Drei Happy Ends, kein viertes

Bühne Am Abend der Bundespräsidentenwahl zeigt das Wiener Burgtheater die Posse „Diener zweier Herren“
Ausgabe 21/2016
Alle Augen auf Peter Simonischeck (rechts) als Pantalone de'Bisognosi
Alle Augen auf Peter Simonischeck (rechts) als Pantalone de'Bisognosi

Foto: Skata/Imago

Von Platz vier in in der vierten Loge im zweiten Rang hat man das gesamte Parkett im Wiener Burgtheater im Blick, von Reihe eins, wo die Premierenkarten 61 Euro kosten, bis hinten zu den Stehplätzen für drei Euro fünfzig. Man kann den Zuschauern von dort oben auf den Schoß schauen, und nicht wenige von ihnen hätten an diesem Sonntagabend allen Grund, eher aufs Smartphone zu schielen als auf die Bühne: In Cannes wird die Jury der 69. Filmfestspiele in dieser Nacht entscheiden, ob der deutsche Beitrag der Regisseurin Maren Ade eine Goldene Palme erhalten wird. Für das Theaterpublikum ist das von besonderem Interesse, da Peter Simonischek, der Ades Titelfigur Toni Erdmann spielt, hier heute Abend in Carlo Goldonis Diener zweier Herren den Pantalone gibt. Die andere Entscheidung betrifft ganz Österreich, das an diesem Sonntag erfahren wird, ob es einen Rechtsaußen zum Staatsoberhaupt gewählt hat. Als der Gong zur Vorstellung schlägt, steht es 50:50 bei 3.000 Stimmen Vorsprung für den Grünen-Kandidaten Alexander Van der Bellen.

Das Licht geht aus, kurzes Stuhlgehoppel für den besten Blick auf die Drehbühne. Diener zweier Herren ist eine Klamotte, auch hier schwelt ein Vater-Tochter-Konflikt, wie in Toni Erdmann, wo Simonischek einen Alt-68er spielt, der seiner Tochter, einer Unternehmensberaterin, nach Rumänien nachreist. Am Burgtheater verkörpert Simonischek nun den Patriarchen Pantalone, der seine Tochter an den Mann bringen will – an einen, der für ihn finanziell von Vorteil ist. Der, dem sie vertraglich zugesichert ist, soll sie nun doch nicht kriegen, weil der vermeintlich tote Erstanwärter wieder aufgetaucht ist – wobei es nur dessen verkleidete Schwester ist, deren Geliebter den Bruder und eigentlichen Ehekandidaten erschossen hat. Um das Chaos perfekt zu machen, ist da noch ein Diener, der doppelt dient und doppelt abkassiert.

Für Struktur und Schwung sorgen ständige Auf- und Abtritte, eine der zehn Türen fällt immer knallend ins Schloss, einmal muss sogar eine halbe Hand dran glauben. Davon abgesehen sind das auffälligste Requisit Don Pantalones Zähne, die nicht ganz so schief, aber ebenso falsch und hervorstehend sind wie die von Toni Erdmann, sodass man sich fragt, ob sie womöglich ein Glücksbringer für diesen Abend sind.

Sich hineinfreuen

Aus Cannes hört man nichts Neues, als der Gong um 20.15 Uhr zur Pause schlägt, derweil führt FPÖ-Mann Norbert Hofer mit 51,3 Prozent. In der zweiten Hälfte der Inszenierung wird auf der Bühne mit Hochdruck auf die Happy Ends hingearbeitet – bei so viel Personal kann es nicht nur eines geben.

Falls Peter Simonischek durch Cannes abgelenkt ist, merkt man es ihm nicht an, er scheint sich zähnebleckend immer mehr in die Rolle hineinzufreuen, wofür er Szenenapplaus bekommt, wie auch Mavie Hörbiger, die Zofe, Markus Meyer, der Diener, und Sebastian Wendelin als der Geliebte Florindo Aretusi. Die zweieinhalb Stunden sind so kurzweilig wie 18 Minuten Dinner for One. „Ende gut, alles gut“, sagt am Schluss der Patriarch, Licht aus, Licht noch einmal an: Auch das dritte Paar, der Diener und die Zofe, muss noch verheiratet werden.

Ein viertes Happy End gibt es dann leider nicht. Die Goldene Palme in Cannes geht an Ken Loach für I, Daniel Blake. Und das vorläufige 50:50-Ergebnis der Wahl erzählt von einem tief gespaltenen Land.

Info

Diener zweier Herren Regie: Christian Stückl Burgtheater Wien

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Geschrieben von

Christine Käppeler

Ressortleiterin „Kultur“

Christine Käppeler leitet seit 2018 das Kulturressort des „Freitag“, davor schrieb sie als Redakteurin vor allem über Kunst und die damit verbundenen ästhetischen und politischen Debatten. Sie hat Germanistik, Amerikanistik, Theaterwissenschaften und Journalismus in Mainz und Hamburg studiert und nebenbei als Autorin für „Spex. Das Magazin für Popkultur“ gearbeitet.

Christine Käppeler

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