der größten Außenhandelsstadt in Südchina, die zum dritten Schauplatz der Serie wird.
Dass es den Produzenten dieser Kleidung nicht mehr darum geht, die Entwürfe von Versace, Gucci oder Chanel täuschend echt zu imitierend hat die Islamwissenschaftlerin Alina Kokoschka in dem kürzlich erschienenen Band Traces. Fashion & Migration auch für die Märkte in vielen arabischen Ländern festgestellt. Dort gelte wie in Brasilien und China: „Es ist das Logo, das zählt, nicht die Originalmarke.“ In den arabischen Ländern entdeckte Kokoschka die Köpfe schiitischer Führer auf Hugo-Boss-Geldbeuteln und Ketten, an denen das doppelte C von Chanel durch einen Halbmond ergänzt wurde. „Es entsteht keine Fälschung, sondern eine Berichtigung für den lokalen Kontext“, urteilt sie. Das Bild der passiven Empfänger von Konsumkultur, das Europäer von diesen Gesellschaften haben, widerlegten diese Produkte.
Wer Haute-Couture-Teile mit Sportswear kombiniert, gibt sehr viel Geld aus, um mondän und lässig zu wirken. Das Chanel-Champion-Shirt hingegen fusioniert die Labels in Eigenregie und pfeift auf die zugehörigen Register. Die europäischen und US-amerikanischen Modekonzerne sind nur noch Stichwortgeber, deren Logos zwar verehrt, aber eigenmächtig zu etwas anderem verarbeitet werden. Europa, das macht die Serie einmal mehr klar, wird als Player für Afrika und China immer unwichtiger.
Dass die Copycats der Zukunft in New York, Paris, Mailand und Berlin sitzen werden, dafür gibt es längst Anzeichen. Die Islamwissenschaftlerin Kokoschka nennt etwa die M.I.A.-x-Versus-Versace-Kollektion, für die sich Maya Arulpragasam von den Fake-Versace-Klamotten ihrer Jugend inspirieren ließ. Auch im Haus der Kulturen der Welt kichern nur noch die Älteren unter den Besuchern über das Label-Mash-up.
Info
Die ersten drei Folgen der Webserie Kinshasa Collection sind bereits auf kinshasa-collection.com zu sehen, drei weitere folgen bis Ende September
Traces. Fashion & Migration Olga Blumhardt, Antje Drinkuth (Hg.) Distanz 2017, 200 S., 29.90 €
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